Es ist schon schlimm genug, dass die meisten Leute immer so durch die Gegend und ihr Leben hetzen. Inzwischen wird selbst die Freizeit durchgetaktet. Geht mir nicht anders. So ist die kleine EP des Schweizer Songwriters Flo LeBeau im (virtuellen) Review-Stapel so ein bisschen durchgerutscht. Kannste ja immer noch schnell einschieben, denkste jedenfalls. Nun aber: Der Kollege LeBeau reist auch gerade noch durch die Lande und bringt Reim und Melodei persönlich zu Gehör. Der Frühling ist da und seine Lieder auch.
Ein Mann, eine Gitarre, eine Mission: eine bessere Welt. Da tritt der junge Berner Songwriter (nicht Sennenhund) in die Fußstapfen ganz großer Kollegen, die auch so ihre Startschwierigkeiten und gesellschaftliche Anliegen hatten. Ich denke da an Billy Bragg, der – anfangs verlacht – erst ins alternative Radio kam als er nicht mehr nach einem „New England“ suchte.
Bob Dylan nun wieder schlug in der Folkszene eher ziemlich ansatzlos ein, war aber textlich immer schon kryptischer unterwegs. Woodrow Wilson aka „Woody“ Guthry war sich vielleicht nicht von Beginn an klar, dass seine Maschine Faschisten killt, wohl aber, dass es Zeit wird Protest Songs zu singen. Die Wucht und Kauzigkeit der New Yorker „One Man Punk Band“ Hamell on Trial entwickelt Flo LeBeau nicht, aber der Barde ist auch nicht auf dem Kriegspfad, sondern dem Schönen zugetan.
„Ich möcht zurück auf die Straße
Nun hat Flo LeBeau als Straßenmusiker angefangen und kommt musikalisch eher aus einer anderen Ecke, die Einflüsse von Punk und Indie sind hörbar. Die Deutschpunker Slime haben ihren aktuellen Sänger auch als Straßenmusiker gefunden. Gelegentlich möchte man dem ambitionierten Künstler Flo LeBeau zurufen „No Bad Religion song will make your life complete!“, aber das weiß der Flo sicher. Gelegentlich greift der Punk an sich gerne schrammelnd zur Akustikklampfe und schmettert die Hymnen raus (Tim Armstrong anyone?). Das hat schon Joe Strummer mit Inbrunst getan und die Schnittmengen von Punk und Folk ist auf einmal ganz erheblich angewachsen.
Auf der EP „Songs of Spring“, die digital und beim Schweizer Label Klang Wang als Vinyl 7‘‘ erschienen ist, gibt es vier Songs zu hören. Die Texte sind bei allen Liedermachern immer wesentlich und der Durchsicht wert. Und irgendwie erinnert mich das Musizeren des Flo Le Beau auch den fast noch aktuellen Film „Rickerl“ über einen Wiener Musiker-Hallodri. Ich empfehle den Gang ins Kino.
Möcht wieder singen, nicht schön, sondern geil und laut
„Song of Spring“ startet mit einem netten Sample, das sich übers Plattensammeln auslässt und dann Flo ankündigt. Das hat schon selbstironischen Humor. Wie auch das AB-Outro vom letzten Song „Drugs“. „Song of Spring“ hat definitiv musikalische Elemente und Tempo, die Freude des gepflegten Power Pops Marke Bad Religion zu schätzen wissen. Wirkmächtigkeit sticht Originalität – in jedem musikalischen Quartett.
„Type Case“ hat mich tatsächlich auf eine falsche Fährte gelockt, weil von koreanischen Tattoos die Rede ist. Bei der Musik bin ich dann schnell im Koreakrieg und kriege die Assoziationen nicht hin, kann die vermeintliche Cover-Version aus dem damaligen Ami-Folk nicht einsortieren. Bis ich merke, dass mensch auch heutzutage nach Korea fahren kann, und der Text sich mit Selbstfindung auseinandersetzt. Eben ein Setzkasten der Befindlichkeiten und Persönlichkeits-Bausteine. Schöner Song außerdem.
Denn Gold find‘ man bekanntlich im Dreck
„Family Issues“ beginnt wieder mit einem Zitat Sample und dann geht es ein bisschen NMA mäßig ans Akkorde Schrubben. Ist aber nicht unbedingt mein Favorit, was auch an der Gesangsmelodie liegt. Passt schon. „Drug Issues“ hingegen hat mit vier Minuten für die Art von Song schon eine beachtliche Länge aufzubieten. Da ist ein schönes Break drin und ich fühle mich (musikalisch) gut aufgehoben. Ich mag das.
Vielleicht ist „Drug Issues“ musikalisch an nahesten dran an der vorangegangenen EP „Dealing sucessfully with Fears and Worries“ von 2023, auf der ebenfalls vier Songs zu finden sind. Eher verspielter, eher auf Musikalität bedacht (hört sich scheißer an als es gemeint ist) und filigraner.
Und Straßen sind aus Dreck gebaut. („mit 18“ MMW)
Insgesamt hat die von Flo und Joachim Budweiser aufgenommene EP einen gut produzierten Sound. Das sind auch immer mehrere Spuren und Vocals zu hören und es fühlt sich nicht an, als würde ein Mann alleine musizieren. Für einen Tonträger ist das allerdings beabsichtigt. Außerdem hat das Vinyl noch die betörend schöne Tuschezeichnung von Philip Thöni zu bieten, die in japanischem Stil stakende Schiffer im Morgennebel (?) zeigt.
Ich komme gerade aus der Pressevorführung von „Teaches of Peaches“ einer Doku über Peaches, die irgendwann dem nächst in die Kinos kommt. Darin durfte ich lernen, dass die junge Kanadierin Merrill Beth Nisker anfangs in einer Folk-Band namens The Mermaid Café gespielt hat. Die Zeiten ändern sich.
Für Flo LeBeau ist ein Leben ohne Lieder denkbar, aber nutzlos. Welches Präsenz Flo im Liveauftritt entwickelt darf jeder gerne selbst herausfinden. Tourdaten auf der Webseite. Die schmissig vorgetragenen Frühlingslieder auf „Song of Spring“ haben Potential zum Mitjohlen; am Lagerfeuer, auf dem Marktplatz oder auf der Clubbühne eures Vertrauens. Kümmert euch, seid zugewandt. Macht selber was. Unterstützt die Graswurzel Revolution. Mehr davon.
Flo LeBeau: Song of Spring
Genre: Folk, Punk, Akoustik
Länge: 12 Minuten, 4 Songs
Interpret: Flo LeBeau
Format: Vinyl, Digital,
Label: Klang Wang Records
VÖ: 22.03.2023