Orango – Mohican: Album-Review

Irgendjemand hat mal postuliert „das Leben sei zu kurz für beschissene Musik“. Da fragt man sich dann schon, wieso Orango aus Norwegen immer noch unter dem Radar hindurchtauchen. Das Trio aus Oslo legt gerade mit „Mohican“ das achte Album vor und beweist musikalische Qualitäten, von denen andere nur träumen mögen, schreibt Songs zum Niederknien und spielt sich die Finger wund. Die ausbleibende breite Bekanntschaft mag auch daran liegen, dass diese Art von melodischen Rock nicht gerade hip ist. Aber „Mohican“ ist zeitlos gut, so gut, so verdammt gut, dass es weh tut.

Mir brummt der Schädel. Ich weiß nicht wo ich anfangen soll. Außer vielleicht in demütiger Ehrfurcht, denn bevor mir „Mohican“ auf dem Plattenteller bzw. in der Playlist landete, hatte ich von Orango aus Olso noch nie gehört. Je nu, das mag für etliche Bands zutreffen und schließlich ist der Wust an Veröffentlichungen nicht einmal für Profis komplett zu überblicken. Allerdings bestehen Orango seit 1999 und veröffentlichen inzwischen ihr achtes Album.

Die Musik ist eigentlich genau mein Ding, wenn ich nicht gerade wieder eine Phase wirren Hardcore-Geknüppels benötige oder in elegischen Miles Davis Trompeten bade. Aber zurück zu dem Trio, das sich nach einer Insel aus dem Bissagos-Archipel benannt hat, der zu Guinea-Bisseau gehört. Was die Insel auch ausmacht: sie wurde nie kolonisiert, weshalb dort lange das Matriarchat herrschte. Hört sich nach einer old school Hippie-Idee an, eine Band so zu nennen.

Classic Rock vom Feinsten

Orango bestehen aus Gitarrist Helge Bredeli Kanck, Schlagzeuger Trond Slåke und Bassist Hallvard Gaardløs. Der Basser ist nicht von Beginn an dabei und spielt auch bei Spidergawd. Geboten wird klassischer Rock mehrheitlich amerikanischer Prägung. Ich las von Southern Einflüssen und Bluesigem, höre aber auch hinreißende Balladen und ruhigere Töne, die eher so in Richtung AOR (Adult Oriented Rock) gehen.

Definitiv hat die Band ihre Wurzeln im Sound der Sechziger und Siebziger, aber altbacken oder gar retro klingen „Orango“ eigentlich nie. Vielmehr kommen die mehrstimmigen Gesangsharmonien und die stilistische Vielfalt auf „Mohican“ zu voller Blüte. Angereichert mit einigen Gastmusikern bietet das aktuelle Album zehn großartige Songs. Tatsächlich hat die Band einen ziemlich eigenen Sound und eigentlich auch einen hohen Wiedererkennungswert.

„Mohican“ beginnt mit „The Creek“. Der Bach plätschert langsam und melancholisch und steigert sich über einen hinreißenden Gitarrenpart und orchestrale Instrumentierung in einen feisten, treibenden Rocker. Eigentlich wäre damit alles gesagt, was die Hörerschaft über „Orango“ wissen muss. Es schließen sich diverse versteckte Hits an. „Bring You Back Home“ rockt melodisch und ohrwurm-artig, „Fryin‘“ kommt mit funky Riff und viel Biss eher aus dem Bayou denn aus der Wüste.

Amerikanische Wurzeln für norwegische Musik

„Wild River Song“ ist dann die erste Pause auf der Scheibe. Die Power-Ballade kommt in anderem Sound daher, öffnet das Klangspektrum des Trios hin zu Achtziger-AOR, mit Keys und Chorus. „Cold Wind“ streichelt die gleiche Ausrichtung, ist vielleicht ein wenig zu poppig und melodisch geraten, hat als Song aber Hit-Charakter. „Running out of Reason“ macht dieses mittlere Song-Trio rund und ist ebenfalls ein klasse Song.

„Hawkeye in Love“ lehnt sich dann wieder eher an frühe Siebziger an. Über einem verzerrten Gitarrenteppich entwickeln sich klirrende Soli und betörende mehrstimmige Gesangspassagen. „War Camp“ ist wieder ein groovender Rocker, der zum Refrain das Tempo drosselt und so für überraschende Dynamik sorgt. „Dust & Dirt“ stampft sich bluesrockend durch die Nacht und konstatiert völlig zurecht: „No One Can Kill Your Blues“.

Die abschließende Ballade „Ain’t no Road“ beginnt mit feiner Westerngitarre und sirenenhaftem Gesang. Der mehrstimmige Chorus ist derart Sechziger-Flowerpower, dass es eine Freude ist. Dann setzen weitere Instrumente ein und schreiten die Straße sehnsuchtsvoll dem Sonnenuntergang entgegen. Das ist schon schön.

Keine Angst vor Akustikgitarren

Ich weiß tatsächlich nicht, was Orango antreibt, seit 1999 Musik zu machen. Wahrscheinlich haben die Jungs einfach Bock und sind leidenschaftliche Musiker. Seit 1999 ist das Outfit am Start, hat inzwischen das achte Album auf dem Markt, heimst regelmäßig großartige Kritiken ein, hat sogar schon den WDR-Rockpalast beehrt und bewegt sich immer noch auf dem Status eines Geheimtipps.

Sicher, die ersten Scheiben, waren außerhalb der norwegischen Heimat schwer zu kriegen. Aber die Musik ist für unterschiedliche Hörerschaften kompatibel. Es muss ja nicht immer schwer und hektisch sein, bisweilen mag das Ohr ja auch mal eine Harmonie. Ähnlich wie „Scream of the Butterfly“, die ich neulich vorgestellt habe, legen Orango ein großartiges, souveränes Album vor, das wohl nur deshalb nicht auf größeres Interesse stößt, weil der Rock zu zeitlos ist und nicht „Retro“ auf dem Label steht.

Oslos Melodic Rock Powerhouse „Orango“ ist zurück mit einem großartigen Album. „Mohican“ lotet die ganze Bandbreite der Rockmusik aus, hat mit den tollen Kompositionen und den Gesangsharmonien ein echtes Pfund zum Wuchern. „Mohican“ ist episch und jeder, der auf Gitarrenmusik steht, sollte die Band austesten. Ich bin Fan – und hole jetzt demütig den ganzen Back-Katalog nach. Von Verschleiß keine Spur – auch das achte Album ist ein Knaller.

Album-Wertung: 9 out of 10 stars (9 / 10)

Orango – Mohican
Genre: Rock
Länge: 10 songs, 41 Minuten, N, 2022
Interpret: Orango
Label: Stickman Records
Format: LP, CD, Digital
VÖ: 07.10.2022

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