Weil Cantal im Kino gerade Märchenstunde hält, kramt brutstatt.de die erste deutsche Soap Opera aus dem Archiv. „Bianca“ war die erste deutsche Telenovela und wurde im ZDF 2004 bis 2005 mit großem Erfolg ausgestrahlt. Täglich 45 Minuten Herzschmerz, Drama und Romanze für das Fernsehvolk. Nun veröffentlicht Edel „Die schönsten Momente“ der kompletten Serie in einer 13-DVD-Box. Mehr als 2400 Minuten Spielzeit und ein Selbstversuch, der anlässlich der DVD-Veröffentlichung 2009 durchgeführt und notiert wurde.
Gleich zu Beginn ein Geständnis: Ich schaue zwar auch Serien, gelegentlich auch täglich, aber das, was gemeinhin als Soap-Opera oder Telenovela (ja, da gibt es einen Unterschied) läuft ist definitiv nicht meine Domäne. So nähere ich mich der Ehrfurcht gebietenden DVD-Box auch ziemlich skeptisch. Immerhin sind alle „Schönsten Momente“ der Telenovela enthalten und weisen immer noch gigantische Spielzeiten auf.
Moment mal, was heißt denn hier „schönste Momente“, wieso nicht die ganze Serie? Ich sehe schon, da ist Recherche nötig. „Bianca“ wurde als erste deutsche Telenovela vom ZDF produziert und lief über elf Monate täglich in jeweils 45 Minuten Häppchen. Das ist schon atemberaubend und definitiv zu umfangreich, um als DVD veröffentlicht und gekauft zu werden.
Telenovela oder tägliches Dosis Drama
Regelmäßig einmal wöchentlich wurde das Fernsehpublikum also mit der Zusammenfassung der Seriengeschehnisse der vergangenen Woche gefüttert, einerseits um verpasste Handlung aufzufrischen, andererseits aber auch um Neulingen den Einstieg noch zu ermöglichen. Das ist eine kluge Idee. Die „schönsten Momente“ sind also die Wochenzusammenfassungen.
Dann kann‘s ja endlich losgehen mit dem Glotzen. Ich weiß weder worum es geht, noch was mich erwartet, so dass ich mir vorkomme, als hätte ich die vergangenen Jahre in einem Parallel-Universum verbracht. Ich habe keine Erwartung, dann kann auch keine enttäuscht werden und irgendetwas muss schließlich dran sein, wenn Millionen Menschen sich das regelmäßig freiwillig und mit Freude antun.
Bianca kommt aus dem Knast! Damit beginnt die Story. Unschuldig hat sie für eine Brandstiftung gesessen, bei der ihr Vater ums Leben kam. Nun ist die Strafe verbüßt und Bianca zieht erstmal bei ihrer Cousine Kathi ein, die ihr einen Job besorgen will. Nachmittags gehen die beiden im See schwimmen und als Kathi einen Krampf vortäuscht lernt man auf einem Privatsteg den reichen Oliver Wellinghoff und dessen Chauffeur Simon kennen. Kathi schmeißt sich dem vermeintlichen Millionärssohn an den Hals, nicht ahnend, dass die beiden Männer ihre Rollen getauscht haben. Bianca findet den „Chauffeur“ ganz nett und der ist auf der Stelle in sie verknallt.
Sie kommen aus dem Gefängnis frei
Man verbringt einen schönen Tag zusammen und Oliver versucht nun Bianca bei der Jobsuche behilflich zu sein, schließlich bringt er sie als Hausangestellte bei sich zuhause unter, doch er muss beichten, dass er der Sohn des Hauses ist. Bianca hat nach den schlechten Erfahrungen in ihrem Leben Standesdünkel und will von einer Beziehung nichts wissen. Na ja, anfangs.
Währenddessen stellt sich heraus, dass Kathi erpresst wird und irgendwie mit der Brandstiftung zu tun hat. Dann ist der reiche neue Lover auch noch nur der Chauffeur. Die Rollen sind verteilt, die Verwirrungen können beginnen. Über die kommende Sendezeit erstreckt sich ein auf und ab der Liebe und Freundschaft, gesellschaftliche Verpflichtungen, Verirrungen und, und, und …am Ende kriegen sie sich doch und alles wird gut.
Happy End mit unendlichen Turbulenzen
Das ist auch richtig so, denn es gehört zwangsläufig ein Happy End in eine Telenovela. Und wenn ich so darüber nachdenke, ist es schon eine Leistung, die Geschichte über einen so langen Zeitraum mit Handlung zu füllen. Dem gebührt meine Achtung.
Mit dem Format und dem Thema konnte ich allerdings absolut nichts anfangen. Das war mir zuviel heile Welt und Bianca war mir als Charakter zu gutmenschlich und gleichzeitig zu desillusioniert. Die Bilder waren häufig klischeebesetzt und schlicht zu auffällig nachbearbeitet. Wo kommt so viel Weichzeichner und glitzerndes Wasser nur her? Mir ist schon klar, dass das nur die Zuschauererwartung erfüllt und dem südamerikanischen Vorbild sogar noch dezent folgt.
Selbstversuch gescheitert
Was mich allerdings am meisten verwirrt hat, waren die eingestreuten Wiederholungen von Basisinformationen. Das hat Methode und soll den Quer- und Neueinstieg zu jedem beliebigen Zeitpunkt ermöglichen. Aber auf DVD und wenn man sich entschieden hat, die Telenovela zu schauen ist es enervierend, jede Folge aufs Neue die gleichen Infos zu bekommen.
So breche ich das Experiment nach der ersten von vier DVD-Boxen ab, ich weiß ja, wie es enden wird, und für einen respektablen Eindruck reicht das aus. „Bianca – Wege zum Glück“ hat mich nicht überzeugt, weder als TV-Format noch vom dramatischen Aspekt her. Aber das ist absolut unwesentlich.
Wer auf Telenovelas steht, oder märchenhafte Verwicklungen in unserer Zeit verfolgen mag, wer gerne lange in einer Filmwelt unterwegs ist, der macht mit „Bianca“ nicht viel verkehrt. Seit Ende August wiederholt das ZDF auch alle 224 Folgen im Vormittagsprogramm. Und immerhin kommt der herzensguten „Bianca“ auch die Vorreiterrolle für andere deutsche Dauerproduktionen zu Gute. Es wäre nicht rechtschaffen, hier die Bewertungsmaßstäbe für Filme anzulegen, aber in Bezug auf Dramaturgie, Darstellung und Inszenierung wird in der Telenovela nur Durchschnittliches geboten. Aber da erzähle ich auch niemandem etwas Neues.
„Bianca – Wege zum Glück“ in der Komplett-Box der „Schönsten Momente“ erfüllt alle Erwartungen, die man an die erfolgreichste deutsche Telenovela haben kann und bedient gekonnt die Vorstellung einer heilen Welt in der alles gut wird.
Bianca – Wege zum Glück
OT: Bianca – Wege zum Glück
Genre: Telenovela, TV Serie, Drama, Romanze
Länge: 41 Stunden, 13 DVDS, D, 2004-5
Idee: Rasi Levinas
Regie: Gerald Distl, Christa Mühl, et al.
Darsteller:innen: Tanja Wedhorn, Patrick Fichte,
FSK: ab 6 Jahren
Vertrieb: ZDF Entertainment, Edel Motion
DVD-VÖ: 25.09.2009