Bug: Verstörende Einblicke

Aus dem Archiv in den #Gruselsommer: „Bug“ von 2006. Definitiv nichts für schwache Nerven. William Friedkins Kinowerk Bugs, das hierzulande nur im Rahmen von Filmfestivals auf die Leinwand gelassen wurde, kam 2008 als Home-Entertainment-Premiere auf den Markt. Inzwischen scheint die DVD längst vergriffen, aber Amazon hat den Film noch im Streamingangebot. In eindringlichen Bildern und mit grandioser Schauspielleistung ist Bug eine Tour de Force durch die Abgründe krankhafter Paranoia geworden. Wer jetzt Spannung oder Horror erwartet, liegt jedoch ganz daneben. „Bug“ ist vielleicht Friedkins bester Film der Spätphase.

Im ländlichen Süden der USA lebt die Kellnerin Agnes (Ashley Judd) in ärmlichen Verhältnissen. Sie leidet unter nächtlichen Angstzuständen und Telefonterror und flüchtet sich in Alkohol und Kokain. Ihre Freundin R. C. (Lynn Collins) stellt ihr eines Abends den zurückhaltenden Herumtreiber Peter (Michael Shannon) vor. Nach einer Partynacht lässt Agnes ihn in ihrer Motelwohnung übernachten.

Ihr gewalttätiger Ex-Mann Jerry (Harry Connick Jr.) wird aus dem Knast entlassen und taucht ebenso abrupt und eifersüchtig in ihrem Leben auf wie er auch wieder verschwindet. Um nicht allein zu sein lässt Agnes Peter dann doch bei sich wohnen. Die beiden beginnen nach einer zarten Liebesnacht eine Beziehung, die sich schnell als beklemmendes Gefängnis herausstellt.

Gesellschaftliche Randlage

Peter leidet unter wahnhafter Paranoia, sieht sich als Opfer von geheimen Militärexperimenten und glaubt, man habe ihn zum Wirtsorganismus für Wanzen gemacht. Seine krankhafte Abscheu vor Insekten überträgt sich auch auf die hilflose Agnes und wird schnell der beherrschende Faktor ihres gemeinsamen Lebens. Nur folgerichtig, dass R.C. von der Freundin zur Bedrohung für die Beziehung wird. Als dann noch der Arzt Dr. Sweet (Brian F. O’Byrne) aus Peters Vergangenheit auftaucht, nimmt das Unheil seinen Lauf und das apokalyptische Ende ist vorherbestimmt.

William Friedkin, der Regisseur solcher Meisterwerke wie „French Connection“ (1972) und „Der Exorzist” (1973) hat in diesem Film das gleichnamige, erfolgreiche Theaterstück von Tracy Letts verfilmt. Letts bearbeitete seinen Plot für die Leinwand und entwickelte ein Drehbuch, dass die Eindrücklichkeit der Theaterbühne auf die Leinwand transportiert.

Verstörend intensive Darsteller:innen

Die Handlung findet fast ausschließlich im Motel statt und mehr als die fünf Charaktere tauchen im Grunde nicht auf. Die beklemmende Stimmung des Films wird von den grandiosen Leistungen der beiden Hauptdarsteller Ashley Judd und Michael Shannon auf die Spitze getrieben. Shannon, der auch im Theaterstück die Rolle des Peter übernimmt, ist in jedem Moment eins mit seiner Rolle und pendelt so selbstverständlich zwischen Vernunft und Wahn, dass es beängstigend ist. Ashley Judd gelingt in “Bugs” eine ihrer grandiosesten Darstellungen überhaupt. Die verzweifelte, hilflose Agnes ist in ihrer selbstverleugnenden Beziehungsabhängigkeit authentischer “White Trash” und beängstigend intensiv dargestellt. (Leider wird die deutsche Synchronisation der Darstellerin nicht immer gerecht).

Auch wenn einige Kritiker William Friedkin vorwarfen, er hätte nur einen Horrorfilm gedreht, wird das dem Film nicht gerecht. Für einen Shocker ist der Film zu actionlos, die Kameraführung zu ruhig. Es geht um die Anatomie der Paranoia, die Liebesgeschichte der Hauptfiguren und eine unterschwellige Militär- und Gesellschaftskritik.

Herausgekommen ist einer der besten Friedkin-Filme überhaupt, der sich in seiner bedrückenden Stimmung nicht hinter dem Exorzisten verstecken muss. Leicht zu verdauen ist das Ganze wahrlich nicht, und das verstörende, konsequente Ende macht es dem Zuschauer nicht eben leicht. Wer sich dennoch die Mühe macht, erhält verstörende Einblicke in eine geschlossene Wahnwelt.

Film-Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

Bug – Tödliche Brut
OT: Bug
Genre: Drama, Thriller, Horror
Länge: 102 Minuten, USA, 2006
Regie: William Friedkin
Vorlage: Theaterstück „Bug“ von Traci Letts
Darsteller: Ashley Judd, Michael Shannon
FSK: ab 16 (bzw ab 12 – Neubewertung Stream?)
Vertrieb: Ascot Elite
Kinostart: nicht in Deutschland
DVD-VÖ: 06.11.2007