Strange Adventures 1: Existenznot

„Ist der Ruf erst einmal ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert.“, propagiert ein geflügeltes Wort. Für den Superhelden Adam Strange, der auch noch Mitglied der „Justice League“ ist, führt ein Zwischenfall bei einer Signierstunde dazu, dass die gesamte Existenz des Helden auf dem Spiel steht, der zugleich Verteidiger des Planeten Rann ist. Ein schlechter Moment für Enthüllungen, wenn man gerade seine Memoiren vermarkten will. Dem hochgelobten Comic-Dream-Team Tom King und Mitch Gerads ist zusammen mit Evan Shanner für DC Comics nach „Mister Miracle“ ein weiterer Meilenstein modernen Superhelden-Comics gelungen. Panini Comics veröffentlicht nun die erste Hälfte der 12 US-Ausgaben umfassenden Serie.

Ok. Da anfangen, wo es sinnvoll ist: In „Strange Adventures“ (2020) nehmen Autor Tom King und die beiden Illustratoren Mitch Gerads und Evan „Doc“ Shanner“ eine Superheldenfigur wieder auf, die ihre Anfänge im goldenen Zeitalter der Comics hatte. Seinerzeit wurde der Archäologe Adam Strange durch eine mysteriöse Strahlung, den so genannten Zeta-Strahl, auf den Planeten Rann versetzt. Dort tobte ein Krieg zwischen den Menschen und diversen anderen Spezies. Adam Strange wird zum Weltraumhelden, der immer wieder durch den Zeta-Strahl auf die Erde zurückkehren kann.

Ersonnen wurde Adam Strange am Ende der 1950er Jahre von Autor Gardener Fox. Immer wieder erlebte Adam Strange in der fantastischen Comic-Publikation „Strange Adventures“ Weltraumabenteuer ähnlich wie „Flash Gordon“ oder auch „John Carter“. In jüngeren Vergangenheit wurde Adam Strange immer mal wieder in das DC Helden-Universum eingebaut, vornehmlich als Mitglied der „Justice League“.

Aktuell hat Autor Tom King, der mit der Wiederbelebung des Sci-Fi-Comic-Klassikers „Miracle Man“ Leserschaft und Kritiker begeisterte („Miracle Man“ wurde auch bei Panini veröffentlicht“), sich mit Adam Strange einen weiteren, etwas in Vergessenheit geratenen Helden ausgesucht, um ihn zum Mittelpunkt einer Story zu machen. Darin nimmt King Bezug auf die Mythologie und Entwicklung der Figur und fügt sie in einen ganz anderen Handlungsrahmen ein. „Strange Adventures“ (2020) hat zwar sehr starke Pulp und Space Opera Elemente, ist aber wohl vornehmlich für eine reifere, erwachsenere Leserschaft gedacht und daher in DCs Black Label erschienen.

Adam Strange, der auf der Erde mit seiner von Rann stammenden Frau Alanna lebt, existiert praktisch in zwei Zeiten und Welten. Immer wieder zieht ihn der Zeta-Strahl von Rann auf die Erde und von der Erde nach Rann, aber die zeitliche Wirkung der Strahlen lässt nach. Um auf der Erde ein auskommen zu haben, hat Adam Strange ein Buch über seine Erlebnisse und den Krieg auf Rann geschrieben. Das Buch avanciert zum Bestseller und ist in den Medien dauerpräsent.

Doch dann taucht bei einer Signierstunde ein Kerl auf, der Adam als brutalen Kriegsverbrecher bezeichnet. Adam, der bei den Kriegen seine Tochter verloren hat, ist erschüttert. Als der Störenfried am folgenden Tag tot aufgefunden wird, befürchtet Adam Strange verdächtigt zu werden und bittet seinen Freund Batman, den größten Detektiv der Welt und Adams Kumpel bei der Justice League, die Sache aufzuklären.

Doch Batman lehnt aus vermeintlicher Befangenheit ab und fragt stattdessen Mr. Terrific, Michael Holt, ob er die Sache aufklären würde. Der superschlaue Zehnkämpfer Michael übernimmt und garantiert Fair Play, doch seine Recherchen auf Rann stoßen schnell an die Grenzen der einheimischen Kooperation. Es scheint, als ob der Krieg gegen die Pykkten doch einige dunkle Kapitel beinhaltet. Inwieweit Adam Strange da involviert ist, wird sich zeigen.

