Aus dem Archiv „Die Perlmutterfarbe“ von 2009. Auch mit dem Stoff seines neuesten Films „Die Perlmutterfarbe“ bleibt der deutsche Regisseur Marcus H. Rosenmüller sich und seiner Vorliebe für heimatlich bayrische Settings treu. Die Romanverfilmung entführt den Zuschauer in den Schulalltag des präfaschistische Deutschlands der 1930er.
Der Siebtklässler Alexander (Markus Krojer) ist schwer in seine Mitschülerin Lotte (Zoë Mannhardt) verknallt und möchte sie beeindrucken indem er den jährlichen Schulmalwettbewerb gewinnt. Dumm nur, dass ausgerechnet sein bester Freund Maulwurf (Dominik Nowak) künstlerisch viel begabter ist und auch an Lotte interessiert. Aber die Freunde haben abgemacht, dass Lotte bis zum Ende des Wettbewerbs nicht angerührt wird. Doch als Maulwurf dann in der Kunststunde eine neu erfundene Farbe präsentiert, die Perlmutterfarbe, scheint die Sache für Alexander gelaufen.
Dann aber verschwindet die Farbe und landet zufällig in Alexanders Ranzen. Doch statt Maulwurfs Erfindung wieder herauszurücken, behält Alexander die Farbe für sich und tritt damit unvorhersehbare Ereignisse los. Denn Klasseneuzugang Gruber (Benedikt Hösl) , der weiß, dass Alexander die Farbe hat, erpresst diesen. Und er nutzt das Verschwinden der Perlmutterfarbe, um gegen die B-Klasse zu wettern. Der bisher spielerische Konflikt der Parallelklassen nimmt ernsthafte Formen an und Alexander verstrickt sich immer weiter in Schwierigkeiten.
Malen um die Mädchengunst
Die Deutschstunden, in denen klassisch Goethes Zauberlehrling aufgesagt werden muss, laufen als Motiv und roter Faden durch die Handlung. Die Mischung aus Ernst und Schalk, Schabernak und Alltag ist in der „Perlmutterfarbe“ wohl dosiert.
Nach seinem Kinodebüt „Wer früher stirbt ist länger tot“ (2006) widmet sich der hochgelobte Marcus H. Rosenmüller („Welcome to Siegheilkirchen“) erneut den Problemen junger Leute. Dabei ist keineswegs nur ein Jugendfilm entstanden sondern eine feine Parabel um Freundschaft und Verrat, Lüge und Wahrheit. Das Drehbuch nach dem gleichnamigen Roman der jüdischen Autorin Anna Maria Jokl ist vielschichtig und komplex. Der Roman, der 1948 nach einigen Wirren erschien und in den 1950ern auch schon einmal verfilmt werden sollte, trägt den berechtigten Untertitel: „Ein Kinderroman für fast alle Leute“.
So wächst Alexander ohne Vater auf, denn der ist als Matrose seit Jahren auf See verschollen. So hat es ihm zumindest die Mutter erzählt. Weil ihn der abwesende Vater und die Hoffnung auf dessen Rückkehr keine Ruhe lassen, ist sein Motiv zum Malwettbewerb auch ein Matrose, der in die Gefangenschaft von Wilden gerät. Aber ebenso weiß Alexander den Vater zu nutzen, um andere Männer aus dem Leben seiner Mutter fern zu halten.
Die Freunde aus der A-Klasse durchleben eine abenteuerliche Kindheit, der auch die wirtschaftliche Krise nichts anhaben kann. Die stillgelegte Fabrik wir in einen Spielplatz verwandelt, auf dem der Bastler und Forscher Maulwurf seine Erfindungen testen kann. Mit dem schon älteren Sohn des Fabrik-Abwicklers Gruber verschwindet das Unbeschwerte aus dem Schulalltag.
Der Neue sorgt für Spannungen und weiß machtbewusst zu agieren. So verschärft er die Fronten zwischen den rivalisierenden Klassen ebenso er Keile in die Freundesgruppe um Maulwurf und Alexander treibt. Das Organisieren der Kids in eine Jugendgruppe hat durchaus präfaschistische Tendenzen und Bezüge. Einige der Kinder sind davor gefeit, andere bemerken die Verführung nicht. Wieder andere wie Alexander versuchen sich zu verwahren, finden aber keinen Ausweg.
Vaterlose Jungen
Wie wichtig ein stimmiges Feindbild ist, veranschaulichen die Intrigen Grubers, der es immer versteht, die Situationen immer für sich auszunutzen. Doch Gruber ist nicht einfach nur der Filmbösewicht. Rosenmüller zeichnet den Neuling als jemanden, der unter den häufigen berufsbedingten Umzügen seines Vaters leidet und durch Macht und Stärke auch die Anerkennung seiner Mitschüler sucht.
Doch die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der 1930er Jahre bleiben bewusst im Hintergrund. Dem Film tut dies nur gut, denn Zeigefingerpädagogik liegen sowohl dem Regisseur wie auch der Autorin des Romans fern. Das Mundartliche des Films gibt dem ganzen so noch eine subversiv-anarchische Note.
Der Film zeigt die Schulkinder als kleine Erwachsene deren Umgang untereinander mitunter von überraschender Derbheit ist. „Die Perlmuttfarbe“ ist eine zeitlose Geschichte und ein sehr schöner Film über Freundschaft geworden, der definitiv nicht nur für junge Leute geeignet ist.
Film-Wertung: (6 / 10)
Die Perlmutterfarbe
OT: Die Perlmutterfarbe
Genre: Drama,
Länge: 103 Minuten, D, 2009
Regie: Markus H. Rosenmüller
Schauspiel: Markus Krojer, Zoë Mannhardt, Dominik Nowak
Vorlage: gleichnamiger Roman von Anna Maria Jokl
FSK: ab 6 Jahren
Vertrieb: Constantin Film
Kinostart: 08.01.2009
DVD- & BD-VÖ: