Gran Tourismo: Rasende Realität

Seit mehr als 20 Jahren verzückt das Videospiel – oder genauer die Autorennen-Simulation – „Gran Tourismo“ weltweit Gamer und Autonarren. Nun kommt „Gran Tourismo“ auf die Leinwand und erzählt die Geschichte, wie Kindheitsträume wahr werden. Junge „GT-Spieler:innen bekommen die Chance echte Rennfahrer zu werden. Sony Pictures bringt „Gran Tourismo“ am 10.08.2023 in die Kinos.

Seit er ein kleiner Junge war, träumt Jann Mardenborough (Archie Madekwe) davon Autorennen zu fahren. Inzwischen ist der junge Erwachsene ein leidenschaftlicher Gamer und quasi Experte für die Auto-Rennsimulation „Gran Tourismo“. Die gilt als besonders realistisch. Doch das vermeintlich nutzlose Daddeln führt immer wieder Stress mit den Eltern, die das für Realitätsflucht und Zeitverschwendung halten.

Doch dann hat der Nissan-Marketing-Experte für Europa, Danny Moore (Orlando Bloom), eine scheinbar aberwitzige Idee. Weil niemand mehr Autos kauft, will er die Kundengruppe der „Gran Tourismo“ –Spieler:innen für Nissan gewinnen. Tatsächlich nickt der japanische Autokonzern die Kampagne durch. Die sieht so aus, dass die weltweit besten GT-Player in einem virtuellen Rennen um die Teilnahme an einem echten Trainingscamp für Rennfahrer konkurrieren. Dort soll dann ein Kandidat ausgewählt werden, der Nissans Rennstall als Fahrer bereichert und tatsächlich Rennfahrer werden kann.

Kindheitsträume – wahrgeworden

Danny Moore muss die Sicherheit der unerfahrenen Fahrer:innen garantieren. Und er braucht dringend einen Chefingenieur. Da kommt der ehemalige Rennfahrer Jack Salter (David Harbour) ins Spiel. Der hat seit Ewigkeiten kein Rennen mehr bestritten und hält die Idee für hirnrissig, braucht aber gerade Arbeit, weil er sich mit dem jähzornigen Topfahrer seines aktuellen Arbeitgebers angelegt hat.

Soviel zur – fast – überflüssigen Handlung. Fast, denn die Story in „Gran Tourismo“ basiert auf realen Ereignissen, und Jann Mardenborough kam als Gamer zum realen Rennzirkus. Der Junge aus Wales qualifizierte sich für das Camp, woraus eine Karriere als Rennfahrer erwuchs. Das ist an sich schon in mehrfacher Hinsicht beachtlich, wenngleich es dramaturgisch mit einigen Schwächen und Vorhersehbarkeiten inszeniert ist.

Ich oute mich jetzt mal als jemand, dem Autos über ihren Transportzweck hinaus herzlich egal sind und als jemand, der sogut wie nie Videospiele gespielt hat. Mir fehlte schlicht die Zeit für diese Art der Unterhaltung, auch wenn ich deren Faszination nachvollziehen kann. Und dennoch, oder gerade deshalb, hatte ich Spaß im Kino.

Simulation, kein Spiel

Die Prämisse des Films postuliert, das „Gran Tourismo“ als Renn-Simulation von der ursprünglichen Idee an auf realistische Exaktheit Wert legte. Das schließt etliche Details zu Fahrzeugen, Arbeitsabläufen und Rennstrecken mit ein. Daher ist die These, dass Fahrer auch mithilfe der Simulation ausgebildet werden können, keineswegs so steil, wie im Film dargestellt. Raumfahrtprogramme, Pilotenausbildung und ähnliche setzen schon längst auf diese Art der Ausbildungsunterstützung.

Selbstverständlich will es die Filmdramaturgie, dass diese Bande Außenseiter von den etablierten Fahrern und Beteiligten komplett abgelehnt wird. Bis hin zum lebensgefährlichen Drangsalieren auf der Strecke. Das ist zwar absehbar, aber packend in Szene gesetzt. Die Story wirkt dabei ähnlich schnell zu verstehen wie in „Need for Speed“, den ich als Film schon lässiger und durchaus kultig fand.

Zurück zu „GT“ Regisseur Blomkamp und sein Team schaffen es immer wieder eine stimmige Mischung aus virtueller Spiele-Realität und der Wirklichkeit auf der Rennstrecke herzustellen. Bisweilen wird einfach nur Janns Auto kenntlich gemacht, das sonst im Fahrerfeld unterginge, bisweilen versucht der Film Janns Erleben nachvollziehbar zu machen, indem der Gaming Stuhl, mit neu gekauften Steuer, zum Rennwagen wird, oder umgekehrt, wenn sich Jann auf der Rennstrecke konzentrieren muss und dazu seine Erinnerung an Spiele hervorruft.

Bereits in seinen bisherigen Spielfilmen („District 9“, „Elysium“, „Chappie“) hat Blomkamp bewiesen, dass er ein Händchen dafür hat, eine stimmige Mischung aus Realität und virtuellen Elemente zu erschaffen, die fasziniert. In „Gran Tourismo“ kommen dann noch die ebenso exotischen wie legendären Rennstrecken dazu, die direkt vor Ort gefilmt wurden.

„Gran Tourismo“ benannt nach ursprünglich beabsichtigten bequemeren Ausstattung von Sportwagen für längere Fahrten, ist eine gelungenen Videospiel-Verfilmung (mehr zu beidem ist schnell bei Wikipedia nachzuschlagen). Wobei es inzwischen etliche Varianten und Ableger der Simulation gibt. Aber, und das ist wesentlich interessanter, der Film funktioniert auch für Rennsport-Begeisterte. Allein mit der Rennstrecke in Le Mans wird eine Nähe zu Filmen wie „Le Mans“ (1971), oder „Rush“ (2013) und „Ford vs. Ferrari“ (2019, deutsch: Le Mans 1966 – Gegen jede Chance“) hergestellt.

Wer mag kann sich auch an die Tom Cruise Filme „Tage des Donners“ oder „Top Gun 2“ erinnert fühlen. Mit Pixars „Cars“ und der Manga-Verfilmung „Speed Racer“ der Wachowski Geschwister hat „Gran Tourismo“ dagegen weniger gemeinsam.

„Gran Tourismo“ ist die stimmige und unterhaltsame Inszenierung eines Videospiel-Klassikers, der auf Sonys Play Station einen weltweiten Siegeszug antrat. Wie immer ist Zugucken nicht annähernd so interessant wie selber machen, aber „Gran Tourismo“ ist sehr kurzweilig ausgefallen.

Film-Wertung: 6 out of 10 stars (6 / 10)

Gran Tourismo
OT: Gran Tourismo
Genre: Action, Fantasy
Länge: 135 Minuten, USA/ UK/ J, 2023
Regie: Neill Blomkamp
Darsteller:innen: Archie Madekwe, Orlando Bloom, David Harbour
FSK: ???
Vertrieb: Sony Pictures
Kinostart: 10.08.2023

Photos by: Gordon Timpen