All We Imagine As Light: Frauen in Mumbai

Die hochgelobte und vielfach ausgezeichnete indische Filmmacherin Payal Kapadia hält die Stadt Mumbai für einen eigenen Filmcharakter. Angesichts der beinahe dokumentarischen Einbettung des fiktionalen Alltags zweier Krankenschwestern in das Großstadtleben kann das Publikum dem durchaus zustimmen. „All We Imagine As Light“ besticht mit seiner ruhigen und beobachtenden Erzählung. REM veröffentlicht das indische Drama am 19. Dezember 2024 in die Kinos.

Die Kamera fährt über einen Straßenmarkt in Mumbai und aus dem Off erzählen Leute wie lange sie hier schon leben. Auch die Krankenschwester Prabha (Kani Kusruti) lebt schon lange in der indischen Metropole. Ihre jünger Mitbewohnerin Aun (Kani Kusruti) ist erst kürzer in der Stadt. Und Prabhas Freundin Parvaty (Chhaya Kadam) lebt seit 22 Jahren in demselben Haus, das nun abgerissen werden soll.

Alle drei arbeiten in einem Krankenhaus für Frauenheilkunde und haben täglich einen fordernden Arbeitstag. Oberschwester Prabha verzweifelt auf ihre stille, in sich gekehrte Art schon ein wenig, wenn die Schwesternschülerinnen beim Anblick von Plazenta immer noch schlecht wird. Aun gibt während Beratungsstunden schon mal die Anti-Baby-Pille an eine arme Frau aus, deren Ehemann sich nicht sterilisieren lassen will.

Nachbarskatzen und Schnellkochtöpfe

Parvaty ist schon lange verwitwet und hat Stress mit ihrem Vermieter. Denn obwohl ihr und dem Gatten Wohnrecht versprochen wurde, hat sie keine Papiere darüber. Da kann auch der Anwalt nicht helfen. Parvaty überlegt zurück in ihr Heimatdorf zu gehen. Aun hat sich in einen jungen Muslim verliebt, doch ihre Eltern suchen einen Ehemann für sie. Das junge Paar überlegt, wie sie es am besten anstellen können, ihre Familien von der Beziehung zu überzeugen. Vielleicht bei einer anstehenden Hochzeit, wenn Aun sich einen Schleier besorgt?

Prabha ihrerseits lebt schon lange allein. Ihr arrangierter Ehemann ging kurz nach der Hochzeit nach Deutschland, um dort zu arbeiten. Seither sind Jahre vergangen und die Anrufe aus Europa sind letztlich versiegt. Umso verwirrter ist die selbständige Frau, als sie von ihrem Mann einen Reiskocher geschickt bekommt. Der Oberschwester fällt es auch schwer mit der Lebenslust ihrer jungen Mitbewohnerin umzugehen. Und dann ist da noch der neue Arzt, der Prabha Avancen macht.

„All We Imagine As Light“ ist indisches Autorinnenkino. Das ist an sich schon eine Seltenheit und abseits des Bollywood-Films hat sich Regisseurin Payal Kapadia bereits mit ihrem 2021 erschienenen Spielfilmdebüt “ A Night of Knowing Nothing“ einen Namen gemacht. Auch „All We Imagine As light“ wurde in Cannes ausgezeichnet und hat weltweit etliche Filmpreise erhalten. Gelegentlich kommen solche Filme aus Indien auch zu uns ins Kino, wie etwa „Bombay Diaries“ oder „Lebe deinen Traum“.

Strandgut

Nun ist es einfach, das Besondere in „All We Imagine As Light“ zu sehen. Der nüchtern dokumentarische Kamerablick, die Frauenperspektive und die entspannte Erzählhaltung, die dem Alltagsgewusel der Großstadt entgegengesetzt scheint. Aber wie eine der Protagonistinnen erwähnt, in Mumbai musst die immer die Ruhe bewahren, das gehört zum Selbstverständnis der Stadt. Es gibt schöne Momente im Stadtleben und auch wenig fotogene Ecken, die der Film dennoch ausleuchtet.

Im Grunde sollte sich das Publikum treiben lassen mit der Hauptfigur, der Oberschwester Prabha, um das außergewöhnliche Drama auch zur Blüte kommen zu lassen. Der Film ist in zwei Teilen konzipiert. Zunächst wird das Leben der drei großartig dargestellten Frauen in der Großstadt gezeigt, anschließend, begleiten die Prabha und Aun ihre Freundin beim Umzug in das Heimatdorf.

Dort an der Küste herrscht ein ganz anderer Vibe und ein bisschen fühlt es sich wie Urlaub an, auch für die Krankenschwestern. auch hier wieder verlaufen die Einzelinteressen zunächst parallel und verzahnen sich zu einer lebendigen Erzählung. Überraschung inbegriffen.

„All We Imagine As Light“ ist ein ebenso ruhiger wie außergewöhnlicher Film, der eher von seiner Erzählhaltung lebt als von dem fernen Land, aus dem erzählt wird. Die Geschichte von drei Frauen, die Kolleginnen und Freundinnen sind, ist universell verständlich und wird mit großer Empathie für die Charaktere vorgetragen.

All We Imagine As Light
OT: All We Imagine As Light
Genre: Drama
Länge: 118 Minuten, IND, OmU, 2024
Regie: Payal Kapadia
Schauspiel: Kani Kusruti, Chhaya Kadam, Divja Prabha
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Rapid Eye Movies
Kinostart: 19.12.2024

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