Nach diesem Film wird Pischelsdorf in Oberbayern ein wenig bekannter sein. Die Dorfgemeinschaft hat vor einigen Jahren das lange leerstehende Wirtshaus in Eigenregie wiederbelebt. Davon und vom Stellenwert einer Dorfschänke erzählt die Doku „Fanni – Oder: Wie rettet man ein Wirtshaus?“. Zu sehen in der Reihe Politkino im Verleih Drop-Out Cinema ab dem 24. April 2025.
Pischelsdorf hat gerade einmal knapp 500 Einwohner. Früher gab es in der Ortsmitte ein Wirtshaus. Das Gebäude stand nun aber mehr als 40 Jahre leer, seit die letzte Betreiberin in den Ruhestand gegangen ist. Diese „Fanni“, nach der auch das Gebäude nun benannt ist, hat die Wirtschaft mit dem Wunsch vererbt, dass diese erhalten bleiben soll. Doch es fand sich niemand, der die Kneipe betreiben wollte.
Als das Gebäude dann 2017 verfügbar wurde, hat eine kleine Gemeinschaft von Dorfbewohnern sich darangemacht, das Gebäude wieder Instand zu setzen und wieder eine Wirtschaft für Pischelsdorf herzurichten. Ein beachtliches Projekt, dass sich einige Jahre, viele freiwillige Arbeitsstunden und Organisationstalente hingezogen hat. Dokumentarfilmer Hubert Neufeld stammt aus dem Ort und hat das Unterfangen über einen langen Zeitraum begleitet. Sein inzwischen verstorbener Onkel war einer der Initiatoren der Wirtshausrettung.
Der überdachte Marktplatz im Dorf
„Fanni – Oder: wie rettet man ein Wirtshaus?“ ist vor allem der Blick in ein Dorf, das selbst versucht etwas gegen das Aussterben ländlichen Lebens zu unternehmen. Da gibt es etliche Interviews mit Beteiligten und Anwohnern und viele Einblicke in die tatsächliche Arbeit an dem inzwischen Marode gewordenen Gebäude. Ebenso kommen einige Experten und Prominente zu Wort und heben das Thema „Wirtshaussterben“ auf ein weiteres Level.
Das Phänomen, obgleich als bayrisches verortet, ist ein bundesweites. Ländliche Räume leiden seit Jahrzehntenm an negativer Bevölkerungsentwicklung. Das soziale Zentrum traditioneller Dörfer, die Wirtschaft, ist zumeist seit Jahren oder Jahrzehnten nicht mehr vorhanden. Oft werden die Gebäude dann auch abgerissen und in der Ortsmitte ist eine präsente Lücke, die auf die Verarmung des Landlebens aufmerksam macht.
Nun ist „Fanni“ keine sozialwissenschaftliche Doku sondern vor allem ein Stimmungsbericht und ein Aufzeigen der notwendigen Arbeiten. Die Probleme während der Covid-19-Panmdemie und die Verteuerungen seit des Ukraine-Kriegs werden thematisiert. Vor allem aber wird das Projekt und dessen Fortschritt beobachtet.
Es fällt schon auf, dass es vor allem ältere Herren sind, die vor der Kamera und auch in dem Wirtschaftsprojekt zu sehen sind. Immer wieder wird aber der Begegnungsraum für das ganze Dorf betont, und die finale Auflistung der Nutzungen des ersten Jahres ist durchaus beachtlich und variabel. Scheinbar sorgt das Wirtshaus für mehr Leben im Dorf. Ob das Beispiel nun Schule macht, wie sich die Dame vom Dehoga (Deutscher Hotel- und Gaststättenverband) wünscht, sei mal dahingestellt. Ob 500 Menschen (und die aus der Gegend) eine Wirtschaft erhalten können, ebenfalls.
Die Wirtspersönlichkeit und das Kollektiv
Auch der Filmmacher Lars Jessen hat sich in Schleswig-Holstein mal filmisch mit dem Aussterben der Dorfgasthöfe beschäftigt. In der Literaturverfilmung „Mittagstunde“ kann das Publikum fiktionalisiert daran teilhaben, wie sich das Landleben in diesem Teil Deutschlands über die Jahrzehnte verändert hat. Und viele, auch öffentlich geförderte Projekte zum Aufwertung der dörflichen Strukturen haben immer wieder zu kämpfen. Auch filmisch begleitet in „Alles was man braucht“. Auch mit verändertem Ausgehverhalten seit der Pandemie. Aber das mag die Zeit zeigen.
Es gibt einige bauliche oder strukturpolitische Gemeinschafts-Projekte, die auch in Form einer Doku begleitet wurden und die ihren Schwerpunkt eher auf Prozessbetrachtung und Organisation gelegt haben. Zum Weiterschauen sei beispielsweise die Langzeitdoku „Göttliche Lage“ über die Neubausiedlung Dortmund Phönixsee empfohlen. Mit Dorf-Wirtschaft hat das freilich wenig zu tun. Etwas mehr Einblicke in Organisation, Struktur (las ich da Genossenschaft im Abspann?) und Finanzbelastungen hätten die Doku sicherlich aufgewertet.
In „Fanni – Oder: Wie rettet man ein Wirtshaus?“ ist der Titel Programm und zeigt wieviel Enthusiasmus und freiwilligen Einsatz so ein Projekt braucht und das das daraus auch schon ein Gemeinschaftserlebnis entstehen kann. Eine launige Doku, die Mut machen kann.
Fanni – Oder: Wie rettet man ein Wirtshaus?
OT: Fanni – Oder: Wie rettet man ein Wirtshaus?
Genre: Doku
Länge: 92 Minuten, D, 2024
Regie: Hubert Neufeld
FSK: ab 0 Jahren, Ohne Altersbeschränkung
Verleih: drop-out Cinema
Kinostart: 24.04.2025