Immer noch im Nachgang von „Chantal im Märchenland“ kramt der Filmkritiker weitere märchenhafte Filme hervor. So auch die Musical-Verfilmung „Into The Woods“, die 2015 in die Kinos kam. Das amerikanische Erfolgsmusical „Into the Woods“ hat wunderbare Momente, aber auch seine Schwächen. Unterhaltsam und prominent besetzt ist die Film-Inszenierzung auf jeden Fall.
Märchen gehen eigentlich immer. Mal klassisch, mal modern umgesetzt, hauptsache das Publikum kann an irgend eine Zusammenhangserlebnis anknüpfen. Auch Musicals sind eine Erfolgsgeschichte und inzwischen sind diverse Disney Zeichentrick-Erfolge weltweit als Bühnenfassung zu erleben. Das Märchenmusical „Into the Woods“ wurde in den Achtzigern von Autor James Lapine und Komponist Stephen Sonderheim produziert und war schnell eine großer Broadway-Erfolg.
2015 adaptierte Regisseur und „Musical-Experte“ Rob Marshall („Chicago“, „Nine“, „Mary Poppins Retzurn“) das Erfolgsmärchen mit großem Starensemble für die große Leinwand. Das Original wurde mehrfach mit Preisen ausgezeichnet und immer wieder neu aufgeführt. Bei uns (beziehungsweise im deutschsprachigen Raum) war und ist die Geschichte deutlich seltener mal auf der Bühne zu erleben. Möglicherweise wird es nicht gerne gesehen, wenn mit deutschem Kulturgut herumgespielt wird. Und das tut „Into The Woods“.
In der Story mischt Lapine vier Märchenklassiker zu einer neuen fantastischen Geschichte. Das ist auch ein Versuch einen etwas moderneren Ansatz in das Märchengenre zu bringen. „Hans und die Riesenbohne“, „Aschenputtel“, „Rapunzel“ und „Rotkäppchen“ liefern Elemente, wenn der Bäcker und seiner Frau sich ein Kind wünschen.
Der Backer und Seine Frau und der Kinderwunsch
Auf der Bäckersfamilie liegt ein Fluch. Die genervte Hexe braucht vier Gegenstände um den Zauberspruch aufzuheben. Diese muss das Bäckerpaar in drei Nächten beschaffen. Das Publikum kann sich denken, dass im Märchen und im Musical letztlich alles gut wird, aber vorher setzt bei dem Erfolgsmusical der zweite Akt ein. Darin erweist sich die schöne heile Welt als keineswegs nur toll. Aber der Disney-Film bekommt auch dieses Mal eine positive Entwicklung zustande.
Die Verfilmung von „Into The Woods“ versammelt ein namhaftes Ensemble, dass sowohl die Rollen als auch die Gesangseinlagen zu meistern weiß. Merryl Streep brilliert als Hexe und Anna Kendrick als Aschenputtel, Emily Blunt („Looper“,„A Quiet place 2“) ist als Bäckersfrau charmant, Chris Pine als Prinz und Johnny Depp als böser Wolf sind eher eigenwillig. Alle bevölkern den düsteren Wald, der Schauplatz der überwiegenden Handlung ist. Beindruckend sind vor allem die Gesangsleistungen der jungen Darsteller: Rotkäppchen Lilly Crawford und Bohnen-Hans Daniel Huttlestone meistern ihre wortreichen Melodien ziemlich bravourös.
An Schauwerten schickt die Kinoversion einiges ins Rennen, was das Bühnenmusical technisch nicht umsetzen kann. Das Setdesign des finsteren Finsterwaldes ist überzeugend. Die Kostüme der mehrfach Oscar-prämierten und –nominierten Colleen Atwood („Chicago“, „Alice in Wonderland“) sind fantasievoll und stilvoll. Die Roben erwecken Charaktere auf märchenhafte Weise zum Leben. Das CGI, also die Computeranimation der Bohnenranke und einige andere Effekte fallen nicht störend ins Gewicht. Die Schauwerte und die Darsteller sind also sehenswert.
Inhaltlich wirkt die moderne Ausformulierung von Märcheninhalten gelegentlich auch bemüht. Vor allem im zweiten Akte wissen einige Aspekte und Szenen nicht zu überzeugen. Die gebrochenen Beziehungs- und Familienstrukturen, Wahlverwandschaften und Leidensgemeinschaften sollen moderner sein, sind aber vor allem amerikanischer. Im Vorfeld des Filmstarts würde „Into The Woods“ als „Musical für die Generation nach 9/11“ gehypt. Aus europäischer Sicht ist das überzogen.
Die Hexe, der Fluch und die Suppenzutaten
Zu Beginn des zweiten Aktes muss das Publikum zusätzlich eine musik- beziehungsweise gesangslose Durststrecke überbrücken. Die bedrohliche Handlung stagniert und die Figuren werden irgendwie wahllos neu aufgestellt. Die Leinwandvariante präsentiert leicht familienfreundlichere Texte und verzichtet auf einige eher „erwachsene“ Songs. Das soll von Komponist und Texter Sonderheim abgenickt sein.
Aber „Into The Woods“ hat viele hinreißende und witzige Momente zu bieten. Emily Blunt und James Cordon versprühen Humor jenseits der Backstube. Das Prinzenduett von Chris Pine und Billy Magnussen (als Rapunzels Prinz) ist irrwitzig überzogen. Auf harmlose-witzige Weise homoerotisch, schmettern sich die beiden Kerlen durch „Agony“ (Höllenqualen). Und Hans schleppt immer wieder neue lustige Schätze an um seine geliebte Kuh zurückzukaufen.
„Into the Woods“ ist ein opulent ausgestattetes Musical. Die zusammengeworfenen märchenhafte Geschichte hat definitiv ihre Eigendynamik. Disney-typische Unterhaltung ist garantiert und gut aufgelegte Stars haben Spaß vor der Kamera. Bisweilen reicht das für realitätsflüchtende Kurzweil und Alltagsablenkung sehr schön aus.
Film-Wertung: (6 / 10)
Into The Woods
OT: into the Woods
Genre: Musical, Märchen
Länge: 125 Minuten, USA, 2015
Regie: Rob Marshall
Vorlage: Musical „Into The Woods“ von Lapine /Sonderheim
Darsteller:innen: Emily Blunt, Anna Kendrick, Merryl Streep
FSK: ab 6 Jahren
Vertrieb: Disney Pirctures
Kinostart: 19.02.2015
DVD-& BD-VÖ: 25.06.2015