Parker: Martini Edition –Last Call: Krater im Fels

Auf einem Bein kann man nicht stehen. Und so legt der Comicverlag Schreiber & Leser in der Reihe „Noir“ den zweiten und letzten „Parker“-Ziegel nach, oder – um im Bild der „Martini Edition“ zu bleiben – läutet die letzte Runde ein. Donald E. Westlake ist eine Autoren-Legende, Darwin Cooke ein Ausnahme-Illustrator, Parker eine Gauner-Ikone. Was soll also schiefgehen, wenn in der abschließenden Martini-Edition zwei weitere „Parker“-Romane zu Comic-Ehren kommen und es haufenweise Fanfutter gibt?

Zunächst einmal muss die Frage erlaubt sein, warum Parker immer wieder in Schwierigkeiten gerät, wo er doch als notorischer Krimineller den Ruf genießt, akribisch zu planen? Liegt wohl in der menschlichen Natur, lieber Leuten beim Scheitern beziehungsweise Aufrappeln zuzusehen, als beim „Heile Welt“-Vorgaukeln. Hätte Parker keinen Stress, gäbe es nichts zu erzählen.

Ähnlich verhält es sich mit dieser Rezension. Hätte die Pandemie nicht für Papierknappheit und Lieferstress gesorgt, wäre der „Last Call“ der Martini Edition schon im sommerlicher Hitze vorgestellt worden. So erreichte das Objekt der Begierde seine Bestimmung erst im Spätherbst. Läuft eben nicht immer wie geplant. Nun aber.

„Parker“ ist ein wortkarger Krimineller aus der Feder von Autor Donald E.Westlake, der auch unter Pseudonym schrieb. Die vierzehn Parker-Romane sind unter dem Alias Richard Stark erschienen. Westlake verstarb kurz bevor der kanadische Comic-Künstler Darwyn Cooke ihm die erste Adaption einer Parker-Geschichte vorlegen konnte. Dabei hatte sich Westlake bis dahin immer vorbehalten, den Namen „Parker“, quasi als Marke, nicht rauszurücken. Bis der Thriller-besessenen Cooke ihn bezirzet. Auch Darwyn Cooke ist inzwischen verstorben und hat sein großes Parker-Projekt nicht vollenden können.

„Parker musterte sie. Keinesfalls würde sie immer zu jemandem gehören, schon gar nicht Edgars.“

Wohl aber hat Darwyn Cooke vier Romane als Graphic Novels umgesetzt, eine Kurzgeschichte produziert und Artworks für einige „Illustrierte“ Roman-Ausgaben auf unterschiedlichem Bearbeitungsniveau. Der erste Teil der Martini-Edition erschein im vergangenen Jahr bei Schreiber & Leser, nachdem der amerikanische Verlag IDW Jahre brauchte um die Edition 2020 vorzulegen. Nachzulesen in meiner Huldigung „Onyx in Beton“.

Zwei der vier langen und vollständigen Parker-Geschichten sind in der ersten Martini Edition enthalten: „The Hunter“ und „The Outfit“. In „Last Call“ werden nun die Stories „Killtown“ (1964) und „Slayground“ (1971) erzählt. Nachdem sich Darwin Cooke anfangs bemühte die Parker-Romane chronologisch zu bearbeiten, ist „Killtown“, auch unter dem „Titel „The Score“ bekannt (deutsch: Stadt im Würgegriff“), der fünfte Parker Roman. „Slayground“ (deutsch: „Ich bin die dritte Leiche rechts“) ist dann der 14. Parker Roman. Beide Stories gehören zu den besten der Reihe.

Darwyn Cooke hat seine Graphic Novels alle in anderer Zweifarbigkeit angelegt und auch Parker, der immer wieder sein Gesicht verändern lässt um unterzutauchen, sieht jedes Mal leicht etwas anders aus. Wiederkennbar ist der Hüne mit den riesigen Händen aber allemal.

„Killtown“

In „Killtown“ wird Parker für einen Coup angefragt, bei dem die Lohngelder einer Mine abgegriffen werden sollen. Ideengeber Edgars ist offensichtlich ein Amateur und will mit einer Armee anrücken. Die Stadt, in der der Raub steigen soll, liegt in einer Schlucht und ist nur über eine Zufahrtsstraße erreichbar. Eine Sackgasse! Eine Falle? Parker plant kleiner und plant um. Vor allem bleibt das Mädchen vom Boss zuhause und vertrauenswürdige Mitstreiter werden rekrutiert…und dann läuft doch nicht alles glatt.

Cooke entscheidet sich für Orange als Farbigkeit. Einerseits um die erdfarbene Hitze des Bergbaus einzufangen, welcher der „Stadt im Würgegriff“ ihren Reichtum beschert. Andererseits schimmert so auch immer etwas von der goldenen Ära durch. Das Storytelling ist ebenso großartig wie wortkarg und effizient. So wie Parker. Aber das braucht inzwischen hoffentlich keine Extraerwähnung mehr.

„Ich bin die dritte Leiche rechts“

„Ich bin die dritte Leiche rechts“ ist dann in winterlichem Blaugrau oder Blasspetrol gehalten (mir fehlt gerade die Pantone-Skala). Nach einem Raub gelingt es Parker und seinen beiden Kumpels nicht, abzuhauen. Der Fluchtwagen verunfallt und Parker findet sich in Vergnügungspark „Fun Island“ wieder. Der ist im Winter zwar geschlossen, aber der einzige schnelle Ausweg. Leider wird die Verfolgung beobachtet. Die korrupten Cops machen sich vom Acker, und der ehrgeizige Sohn eines Mafiabosses wittert leichte Beute. Doch er hat die Rechnung ohne den Überlebenskünstler Parker gemacht.

„Ich bin die dritte Leiche rechts“ ist vielleicht nicht die epischste Parker-Story, aber die Graphic Novel steht den anderen in nichts nach. Toll erzählt, stilistisch herausragend und mit einigen glorreichen Elementen versehen. Etwa der Autounfall, der in acht cinemascope-artigen Panels ohne Sound eine ganze Doppelseite füllt. Die Stille nach dem Sturm lässt sich förmlich spüren. Auch der Blick auf den verlassenen Park durch den Zaum ist majestätisch. Der ausfaltbare Lageplan von „Fun Island“ dann eher ein willkommener Gimmick.

„Pack ihm Schnee in den Nacken. Nicht dass er an seinem Blut erstickt.“

Insgesamt ist diese Episode eher actionlastig und die klassische Spannung liegt in dem Versteckspiel. Das überträgt Cooke kongenial auf die Seiten. Diese beiden Hauptattraktionen machen „Parker Martini Edition – Last Call“ schon zu einem Muss für jeden Thriller-Fan. Doch es gibt noch mehr zu entdecken.

Quasi also Bonusmaterial, so wie bei einigen Comic-Editionen Variant-Cover abgebildet sind, featured „Last Call“ die Ganzseiter für die illustrierten Parker Romane. „The Hunter“ ist wohl abgeschlossen und zeigt großartige farbig angelegte Artworks. „Ein Job für Parker“ ist noch in der Bearbeitungsphase, aber immerhin schon großteils in finalen Schwarz-Weiß-Skizzen. Dann machen noch weitere Skizzen und Charakterstudien, in denen Parker das Aussehen von Burt Lancester oder Steve McQueen annimmt, auch ein wenig den Arbeitsprozess de Illustrators Cooke nachvollziehbar.

„Zur Hölle mit dir, Parker!“

Wie bereits in der ersten Martini Edition gibt es auch Texte zu lesen. Die Vorwörter stammen von Comic-Autor Ed Brubaker und von Cookes Herausgeber Scott Dunbier. Außerdem gibt es noch die Mitschrift eines Treffens von Brubaker, Dunbier und Bruce Timm, der auch eine Zeit lang mit Darwyn Cooke gearbeitet hat. Die drei schwelgen in Erinnerungen und Anekdoten. Einiges kommt bereits in den Vorworten zum Zuge, aber Fans werden ihren Spaß haben.

Abschließend sei noch die kurze Graphic Novel „Morgen, morgen und wieder morgen“ eingegangen. Die hat Ed Brubaker zusammen mit seinem „Stammzeichner“ Sean Phillips („Fatal“, „Criminal“, „Reckless“) extra für diesen Band geschaffen. Ursprünglich sollte es eine Parker-Geschichte werden. Brubaker meint dazu im Vorwort, er habe sich dann doch nicht getraut und so ist „Eine Grofield-Story“ entstanden. Grofield ist ein langjähriger Partner und Freund von Parker, der gerade dringend Geld braucht und sich an eine missraten versteckte Beute erinnert, die er und Parker einst nicht wieder gefunden haben. Die Story ist solide und ein schöner Fan-Service, wenngleich ich sicher bin, dass Brubaker und Phillips zu höherem im Stande wären. Aber das ist eine andere Episode.

Endlich ist der zweite und abschließende Band der „Parker Martini Edition“ erschienen. Darwyn Cookes Beschäftigung mit den kultigen Parker-Krimis von Richard Stark liegen vollständig und herausragend editiert in einer hochwertigen Edition vor. Dieses kongeniale Meisterwerk gehört in jedes gut sortierte Krimi-Regal. Kriminell kultige Erzählkunst.

Comic-Wertung: 10 out of 10 stars (10 / 10)

Parker: Martini Edition – Last Call (Band 2)
OT: Parker: The Martini Edition Vol. 2, IDW Publishing, 2022
Genre: Graphic Novel, Krimi,
Zeichnung & Szenario: Darwyn Cooke
Nach Romanen von Donals Westlake aka Richard Stark
Übersetzung: Stefanie Grimm, Resl Rebiersch
ISBN: 978-3-96582-101-9
Verlag: Schreiber & Leser, gebunden, 332 Seiten
VÖ: 05.07.2022

Donald Westlake bei wikipedia

Darwyn Cooke bei wikipedia (englisch)

„Parker“ Martini Edition 2 bei Schreiber & Leser