Aktuell steht der #Gruselsommer unter dem Motto der fiesen Manipulation von Wahrnehmung und Realität. Ein klassiches Horrormotiv. Oder haben Sie schon Geister gesehen? In Gore Verbinskis 2017 erschienenem Mystery-Thriller “A Cure for Wellness” geht es in ein “Zauberberg-artiges Sanatorium. Die Besetzung um Dan DeHaan macht das schaurige Vergnügen noch sehenswerter.
Ein geschäftsführendes Vorstandsmitglied eines großen Wertpapierhändlers ist verschwunden. Die Firma steht kurz vor einer Fusion und braucht dringend dessen Unterschrift. Passgenau trudelt ein seltsamer Brief jenes Pembroke ein. Er sei in der Schweiz und hoffe auf Heilung, weil er sein bisheriges Leben als krankhaft empfinde, heißt es da lapidar.
Der verbleibende Vorstand nötigt daraufhin den jüngst beförderte Lockhart (Dane Dehaan) Pembroke flugs zurückzuholen. So einfach ist das Unterfangen nicht. Direkt die Ankunft im Sanatorium am Fuße der Alpen wird abrupt gestoppt, da außerhalb der Besuchszeit. Das arrogante, wichtigtuerische Insistieren Lockharts ändert die Klinikroutine nicht. Auf dem Rückweg ins Dorf prallt das Auto mit einem Hirsch zusammen und Lockhart wacht erst Tage später wieder auf. Als Patient in jenem Sanatorium.
Volmer (Jason Isaacs), der Leiter der Institution, beruhigt Lockhart, die Firma sei unterrichtet und er solle sich hier als Gast – nicht als Patient – erst einmal erholen, bevor er mit Pembroke zurück nach New York fahre. In der Zwischenzeit empfehle es sich viel Wasser zu trinken, die hiesige Heilquelle sein schließlich weltberühmt.
Rosemary’s Baby
Wer fühlt sich im Gruselfilm nicht an jenen anderen Botenjungen erinnert, der nach Transsilvanien geschickt wurde, um einem reichen Kunden aufzuwarten? Überhaupt scheint „A Cure for Wellness“ als filmische Zitatesammlung aufgebaut zu sein. Da muss das Publikum schon mitgehen, um das Eigene in Gore Verbinskis Mystery-Thriller zu sehen.
Bereits das musikalische Thema von „A Cure for Wellness“ kommt dem Horrorfilm-Fan möglicherweise aus Roman Polanskis „Rosemarys Baby“ von 1968 bekannt vor. Im Verlauf der Geschichte von Drehbuchautor Justin Haythe („Lone Ranger“, „Zeiten des Aufruhrs“) hat der Zuschauer weiter Aufersteungen von Genreklassikern aus rund 200 Jahren Grusel und Gothic-Literatur und entsprechenden Verfilmungen.
Daran ist kaum etwas auszusetzen. Regisseur Verbinski und vor allem Kameramann Bojan Bazelli („Lone Ranger“, „Ring“) gelingt es eine durchgestylte Bildwelt zu präsentieren. Diese beginnt mit dem für Gruselfilme quasi obligatorischen Übergang in eine andere Welt beginnt. Der spiegelartig reflektierende Hochgeschwindigkeitszug taucht in den Bergtunnel ein. Lockhart findet sich in einem verschlafenen zurückgebliebenen Örtchen wieder.
Harkers Auftrag
Das erinnert an Jonathan Harkers Reise nach Transsylvanien. Das Sanatorium selbst ist reinster „Zauberberg“ nach Thomas Mann, bevölkert mit selbstbezogenen, siechenden und leidlich schrägen Patienten. Die Wasserkuren gemahnen an „Willkommen in Wellville“ nach dem Roman von T.C. Boyle. Die Liste der Verweise, die der aufmerksame und vorgebildete Zuschauer erkennen kann, ließe sich unendlich fortsetzen.
Hierin ist „A Cure For Wellness“ der Science-Fiction-Romanze „Passengers“ ähnlich. Funktioniert aber ungleich unterhaltsamer, denn Dane DeHaan gelingt es über die etwas zu lange Spielzeit immer wieder ebenso verstört wie angepisst zu wirken und so die emotionale Spannung hochzuhalten.
Natürlich braucht es für diese Art von Gothic Horror auch einen roten Faden. Hier dargeboten in der mysteriösen Gestalt des Mädchens Hannah (Mia Goth), die in ihrer ätherischen Weise so gar nicht in dieses Sanatorium für alte Leute passen mag. Ihre Geschichte scheint mit der wechselvollen und tragischen des Institutes selbst verwoben zu sein. Und auch die heilenden Kräfte des Wassers verbergen einen Schrecken. Aber das hat sich ja schon zu Filmbeginn angedeutet. Optisch ist diese Koproduktion, die auch im Berliner Studio Babelsberg entstand und mit einigen deutschen Darstellern in kleinen, netten Rollen punktet, auf Hochglanz poliert.
Hans Castorps Genesung
Der karrieregeile Lockhart kommt Pembroke oder den Mädchen aber keinen Schritt näher. Elegant und charismatisch wird er von Vollmer behindert und ausmanövriert. Jason Isaacs („Harry Potter“) überzeugt in der Rolle des Hausherren, ohne dabei seinen diabolischen Fertigkeiten als Filmfiesling auspacken zu müssen. Wie etwa in „Der Patriot“ oder zuletzt in „Sweetwater“ (2013). Überhaupt findet man diesen großartigen britischen Schauspieler in den vergangenen Jahren leider häufiger in TV-Serien als auf der Leinwand. Ausnahme die großartige Working Class-Nebenrolle in „Mrs Harris und ein Kleid von Dior“.
In „Cure for Wellness“ findet sich Hauptdarsteller Dane Dehaan als karrieregeiler Börsenhändler in einem obskuren Sanatorium in der Schweiz wieder. Das ist klassischer Gruselstoff der in rund zweieinhalb Stunden atmosphärisch und bildstark ausgerollt wird. Vielleicht etwas zu lang geraten ist dies klassischer Gruselfilm mit modernen Bildmitteln. Das eklektizistische Filmkonstrukt weiß über weite Strecken zu unterhalten, sofern der Zuschauer da keine grundsätzlichen Vorbehalte hat.
Film-Wertung: (7 / 10)
A Cure for Wellness
OT: A Cure for Wellness
Genre: Drama, Thriller, Horror, Mystery
Länge: 147 Minuten, USA, D, 2017,
Regie: Gore Verbinski
Darsteller: Jason Isaacs, Dane DeHaan, Mia Goth
FSK: ab 16
Verleih: Twentieth Century Fox of Germany GmbH
Kinostart: 23.02.2017
DVD- & BD-VÖ: 10.08.2017