Le Mali 70: Mehr als nur Wüstenblues

Eine Berliner Bigband hat sich den afrikanischen Sounds verschrieben wie sie in den frühen 1970er Jahren von Tanzorchestern in Mali zelebriert wurden. Daraus entstand die Idee eine Reise zu den Ursprüngen dieser Musik zu machen; und vielleicht mit den ehemaligen Künstlerinnen zusammen zu musizieren. Die Musik-Doku „ Le Mali 70“ begleitet diese inspirierende Reise. Real Fiction bringt den Film ab 17. August 2023 in die Kinos.

Nachdem der westafrikanische Staat Mali 1960 seine Unabhängigkeit erklärte, wurden überall im Land Tanzorchester gegründet. Diese haben einen eigenen Sound kreiert und spielten bis in die frühen 1970er auf. Doch das Vergnügen währte kurz. 1968 hatte bereits ein Militärputsch stattgefunden, aus dem ein „Ein-Parteien-System“ entstand. Die Arbeitsbedingungen und Restriktionen für die Musiker:innen verschlechterten sich und fast alle Bigbands gaben mit der Zeit auf oder die Musiker:innen verließen das Land.

Das Berliner Bigband „Universal Earkestra“ feiert die Sounds dieser musikalischen Epoche und präsentiert regelmäßig im Konzert Bigband-Musik nach Vorbildern der eigenen Plattensammlung, auch in eigenen Arrangements. Darunter eben jene stilprägenden Orchester aus Mali. Die musikalische Bildungsreise in den westafrikanischen Binnenstaat, der zu den ärmsten Länder n der Welt zählt, ist durchaus fordernd.

Super Bitons de Segou

In der Hauptstadt Bamako bekommen die Musiker Kontakte zu ehemaligen Orchstermusikern und stellen schnell fest, dass es lokal sehr unterschiedliche musikalische Traditionen gibt. Alle Big Bands aber, wie ein Gitarrist erklärt, wurden immer inspiriert von kubanischer Musik. Denn nach der Unabhängigkeit war Cuba eines der Länder, das „Entwicklungshilfe“ leistete und sich beim Aufbau von Gesellschaft und Kultur engagierte. Daneben hat vor allem die bluesige Musiktradition Malis in den 1970ern ihre Marken in der internationalen Musiklandschaft hinterlassen. Ali Farka Toure ebenso wie Boubacar Traore, Omou Sangare oder Salif Keita, der im Film auch mit dem Earkestra musiziert.

Als Film ist „Le Mali 70“ schlicht gehalten, gibt wenig mehr als eine grobe Richtung vor und lässt der Reise und dem Musizieren ihren Raum, so das vor allem das Miteinander der Musiker:innen in all seinen Facetten sichtbar wird. Das erinnert wie bei vielen Dokus dieser Art bisweilen an Wim Wenders „Buena Vista Social Club“, hat aber auch etwas Eigenes, wenn die zumeist jungen Berliner sich an ihren Vorbildern abarbeiten.

Railband aus Bamako

Da stellt sich nicht nur die Frage, wie man jemandem etwas erklärt, der nicht Noten lesen kann. Ebenso wird deutlich, dass im französisch-sprachigen Mali die Weltsprache Englisch nicht immer weiterhilft. Da hapert es gelegentlich an der Völkerverständigung. Und während einige der alten Mali-Musiker stolz auf die europäischen Kollegen sind und diese bei ihren Konzerten zum Gastauftritt einladen, werden bei anderen Sessions die Clava (Rhythmushölzer) beinahe zu einem unüberbrückbaren Hindernis. Nun denn, spricht der weise Salif Keita, es sei ja alles Jazz, und dann eben eine andere Interpretation. Dass die Aufnahme-Sessions auch zu einem Album geführt habe wird im Abspann erwähnt. Das Album bei Trikont Records erhältlich ist.

Regisseur Markus Schmidt, der bislang vor allem als Film-Editor arbeitet (unter anderem für die großartige und sehenswerte Internet-Doku „Cleaners – Die Schattenseiten des Internets“), hat sich entschieden, nur zu beobachten und keine Interview-Sequenzen zu verwenden. Zum Teil erübrigt sich das auch, weil die Berliner die Kollegen aus Mali nach Dingen fragen.

Mystère Jazz de Tombouctou

Bisweilen fühlt sich „Le Mali 70“ etwas aus der Zeit gefallen an. Das mag die Realität abbilden, aber im gesamten Film ist kein Mobiltelefon zu sehen, man pütschert mit einem offenen Boot über den Fluss, und das Kulturarchiv ist voller Filmrollen aus Zelluloid. Da bekommt das Publikum schon Angst, das Archiv könnte in einem ähnlichen Zustand sein wie die seit 1972 eingelagerten Instrumente der Railband, die korrodiert und von der Zeit zerfressen sind. Besitzerstolz löst das aufbewahrte Sammelsurium dennoch aus.

Es mag sein, dass die Frage eines Berliner Musikers, ob man denn auch in Timbuktu spielen könnte, absichtlich im Film behalten wurde. Das geneigte und politisch interessiere Publikum wird eventuell wissen, dass der Norden Malis seit etwa 2012 unter der Herrschaft des Islamischen Staats steht (siehe auch Musikdoku „Woodstock in Timbuktu“) und seitdem im Land trotz Militärputsch 2020 noch immer ein bewaffneter Konflikt herrscht. Als Musiker auf Bildungsreise gehört das dann möglicherwiese doch zur Vorbereitung aus Sicherheitsgründen.

Wer Freude an Big Band Sounds mit afrikanischen Einschlag hat sollte „Le Mali 70“ keinesfalls verpassen. Es macht immer Freude, die erfahrenen Musiker zu sehen und dieses kulturelle Erbe zu würdigen ist ein bereicherndes Element, das auch auf der Kinoleinwand seinen Esprit versprüht. Wer Glück hat, bekommt auf der Kino-Tour sogar noch en Konzert mitgeliefert (Termine auf der Filmseite).

Film-Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

Le Mali 70
OT: Le Mali 70
Genre: Doku, M usik
Länge: 93 Minuten, D, 2022
Regie: Markus Schmidt
Mitwirkende: Omniversal Earkestra, Salif Keita,
FSK: nicht bekannt
Vertrieb: Real Fiction Films
Kinostart: 17.08.2023

Filmseite mit Kino-Terminen

Omniversal Earkestra