Robby Naish – The Longest Wave: Lektionen in Demut

Wie kein Zweiter ist der amerikanische Ausnahme-Athlet Robby Naish mit dem Windsurfen verbunden. Die Surf-Spielart, die Naish schon als Kind dominierte, hatte ihren Boom, doch der Sportler wendete sich anderen Surf-Arten zu und ist auch nach mehr als vier Jahrzehnten noch professioneller Surfer. Die Doku „The Longest Wave“ widmet sich nicht einfach dem Abriss eines beachtlichen Lebenslaufs, sondern begleitet Naish bei einer neuen Herausforderung. Nachdem der 2019 fertig gestellte Film bereits bei Red Bull Media im Stream war, geht „The Longest Wave“ auf kurze Kinotour, bevor der Film beim ZDF ausgestrahlt wird.

Der in La Jolla, Kalifornien, geborene Robby Naish war schon als Kind vom Windsurfen begeistert, bevor er das Segel allein aus dem Wasser ziehen konnte. Und tatsächlich gewinnt Naish seinen erste „Erwachsenen“-Meisterschaft als Dreizehnjähriger. Doch im Jahr 2015 ist das annähernd 40 Jahre her und Robby Naish ist auch ein erfolgreicher Sportartikel-Hersteller und Sponsor eines eigenen Surf-Teams. Doch selbst nimmt der Ausnahme-Surfer nicht mehr an Wettbewerben teil.

Zwar lässt sich Robby Naish als Star-Gast auch bei Windsurf-Wettbewerben auf der Nordseeinsel Sylt blicken, wo der Sport, dessen Hochphase in den 1990er Jahren lag, noch immer ausgetragen wird. Die Begeisterung der Surf-Fans ist auf vermeintlich leichter zu bewältigende Surf-Arten übergegangen. Etwa auf das Kite-Surfen, bei dem sich das Brett von einem Segel ziehen lässt, oder zum Stand-Up-Paddleing übergegangen. In jüngster Zeiterfreut sich das Foiling großer Beliebtheit, da der unter dem Surfboard montierte Tragflügel, der eigentlich für große Wellen gedacht war, auch bei geringen Seegang zum herausfordernden Wellenreiten geeignet ist.

„Verletzungen sind die großen Lehrmeister“ (Laird Hamilton)

Robby Naish hat sich alle diese Surf-Arten angeeignet und hat Spaß dabei. Doch dem ehrgeizigen Sportler geht es auch immer darum, im Wettbewerb zu brillieren. Wenn er nicht gewinnen kann, trete er gar nicht erst an, sagt der Champion und gibt zu, dass es ihn wurmt und stresst, von den Kamera-Teams der Doku dabei beobachtet zu werden, wie er das Foiling gerade erst lernt.

Zum Foiling kommt Naish eher notgedrungen, weil keine Bedingungen für sein eigentliches Projekt und den Anlass dieser Doku zu finden sind. Der ehemalige Windsurfer hat sich zum Ziel gesetzt, die längsten Wellen die auf dem Globus zu finden sind mit dem Stand-up-Board zu surfen. Das Filmteam steuert zwei Hot-Spot an: Skeleton Beach in Namibia und Puerto Chicana in Peru.

Doch dann verlässt den Sonnyboy Naish das Glück. Zuerst bricht er sich das Becken und das Projekt verschiebt sich um Monate, dann geht auf den Flügen nach Namibia das Equipment verschollen und schließlich bauen sich trotz Wettervorhersage keine brauchbaren langen Wellen auf. Auch die direkte Weiterreise nach Peru bringt keine langen Wellen; aber die Übungen im Foiling. Naish und das Team beschließen zurückzureisen und später einen dritten Versuch In Puerto Rico zu starten. Doch bis dahin vergehen wieder belastende Monate.

„Auf der langen Welle hat man Zeit nachzudenken und den Ausblick zu genießen.“ (Gerry Lopez)

Dokumentar-Filmer und Produzent Joe Behringer ist ein Meister seines Faches und wurde einst mit der mehrfach ausgezeichneten „Metallica“-Doku „Some Kind of Monster“ weithin bekannt und für „Paradise Lost 3: Purgatory“, der sich mit dem Nachgang der Morde der „West Memphis Three“ beschäftigt, für den Oscar nominiert.

Behringers große Qualität als Dokumentarfilmer liegt im Menschlichen und Psychologischen, so ist „The Longest Wave“ zwar ein Sportler-Porträt mit sehenswerten Surf-Aufnahmen und entsprechenden Talking Heads und Archiv-Material, aber es sind vor allem die Momente, in denen der Sport-Legend Naish nicht alles locker glücklich von der Hand geht, die den Unterschied machen.

Daraus ergibt sich eine Momentaufnahme eines erfolgsbesessenen Profis, dem mit einem Mal die Fokussierung auf den Wettbewerb fehlt. Wie geht Man damit um, nicht mehr in Konkurrenz zu stehen? Wie lernt man die einfache Freude am Sport wiederzuentdecken? Dann ist er da, der erlösende Moment, nimmt im Film inklusive Schnitten drei Minuten ein und der Meister bemerkt lapidar: „So, eine hätten wir.“

Letztlich ist „The Longest Wave“ eine sehenswerte Sportdoku geworden, die unfreiwillig zu einem Langzeitprojekt wurde und den ehemaligen Weltmeister im Übergang aus dem Profi-Dasein begleitet. Das hat so seine Eigenheiten und seine starken Momente. Die etwas übertriebene Lobhudelei der Interview-Partner stört auf Dauer dann doch und extrem spektakuläre Surf-Aufnahmen hat „The Longest Wave“ auch nicht zu bieten. Es bleibt ein sehenswertes Sportler-Porträt.

Film-Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

Robby Naish – The Longest Wave
OT: Robby Naish – The Longest Wave
Genre: Biographie, Sport, Surfen
Länge: 100 Minuten, USA, 2019
Regie: Joe Behringer
Mitwirkende: Robbie Naish, Gerry Lopez, Lenny Kai, Chuck Patterson
FSK: ohne Altersbeschränkung
Vertrieb: Red Bull Media / 24 Bilder
Kino-VÖ: 01.07.2021
Ab 11.7. In der ZDF Mediathek