Blacktape: No Sleep ‚til Heidelberg

Der Botschafter macht mal kurz die diplomatischen Beziehungen zum Mainstream klar und erzählt dem Kinopublikum, was in Sachen deutscher Rap so abgeht. Der umtriebige Sékou „The Ambassador“ Neblett, ehemals mit der Freundeskreis-Posse unterwegs, dreht eine Doku über die deutsche Hip-Hop Szene, und dann kommt alles ganz anders. Eine Spurensuche der dritten Art und quasi ein Instant-Klassiker der Szene.

„Blacktape“ beginnt mit dem großen Scheitern von Nebletts Filmidee – alles für’n Arsch. Aber was eigentlich? Zurückspulen; noch mal von vorne: Anfangs wollte der Rapper, Songwriter, Verleger und Neufilmmacher Sekou Neblett den kulturellen Einfluss von Hip-Hop in Deutschland filmisch aufarbeiten. Interviews mit so ziemlich allen relevanten Deutschrappern führen, Subgenres definieren und das Beiprogramm – Graffittos und Breakdance abarbeiten.

Ausgerechnet das Enfant Terrible der Szene, Marcus Staiger – seines Zeichens Label-Boss von Royal Bunker und Initiator des Berliner Gangsta-Raps, kommt dann mit einem unbekannten Deutschrap-Pionier an, der die „Bewegung“ losgetreten haben soll. Tigon nennt sich der Knabe, der angeblich in den frühen Achtzigern in einer Heidelberger GI-Kaserne eine Hiphop-Party der Amis gecrasht haben und ist dann von der Bildfläche verschwunden.

Zusammen mit dem Musikjournalisten und Rap-Kenner Falk Schacht machen sich Neblett und Staiger auf die Spur des Pioniers. Hinweise hier, Schnipsel da und immer tiefer in den Underground und die musikalische Wurzelsuche.

Auch dem unbeleckten Zuschauer wird irgendwann klar, dass der Underground-Hero ein Konstrukt ist. Filmmacher Neblett benutzt die mythisch überhöhte Figur als Katalysator, um einen stinklangweiligen musikhistorischem Abriss auszuweichen. Stattdessen wird in „Blacktape“ ein  Flickenteppich zu einer wärmenden Decke zusammengezurrt und die Mockumentary transportiert vor allem den Spirit, der die deutsche Hip Hop Szene ausmacht. Ja gut, es gibt auch Fakts und kompetente Wegweiser, aber im Wesentlichen geht es um das Selbstverständnis und die Zweifel der Szene: Sell Out, Underground, Gangsta-Rap und Chart Hip Hop.

Den filmischen Ansatz sieht Sékou Neblett in der Tradition des Cinema Verité, und Fakten, Fiktionen, Film und  Making of verschmelzen zu einem Ganzen. Das hat kaum noch etwas mit „Spinal Tap“, der Mutter aller musikalischen Mockumentaries, zu tun, aber viel mit „Fractus“ und auch mit „this Ain’t California“. Szenekenner werden an der Schnitzeljagd ihren Spaß haben und  ich bin sicher, dass deutscher hip Hop nach „Blacktape“ einige Fans gewinnt.

Die Energie stimmt, die Haltung auch und „Blacktape“ ist definitiv ein so unterhaltsamer  und fundierter Überblick über die Entwicklung deutscher Rap-Musik wie man ihn sich nur wünschen kann. Daumen rauf!

Film-Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

Blacktape
Genre: Doku, Musik, Hip Hop
Länge: 88 Minuten, D, 2015
Regie: Sékou Neblett
Mitwirkende: Marcus Staiger, Falk Schacht, Thomas D., Stieber Twins, Max Herre
FSK: ab 6 Jahren
Vertrieb: Camino
Kinostart: 3.12.2015