Beltracchi – Die Kunst der Fälschung

2014 kam eine Doku über den Kunstfälscher Wolfgang Beltracci in die Kinos. Der charismatische Schwindler ist auch ein superber Handwerker mit dem Malwerkzeug. Inzwischen malt Beltracci eigene Gemälde, aber Jahrzehntelang hat er seinen Lebensunterhalt mit Fälschungen großer Maler anzufertigen. „Beltracchi – die Kunst der Fälschung“ beschließt meinen #ArtInAugust-Reihe.

Titanweiß ist Wolfgang Beltracchis Weste sicher nicht. Wäre ihm nicht dieser Faulheitsfehler mit dem Farbpigment, das Heinrich Campendonk 1914 unmöglich verwendet haben konnte, passiert, wer weiß, ob der Kunstfälscher jemals aufgeflogen wäre? Wolfgang Beltracchi und seine Frau wurden 2011 in einem der größten deutschen Kunstfälscher-Prozesse der Nachkriegszeit mehreren Jahren Haft verurteilt.

Dokumentarfilmer, Produzent und Regisseur Arne Birkenstock begleitet den Maler und Fälscher nach dessen verurteilung quasi bei der Arbeit und schafft so ein erstaunliches und unterhaltsames Portrait, bei dem der talentierte Maler durchaus sympathisch rüberkommt.

Offener Vollzug mit Flohmarktbesuch

Selbstredend kann der verurteilte Fälscher, auch wenn er sich im offenen Vollzug befindet, also tagsüber in Köln arbeiten darf und nachts in der Haftanstalt verbringt, vor laufender Kamera keine Kunstfälschungen anfertigen. Der Straftatbestand einer Fälschung ist allerdings erst mit der Signatur eines Anderen auf dem Gemälde erfüllt. Aber das Publikum lernt den Modus operandi den Fälschers kennen.

Beltracchi schlendert einfach über einen Flohmarkt und kauft ein Bild für 50 Euro. Das Bild selbst ist nicht weiter von Bedeutung. Es geht dem Fälscher um Leinwand und Rahmen, die er für sein Projekt benötigt. Beide stammen aus den 1920er Jahren und werden im Verlauf des Dokumentarfilms immer wieder bearbeitet, bis Beltracci aus dem Flohmarktkauf einen verschollenen Othon Friesz gemacht hat. Friesz gilt als einer der bedeutendsten Fauvisten.

Beltracchi lebt seit etwa 40 Jahren von gefälschten Bildern. Als Maler scheint der als Wolfgang Fischer in Höxter geborene Beltracchi, der später den Namen seiner Frau annahm, ein Naturtalent zu sein. Er habe schon immer Freude daran gehabt und seit ihm in jungen Jahren ein Picasso, den er abmalen sollte zu freudlos erschien, habe er die Bilder der Meister einfach verbessert.

Der sensationsgeile Kunstbetrieb

Doch die Arbeit im Atelier macht nur einen Teil des Films aus. Zwischendurch wird immer dokumentiert und vorgeführt, wie der Kunstbetrieb mit seinen Versteigerungen und der Sucht nach „neuen“ Bildern von berühmten Künstlern heißläuft. Wenn mal wieder ein verschollen geglaubtes Werk auftaucht und für eine Rekordsumme an einen Sammler versteigert wird.

Beltracchi macht sich die Mechanismen des Kunstmarktes zu eigen, um diesen in großem Umfang zu täuschen. Der Markt für spektakuläre Kunstfunde ist da und wächst stetig. Die Auktionshäuser sind froh über jeden spektakulären Fund und auch die Experten erweisen sich als erstaunlich leichtgläubig. Dabei hat Beltracchi stets die bekannten Lücken der Maler, die er gefälscht hat, auszunutzen gewusst.

Dazu erschufen die Beltraccis einen fiktiver Sammler (den Onkel seiner Frau), der verstorben sei. Diese Hintergrundgeschichte wurde dann mit inszenierten Fotos unterlegt und schon klappte der Betrug in großem Stil. Wie viele Kunstwerke Beltracchi im Lauf der Jahre gefälscht hat, weiß er selbst nicht so genau. Schätzungen gehen von etwa 300 aus, aber verhandelt und verurteilt wurden 2011 nur 14 Gemälde.

Regisseur Arne Birkenstock („Sound of Heimat“) kam durch seinen Vater auf das Thema zu diesem Dokumentarfilm. Der war seinerzeit Beltracchis Strafverteidiger. Die Dreharbeiten wurden im offenen Vollzug erledigt und durch Familienfotos, Archivaufnahmen und Interviews mit irgendwie Beteiligten ergänzt. Während die großen Auktionshäuser zu keiner Stellungnahme bereit waren zeigt sich nur ein Sammlerehepaar, das einen Beltracchi erstanden hat vor der Kamera und nimmt es mit Humor.

Das Selbstverständnis eines Künstlers

Humor und vor allen erstaunlich großes Selbstbewusstsein beweist auch Wolfgang Beltracchi selbst. Von Reue ist da wenig zu spüren, stattdessen sitzt dem Genießer des Dolce Vita und zweifachen Familienvater der Schalk noch immer im Nacken. Gemalt habe er eigentlich nur, wenn das Geld mal wieder alle war, bemerkt er lapidar. Das ist durchaus sympathisch aber auch eine gewisse Selbstinszenierung, die alles andere als naiv ist.

Dem höchst unterhaltsamen Dokumentarfilm, der keine moralische Instanz sein will, konnte nichts Besseres passieren. Regisseur Arne Birkenstock lässt dem Mann den Raum den er einfordert. Wer sich kritischer mit den Fälschungen Beltracchis beschäftigen möchte, der sollte zu dem Sachbuch „Falsche Bilder, Echtes Geld“ von Stefan Koldehoff und Tobias Timm greifen, oder sich die TV-Doku „Der große Bluff“ von Anke Rebbert zu Gemüte führen. „Beltracchi – Die Kunst der Fälschung“ macht aus der Faszination des Phänomens Beltracchi keinen Hehl. Und regt gerade darum dazu an, sich selbst so seine Gedanken zu machen.

Mit „Beltracchi – Die Kunst der Fälschung“ ist Arne Birkenstock nicht nur ein extrem unterhaltsamer, sondern auch ein inhaltlich überzeugender und absolut sehenswerter Dokumentarfilm gelungen. Der Film zeigt auf erstaunlich anschauliche Weise die Mechanismen des Kunstmarktes und das Handwerk der Kunstfälschung.

Film-Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

Beltracci – Die Kunst der Fälschung
OT: Beltracchi – die Kunst der Fälschung
Genre: Doku, Kunst, Biografie
Länge: 93 Minuten, D, 2014
Regie: Arne Birkenstock
Mitwirkende: Wolfgang Beltracci, Henrick Hanstein, Helene Betracci
FSK: ab 6 Jahren
Vertrieb: Senator, Leonine
Kinostart: 06.03.2014
DVD-VÖ: 26.09.2014