Love Your Witch – A Journey into the Unknown: Album Review

Das Trio „Love your Witch“ kommt aus Israel und veröffentlicht mit „A Journey into the Unknown“ bereits das fünfte Album. Allerdings waren die physischen Veröffentlichungen der Band bislang auf heimisches Territorium beschränkt. Weshalb wahrscheinlich wenige mitbekommen haben, was die Kumpel aus Tel Aviv–Yafo seit Bandgründung 2018 so treiben. Die Freunde haben sich harten Gitarrensounds verschreiben, die munter jenseits aller Grenzen amalgamiert werden. Gemeinhin würde ich das zur Vereinfachung wohl als Mix aus Stoner Rock und Sludge Metal beschreiben. Den dargebotenen Level an Hysterie muss die Hörerschaft schon selbst erfahren. Seit Mai 2023 digital erhältlich, seit Mitte September auch auf CD und Vinyl beim Berliner Label Reality Rehab Records.

Na, mal wieder Musikkategorien verlegen? Wieder keine Subgenre zur Hand? Keine Schublade offen, in die eine neue Band passt? Ich bin es leid. Es ist auch so müßig. Mittlerweile würde ich die Gegenwart als Kreative Phase jenseits der Genrebegriffe interpretieren. Quasi Post-Genre. Sicherlich finden isch noch ausgewiesene Blues, Power Metal oder Deutschpunk Bands, aber die große Mehrzahl aktueller Künstler:innen und Bands bewegen sich schon längst selbstverständlich außerhalb von Genregrenzen und mashen Sounds was das Zeug hält und die eigene musikalische Sozialisation hergibt.

So auch Love Your Witch. Das Trio hat definitiv Vorlieben für harte und extreme Rocksounds. Da sind aber nicht nur Hardcore Elemente zu finden, sondern auch schwerlastiger Doom und psychedelische Stoner Rock Komponenten. Aber man beherrscht sein Instrument und kann da auch mal zartere, filigrane Töne entlocken. So wie bei Opener „Fire Lady“. Bleibt die Frage, ob die Feuerdame mit der „Lady of the Forest“ verwand ist, die das vorangegangene Album ebenfalls anfänglich zart akustisch eröffnete?

Variationen schweren Gitarrenreocks

Die örtliche Szene für harte, gitarrenlastige Musik in Tel Aviv –Yafo muss vergleichsweise überschaubar sein. Hört und liest mensch zumindest im Zusammenhang mit „The Great Machine“ immer mal wieder, die aus derselben Ursuppe stammen, aber ihre Fühler international schon mal ausgestreckt hatten und haben. Love Your Witch haben sich bislang ausschließlich auf lokaler eventuell nationaler Ebene etabliert und entwickelt. Ein kurzer Soundcheck durch die früheren Veröffentlichungen gefällt und zeigt einen Hang zum Lärm, der auf dem aktuellen Album irgendwie besser kanalisiert scheint. Aber dazu gleich mehr.

Überraschender Weise mache ich bei der Vorliebe für Heavy Rock und für schwarzmagische Themen kaum explizite Black Sabbath Einfüsse aus. Stattdessen ist da beinahe ein Black Metal Einschlag. Zumindest in dem Maße, dass die Produktion und die instrumentalen Eskapaden bisweilen aus den Fugen geraten – veitstanzend sozusagen. Da ich gerade das italienische Trio Humulus vorgestellt habe folgende Analogie: Wenn Humulus das Bikertreffen vertonen, dann sind Love Your Witch die Hunnen, die in Rom einfallen.

Musikalische Reise in Schwert und Zauberei und Geschrei

Dabei beginnt alles so harmlos und harmonisch. „A Journey into the Unkown“ bietet auf 53 Minuten acht Songs an. Die Spieldauer variiert von rund fünf bis hin zu knappen neun Minuten. Auf dem Spielplatz des Stoner Rock ist das handelsüblich und geradezu gerade heraus. Den Auftakt macht wie bereits erwähnt „Fire Lady“ mit Akustikgitarre und getragener Melodie. Ein wenig gemahnt dies an mittelalterlichen Minnegesang, bevor das Liedgut gegen Ende ordentlich Wumms bekommt. Ein wunderbarer Einstieg und Reiseauftakt.

Anschließende zelebriert „Under Water“ eine sehr zähe Spielart des Doom Metal. Ab der Liedhälfte nimmt das U-Boot langsam aber bestimmt Fahrt und Wildheit auf. „Breaking Point“ offeriert hernach einen zerfetzten Groove der mit einem irren Maß zwischen Hysterie und Bremse pendelt. Allerdings ist „Breaking Point“ kein Fahranfänger, sondern rockt erheblich.

Mikrokosmos Tel Aviv – Yafo

„Barrel in the River“ mag der „Hobbit“-Szene geschuldet sein, als Frodo und Co in Fässern aus der Burg fliehen müssen, aber der Song gefällt selbst wenn es um andere Inhalte geht. Gemächlich wird das Fass in den Fluss gelassen und kommt erst nach einer Weile in der schnellen Strömung an. In flotter Fahrt geht es durch Stromschnellen, Mäander und Verwirbelungen um dann leicht lädiert am Ufer zu landen. Vielleicht mein Lieblingssong auf „A Journey into the Unkown“. Ebenso das anschließende „Care Free“ das einen Sludge Sound zelebriert, der mit Hardcore-artiger Stop & Go-Dynamik wackelt bis es ab Minute zwei in schweres Riffing übergeht. So schön kann Wut klingen.

Irgendwie machen die letzten drei Songs auf der Reise ins Unbekannte“ dann noch ganz andere Klangräume auf. „Witches Blues“ ist klassischer Slowblues mit verzerrter Gitarre und wurde als Video-Single ausgekoppelt. „Temples Down“ findet sich in progessiveren Stoner-Gefilden wieder und das abschließende „Superman“ hat eine ähnliche gniedelige Ausrichtung. Irgendwie wird der Hörerschaft erst jetzt bewusst, dass die Reise ja ganz anders begann und zwischenzeitlich durch ungastlichere Landschaften führte.

„A Journey into the Unkown“ zeigt eine ganz erhebliche Bandbreite schwerer Rockmusik, ohne dass sich Brüche im Musizieren auftun. Hier fügt sich alles zu einem abwechslungsreichen Album, das in seiner Gänze zu gefallen weiß. Das israelische Trio „Love Your Witch“ hat einen Hang zu thrashiger Aggression, zügelt diesen aber immer wieder in überraschend musikalische Ideen. Wahrscheinlich hat die Zeit im eigenen israelischen Mikrokosmos sehr zu Soundfindung beigetragen. „A Journey into the Unknown“ stellt in seiner Stimmigkeit vielleicht den bisherigen Höhepunkt des Bandschaffens dar.

Album-Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

Love Your Witch: A Journey into the Unkown
Genre: Sludge Metal, Post Stoner Rock , Post Hardcore
Länge: 53 Minuten, ISR, 2023
Interpret: Love Your Witch
Fantasticore Productions
Label: Reality Rehjab Records
Format: Digital, CD, Vinyl
Digital-VÖ: 11.05.2023
LP- & CD-VÖ: 15.09.2023

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Band:

Mor Gal – Bass, Guitars, Vocals
Michael Kozlovsky – Guitars
Amit Abrahamy – Drums

Recording & Mixing Engineer – Chris Fielding
Mastering – Chris Fielding
Artwork – Dan Deutsch