Viel Handlung und viel Vorlauf für eine herausragende Comic-Serie, die es schafft, mit dem Superhelden-Genre zu spielen und es dahingehend zu erweitern, dass sich die Handlung zu einem klassischen Drama auswächst, bei dem es weniger um Action als um Integrität geht. Erzählt wird „Strange Adventures“ (zumindest in den ersten sechs der geplanten zwölf US-Ausgaben) auf zwei Ebenen. Dem irdischen Hier und Jetzt, in dem Adam Strange Werbung für sein Buch macht und in dem sich Mr. Terrific um Klarheit bemüht, und in der Rückschau auf den Planeten Rann während der Kriege, in denen Adam Strange alles versucht, den Krieg zu gewinnen und seine Familie zu beschützen.

Bei klassischem, klarem Seitenaufbau im Stil einer erzählerischen Graphic Novel sind beide Erzählebenen gut auseinanderzuhalten, da sie von unterschiedlichen Zeichnern illustriert und koloriert werden. Mitch Gerads moderner feiner Strich, die auquarellierten Schattierungen und die detailreichen, filigranen Hintergründe heben sich deutlich ab von Evan Shaners klassischer Comic-Line, dem Hang zu klaren, kräftigen Farben und einer fast effektlosen Darstellung von Action. Es ist keineswegs so, dass die beiden Zeichenstile sich qualitativ unterscheiden, vielmehr unterstreichen sie verschiedene Realitäten und Comic-Welten und ergänzen sich gegenseitig in ihrem starken Kontrast.

Der Flow der Story entwickelt gleich seinen Sog, weil Leser:innen quasi direkt die Perspektive der Fans und von Adam übernimmt und einen direkt ansieht und anspricht. Die Weltenwechsel hat man schnell drauf und so nach und nach erschließt sich auch die Handlung, ohne dass man zu sehr mit der Vorgeschichte vertraut ist. Allein, Tom Kings Story ist komplex und wird auf mehreren Ebenen entwickelt, so dass die kompetente Einleitung von Christian Endres durchaus hilfreich ist und den Lesespaß deutlich erhöht.

Wie schon in „Miracle Man“ gelingt es Tom King, den Figuren gleichzeitig eine sehr menschliche Komponente hinzuzufügen und ebenso eine gewisse Meta-Ebene, auf der das Dasein und das Handeln philosophisch hinterfragt werden. In „Strange Adventures“ kommt auch noch eine gewisse Heimatlosigkeit, eine diskursive Medien-Betrachtung und die große Frage, was ein Held überhaupt ist, hinzu. Das ist alles andere als dröge und moralinsauer inszeniert, sondern packend, menschlich und spannend. Das Warten auf den finalen zweiten Teil wird lang.

Für die finale Beurteilung der Story bleibt der Nachfolgeband abzuwarten, denn anders als bei „Mister Miracle“ hat sich Panini entschieden, die Story in zwei Bänden zu veröffentlichen. Angesichts der Tatsache, dass die hochgelobte und sehnlichst erwartete Serie aktuell noch nicht beendet ist, eine kluge Entscheidung, um nicht zuviele Leser an die englischen Originale zu verlieren. Autor Tom King gelingt eine faszinierende Melange aus Space Opera und Über-Drama, die das Heldendasein an sich in Frage stellt. Sehr klug und sehr lesenswert. Das Artwork ist ohnehin eine Klasse für sich und allein schon ein Argument zum Lesen. Wir bleiben gespannt.

Comic-Wertung: 9 out of 10 stars (9 / 10)

Strange Adventures 1
OT: Strange Adventures 1-6, DC Comics, 2020
Genre: Comic, Superhelden,
Autor: Tom King
Zeichnungen & Farben: Mitch Gerards, Evan Shanner
Übersetzung: Christian Heiss
Verlag: Panini Comics, Softcover, 196 Seiten
VÖ: 06.04.2021

„Strange Adventures 1“ bei Panini Comics