Star-Autor Tom King hat ein Händchen dafür abseitigen Superhelden neues Leben einzuhauchen. Den Leibwächter Christopher Chance hatte wohl keiner auf der Rechnung als es darum ging eine neue Mini-Serie für DCs Black Label zu inszenieren. Als Human Target (menschliche Zielscheibe) fängt sich Chance schon mal eine Kugel und bleibt unverletzt. Bis jetzt. Ach ja, bewunderungswürdiges Artwork in „Human Target“ von Greg Smallwood.
Als Leibwächter kann man sich seine Klienten nicht immer aussuchen. Es ist schon nervig genug für den zwielichtigen Lex Luthor die Knochen hinzuhalten. Dass Christopher Chance dann aber auf hinterhältige Weise vergiftet wird, hat niemand kommen sehen. Chance war schon aufgefallen, dass der morgendliche Kaffee wie Blech schmeckt. Dass er damit sein Todesurteil unterschrieb, stellte sich erst etwas verzögert heraus.
Es ist auch ein besonderes Gift, das es durch die aufwändigen Sicherheitskontrollen von Luthor geschafft hat. Jetzt bleiben Christopher Chance gerade einmal ein Dutzend Tage um seinen eigenen Mord aufzuklären. Es gibt einige Fährten. Eine vielversprechende Spur führt erstaunlicher Weise zur Justice League International (JLI).
Noch bevor Human Target seine Detektivarbeit richtig beginnen kann, taucht die attraktive Ice auf. Ein Mitglied der JLI und – wie Chances Kumpel Luigi feststellt, eine Frau der man nicht nein sagen kann. Ice hat nicht wirklich einen Auftrag für Chance, bietet ihm aber ihre Hilfe bei seinen Investigationen an. Ein zwiespältiges Vergnügen, da auch Mrs. Ice zum Kreis der Verdächtigen zählt.
Abgestandenes Wasser
Nachdem der ehemalige CIA-Offizier und Comic-Autor Tom King zunächst „Mr. Miracle“ 2017 und dann 2020 „Adam Strange“ zu neuen Serien-Ehren und zu Kritiker-Lobeshymnen geführt hat, geht es in gleicher Manier mit „Human Target“ weiter. Und das Ergebnis – zumindest die erste Hälfte der auf 12 Ausgaben geplanten Serie – gibt den Machern recht.
Allerdings soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, dass nach US-Heftausgabe 6 ein Vierteljahr Pause war und „Human Target“ #7 gerade erst Ende September erschienen ist. Deutschsprachige Fans brauchen entsprechend folglich ebenfalls etwas Geduld.
Die Geschichte ist wie für Tom King üblich vertrackt, nicht auf den ersten Eindruck zu überblicken und hat einige erzählerische Kniffe zu bieten. So wird „Human Target“ vom vermeintlichen Todestag aus als Rückschau erzählt. Dabei kommen die Infos für die Leserschaft immer auch häppchenweise, so dass eine gewisse Grundspannung erhalten bleibt. Das ist weniger actionlastig als vielmehr sehr „erwachsen“ erzählt und appelliert an die detektivische Neugier.
Fader Kaffee
Das war bereits in „Strange Adventures“ ein probates Mittel. Der Detektiv, der Adam Strange seinerzeit auf Kriegsverbrechen auf einem anderen Planeten, abklopfen sollte, war Mr. Terrific. Ein weiterer Held aus der zweiten Reihe, der vor allem mit Wissen brillieren konnte.
In „Human Traget“ ist der Betroffene selbst auch Detektiv und ermöglicht King so eine andere Erzählperspektive. Es kommt nicht von ungefähr, dass diese Story wie ein Hard-Boilt-Thriller daherkommt. Der „Marlowe“-esque hartgesottene Tonfall des schon morgens trinkenden Ermittlers ist perfekt getroffen. Die todesschwangere Melancholie verhilft der Geschichte auch zu ihrem Charme.
Wie so oft hat Tom King auch in der vorliegenden Serie das Privileg mit einem herausragenden Illustrator zu arbeiten. Greg Smallwood legte vor allem mit Autor Brian Wood eine hochgelobte „Moon Knight“ Strecke vor, später blieb er dem Marvel Helden mit Autor Jeff Lemire treu.
Zwielichtige Damen
Greg Smallwood hat einen sehr kunstvollen Illustrations-Stil. Da er in „Human Target“ auch die Tusche und die Farbgebung übernimmt, verzichtet der Künstler auf eine im Comic übliche schwarze Konturlinie. Die Charaktere werden in derselben stiftartigen Strichführung konturiert wie sie auch koloriert werden.
Es kommen farbige Schraffuren und getuschte Hintergründe zum Einsatz. Insgesamt sorgt der somit weicher wirkende Stil dafür, das „Human Target“ zwar zeitlos und klassisch wirkt, aber eben auch nicht superheldenhaft, sondern eher wie eine nivauvolle Graphic Novel für Erwachsene. Was in gewisser Weise der Fall ist.
Human Target war nie ein großer Held im DC Universum, daran wird auch diese Serie nichts ändern. Aber die von Fred Venerable in den 1950ern erfundene Comicfigur wurde später in den 1970ern von Len Wein (SwampThing) mit einer anderen Identität wiederbelebt, eben jener von Christoper Chance. Dieser Chance war ab 2010 auch Held einer eignen – lose am Comic orientierten – TV-Serie. Jene wiederum hat bei Panini Comics einen Comic zur Serie nach sich gezogen. Der ist allerdings vergriffen.
Was lernen wir daraus? Wenn der morgendliche Kaffee nicht schmeckt, sollte man ihn einfach nicht trinken. Mit „Human Target“ erweist sich Starautor Tom King erneut als großer Erzähler. Die hartgesottenen Thriller-Story ist packend, clever und nonchalant. Das Artwork von Greg Smallwood ist kongenial und sehr humorvoll.
Comic-Wertung: (9 / 10)
Human Taget – Band 1 (von 2)
OT: Human Target 1 – 6, DC Comics, Black Label, 2021-22
Genre: Comic, Superhelden, Thriller
Autor: Tom King
Illustrator: Greg Smallwood
Übersetzung: Christian Heiss
ISBN: 9783741630316
Verlag: Panini Comics, Softcover, 196 Seiten
VÖ: 06.09.2022
Human Target 1 bei Panini Comcis