Anlässlich des Kinostarts von „All We Imagine As Light“ aus dem Archiv der Episodenfilm „Bombay Diaries“. Nicht zu verwechseln mit der Serie „Mumbai Diaries“. Normalerweise bekommt man hierzulande vom indischen Filmschaffen ausschließlich die Bollywood-Variante zu sehen; „Bombay Diaries“ hat mit den überlangen Feelgood-Movies nicht viel zu tun, sondern verknüpft die Leben von vier Menschen in der Metropole Mumbai zu einem sehenswerten Stadtportrait.
Eine junge Frau kommt aus der Provinz in die indische Metropole Mumbai, um ihrer Familie die Eindrücke aus der riesigen Stadt zu schildern, beginnt sie zu filmen. So entsteht Yasmins (Kriti Malhotra) Tagebuch, das sie in Form von Briefen an ihren Bruder Arun schickt.
Jahre später lebt Arun (Amir Khan) als erfolgreicher Künstler selbst in Mumbai und lernt auf der Vernisage seiner jüngsten Ausstellung die attraktive Shai kennen. Die beiden verbringen die Nacht zusammen, doch der verschlossene und schweigsame Arun ist nicht bereit für eine Beziehung.
Während Shai (Monica Dogra), die eigentlich als Bankerin in New York lebt, hier in Indien ein Sabbat-Jahr verbringt um zu fotografieren und ihre Heimat zu erforschen, entdeckt Arun zufällig die längst vergessenen Videos seiner Schwester und lässt sich von ihnen zu neuen Bildern inspirieren. Shai, die noch immer von dem Maler fasziniert ist, lernt den Wäscher Munna (Prateik) kennen, der auch für Arun die Wäsche bearbeitet. Shai lässt sich von Munna die Stadt zeigen und bemerkt nicht, dass der junge Mann aus ärmlichen Verhältnissen in sie verliebt ist.
Videotagebücher und Künstlerseelen
Regisseurin Kiran Rao („Lost Ladies“, 2023) legt mit „Bombay Diaries“ ihren ambitionierten Erstling vor, für den sie auch die Story entwickelte. Zuvor hat sich Kiran Rao als Produzentin von Autorenfilmen einen Namen gemacht ( „Tare Zameen Par“, „Live aus Peepli“), die mit der indischen Filmunterhaltungsindustrie wenig zu tun haben, sondern eher in Richtung Autorenfilm anzusiedeln sind. Mit ihrem Produzenten, dem Star Amir Khan, hat sie auch schon zuvor zusammengearbeitet.
Auch „Bombay Diaries“ ist klassisches Autorenkino und die vier Geschichten sind kunstvoll derart verwoben, dass ein lebendiger und realistischer Einblick Mumbais entsteht, der nicht nur die schönen Seiten des Lebens zeigt, sondern auch den harten Arbeitsalltag der Wäscher, der Dhobi, (daher auch der Originaltitel „Dhobi Ghat“). Und so verwundert es nicht, das Munna jene Figur ist, die die Geschichten zusammenhält und häufig das Bindeglied der Erzählung ist. Sein Wunsch Schauspieler zu werden steht dabei auch für den Traum, aus der Armut herauszukommen.
„Bombay Diaries“ erzählt mit stilvollen Bildern und ohne Berührungsängste aus dem Leben der Charaktere und die Perspektivwechsel tun dem Drama ebenso gut wie die Idee, eine Art Videotagebuch zu integrieren, dass, wie sich erst im Lauf des Films herausstellt, zeitlich früher angesiedelt ist.
Dramaturgisch hat „Bombay Diaries“ zwar ein paar Längen und die Figur der Shai scheint nahe am Klischee der „entfremdeten“ Hindi-Frau konstruiert, aber im Großen und Ganzen überzeugt das Drama mit stimmiger Alltagsschilderung und abwechslungsreicher Geschichte.
Film-Wertung: (6 / 10)
Bombay Diaries
OT: Dhobi Ghat
Genre: Drama
Länge. 100 Minuten, IND, 2011
Regie: Kiran Rao
Schauspiel: Kriti Malhotra, Amir Khan, Monica Dobra,
FSK: ab 6 Jahren
Vertrieb: Alive
Kinostart: 29.09.2011
DVD-VÖ: 19.10.2012