Barbie: Rosa Strandperle

Es scheint, als wäre „Barbie“ einer der am sehnlichst erwarteten Kinofilme des Jahres. Angesichts der Tatsache, dass Superhelden-Filme gerade Reihenweise floppen, besteht die Befürchtung, dass hier eine weitere Filmreihe an den Start geht. Quasi Mattels rosa „Transformers“. Aber keine Bange, es wird wohl bei diesem einmaligen Ausflug der weltberühmten Puppe in die Realität bleiben. Mit Margot Robbie und Ryan Gosling als Ken und Barbie ab dem 20. Juli 2023 in den Kinos.

In Barbie-Land sind die Tage anders als in der echten Welt. Hier herrscht rosa Sonnenschein und den ganzen Tag (und die Nacht) sind gute Laune und Frohsinn. Nicht, dass Barbie die Ernsthaftigkeit fehlen würde. Es gibt Barbies die Doktorinnen sind, die Präsidentin, Autorinnen, Musikerinnen und auch Bauarbeiterinnen sind. Barbies haben alle Lebensbereiche gut unter Kontrolle und was sie erreichen, haben sich auch verdient.

Ken hingegen scheint nur zum Leben zu erwachen, seine Erfüllung zu finden, wenn Barbie ihn beachtet. Auch Kens gibt es etliche und spezialisierte. Nur Allan, der Kumpel von Ken ist einmalig. Kens Kernkompetenz ist Strand. Nicht Lebensretter, nicht Surfer; nur Strand. Und wenn der stereotype Ken (Ryan Gosling) dann einmal den Tag mit der stereotypen Barbie (Margot Robbie) verbracht hat, ist an der Tür zur pinken Villa Feierabend, denn in Barbie-Land ist jeden Abend Mädelsabend.

„Sie ist alles. Er ist nur Ken.“

Doch dann kriegt Stereotyp-Barbie Selbstzweifel und Gedanken an den Tod – und Plattfüße. Abhilfe kann nur die verrückte Barbie (Kate McKinnon) schaffen, denn die ist schräg, weil sie in der echten Welt kaputtgespielt wurde. Ihre Diagnose ist eindeutig: Stereotyp-Barbie muss in die echte Welt und das Mädchen finden, das ihr die Selbstzweifel und Todesgedanken eingegeben hat. Dann schleicht sich Ken ins Auto und die beiden lösen in der realen Welt und vor allem in der Firmenzentrale von Mattel riesiges Chaos aus.

Die Sage (und die von Helen Mirren gesprochene Erzählerin) will es so, dass Barbie als Frauenpuppe den Mädchen einst die Augen geöffnet hat. Zuvor gab es nur Babypuppen und die jungen Mädchen konnten nur „Mutter und Kind“ spielen. Die Erscheinung einer Modepuppe mit einer eigenen Welt an Zubehör und Gimmicks kam einer Kulturrevolution gleich wie sie sonst nur die Bändigung des Feuers dargestellt hat.

Dabei gibt es seit dem Jahrhunderten Modepuppen, aber Mattel beziehungsweise Ruth Handler hat dieses Spielzeug seit den 1960ern zu einem der beliebtesten Spielzeuge weltweit gemacht. Frauen und Mädchen (und Jungen) haben seither mit der Barbie gespielt und ihre Sehnsüchte und Hoffnungen, ihre Zukunft und ihre Rollenbilder auf die etwa 30 cm große menschenähnlichen, geschlechtslose Puppe projiziert. Das führte in nicht wenigen Familien zu grundsätzlichen Diskussionen über das Rollenbild der Frau, oder eben nicht. Ebenso wie Spielzeugsoldaten in Jungen-Kinderzimmern.

„Du musst die Birkenstock-Latschen wählen!“

Auch als erfolgreiche Filmreihe im Animationsformat ist „Barbie“ seit langen fester Bestandteil der Popkultur im Kinderzimmer. Der erste „Realfilm“ mit und über Barbie ist ein erstaunliches Werk. Regisseurin Greta Gerweg (Ladybird“, „Little Women“) ist dafür bekannt, dass sie auch feministische und emanzipierte Inhalte thematisiert und das tut sie auch in „Barbie“. Das Drehbuch entstand mit ihrem Partner Noah Baumbach, der ebenfalls Autorenfilmer ist.

„Barbie“ gelingt das erstaunliche Kunststück, es allen recht zu machen und doch kritisch zu sein. Jeder Gag wird an anderer Stelle auch konterkariert. Das Patriarchat und die Pferde werden zwar im Zaum gehalten, aber Kens Lehren aus der realen Welt sind schon krachende Lacher und Exkursionen in Machismo.

Andererseits ist Barbie bei aller Weltfremdheit ehrlich entrüstet, dass Frauen in der echten Welt eine ganz andere (quasi keine) Rolle spielen als angenommen. Dass Barbie auch noch angefeindet wird, erschüttert sie zutiefst; hält sie aber nicht ab, das Problem positiv anzugehen. Und auch die Erzählerin ist insofern unzuverlässig, als dass sie ihre eigene Meinung kundtut. Etwa, das Margot Robbie eine komplette Fehlbesetzung wäre um eine glaubhaft an ihrer Schönheit zweifelnde Barbie darzustellen. Zugegeben ein sicherer Lacher, aber auch der Inbegriff dessen, was an „Barbie“ so verstört. Die Beschäftigung mit der Barbie und ihrer Wirkung ist immer auch eine Produktplatzierung für eines der erfolgreichsten Spielzeuge der Welt. Selbst wenn der Mattel-Konzern sich gerne verballhornen lässt.

„Alles so schön bunt hier.“ (TV-Glotzer)

Die Frage bleibt, warum sich das Publikum gute zwei Stunden lang mit einer Inszenierten Puppe beschäftigen will? Anders als bei dem „Transformers“-Franchise, dass gar nicht erst so tut, als wäre es etwas anderes als die Ausweitung der Spielzimmerzone mit anderen Mitteln, hüllt sich „Barbie“ in pinken Kritizismus und dessen Dekonstuktion. Epische Filmzitate und popkulturelle Referenzen sind perfekt eingewoben, Musical-Einlagen und Beach Battles sind überkandidelt und bunt choreografiert und Nina Hagen würde sich freuen.

Am Ende bleibt Allan (Michael Cera). Jener Ken-Kumpel, der in Barbie-Land das einzige Individuum zu sein scheint. Wir müssen uns Sisyphos-Allen als glückliche Puppe vorstellen. Von den Mattel- und Filmmacher-Göttern in Ruhe gelassen hat er die Wahl, sein Schicksal in die Hand. Er könnte es vorziehen das Surfbrett nicht auf den Strand zu schleppen. Oder doch nicht?

Handwerklich ist „Barbie“ eine perfekte Meta-Komödie, in der sich alle wohlfühlen, die Barbie mögen und alle, die Barbie nicht mögen. Spielzeug bleibt allerdings Spielzeug. Es wird ausgesprochen unterhaltsam ausgelotet, was Barbie für die Frauen und die Welt erreicht hat, und was eben nicht. Wer daran Freude findet, wird auf unterschiedlichen Ebenen pfiffig und rosa unterhalten. Robbie und Gosling sind die perfekten Projektionsflächen für zum Leben erweckte Sehnsüchte.

Film-Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

Barbie
OT: Barbie
Genre: Fantasy, Komödie
Länge: 114 Minuten, USA, 2023
Regie: Greta Gerweg
Darsteller:innen: Margot Robbie, Kate McKinnon, Michael Cera, Ryan Gosling,
FSK: ab 6 Jahren
Vertrieb: Warner
Kinostart: 20.07.2023