Mit der britischen Retro-Krimiserie „Adam Dalgliesh – Scotland Yard“ bringt Edel Motion eine Serie von Umsetzungen klassischer Krimis von P.D. James auf DVD für das Home-Entertainment heraus. Zuvor waren die drei Kriminalfälle bei Sky Krimi im Pay-TV ausgestrahlt worden. Für Liebhaber englischer Krimis gibt es hier Einiges zu entdecken.
Diese Krimiserie ist schon seit ein paar Wochen auf dem Markt und die Vorstellung kommt nicht direkt zur Veröffentlichung. Dennoch hat „Adam Dalgliesh – Scotland Yard“ eine eigene Krimi-Unterhaltung in Serie zu bieten. Das kann schon durch einigen verregneten Sommertage oder auch stürmische Herbstwetter helfen. Bevor es an die Vorstellung der einzelnen Fälle der 2021 produzierten Serie geht, die von Acorn Media Entertainment realisiert wurde hierzulande bei Sky Krimi zu sehen war, kurz zu den Romanvorlagen von P.D. James und den früheren Verfilmungen. Wer direkt zur Sache kommen mag, möge die kommenden drei Absätze überspringen.
Die Dalgliesh-Romanreihe
Die englische Autorin P.D. (Philis Dorothy) James (1920-2014) arbeitete einige Zeit für das Innenministerium und hatte auch beruflich mit der Polizeiarbeit zu tun. Sie begann vergleichsweise spät damit Kriminalroman zu schreiben. Ihr bekanntester Held wurde der Polizist und Dichter Adam Dalgliesh. Der unnahbare Ermittler klärt bei Scotland Yard landesweit Kriminalfälle auf. 1962 erschien der erste Dalgliesh-Roman und hatte mäßigen Erfolg. Insgesamt schreib P.D. James 14 Dalgliesh-Krimis. Die deutschen Ausgaben erscheinen im Knaur-Verlag (Link unten).
Die Verfilmungen
Die in der Serie verfilmten Fälle gehören zu den früheren. Bereits in den 1980er Jahren begann Anglia Productions die Romane für das britische Fernsehen zu adaptieren. In der Rolle des schöngeistigen und verschlossenen Ermittlers verzückte seinerzeit Roy Marsden das Publikum. Es wurden etliche Bücher jeweils als Miniserien mit 6 oder mehr Folgen verfilmt. Später folgten dann kürzere Miniserien und auch spielfilmlange Dalgliesh-Fälle.
In den 2000er Jahren verfilmte die BBC erneut zwei Dalgliesh-Fälle in Spielfilmlänge. Dieses Mal mit Marin Shaw („George Gently“, „Die Profis“) in der Rolle des Polizisten. Meines Wissens ist wie seinerzeit „Inspector Morse“ keines dieser klassischen britischen TV-Krimi-Formate in Deutschland ausgestrahlt worden. Insofern ist Bertie Clavel der erste Kontakt der hiesigen Fernsehzuschauer:innen mit dem Polizeipoeten Dalgliesh. Also auf in die Mordaufklärung.
„Tod im weißen Häubchen“
In der Mitte der 1970er Jahre gilt Commander Adam Dalgliesh (Bertie Carvel) zwar als einer der besten Ermittler bei Scotland Yard, doch mit seiner unnahbaren Art macht er sich nicht nur Freunde. Dalgliesh wird in „Tod im weißen Häubchen“ (OT: „Death of a Nightingale“) zu einem ländlichen Schule für Krankenschwestern gerufen wird, in dem die Schülerinnen auch leben. Im internatsmäßigen „Nightingale House“ wurde eine Schülerin während eines praktischen medizinischen Tests qualvoll vergiftet.
Dalgliesh trifft hier erstmals auf seinen neuen Assistenten DS (Detective Sergeant) Masterson (Jeremy Irvine) und düpiert diesen gleich mit einem Rüffel aufmerksamer zu arbeiten. Denn Masterson ist ein junger Mann, der es nicht immer so genau nimmt und mehr Augen für die Krankenschwestern hat als für die Indizien und den Tatort.
Die Polizisten stoßen auf Ungereimtheiten. Beispielsweise war die Tote ursprünglich gar nicht für die Prüfung vorgesehen. Auch der zuständige Arzt, der auch an einem Krankenhaus arbeitet scheint nicht die ganze Wahrheit zu sagen. Während Masterson auf seine Art ermittelt, befragt Dalgliesh die Kolleginnen und die Lehrschwestern im Nightingale House.
„Tod im weißen Häubchen“ wurde 1971 als vierter Dalgliesh-Roman veröffentlicht und hat wie auch die anderen beiden Fälle bereits eine Serien-Adaption in den 80ern hinter sich. Es scheint aus heutiger Sicht ein wenig ausufernd, eine 300-400 seitige Buchvorlage derart ausführlich zu adaptieren, aber die Zeiten waren auch was Fernsehgewohnheiten angeht andere. Regisseurin Lisa Clarke schafft es aktuell jedenfalls mit viel Atmosphäre die Stimmung der 70er wieder aufleben zu lassen. Der erste Eindruck des unnahbaren Dichter-Polizisten bleibt im Gedächtnis. Der Fall selbst ist in seiner Konstruktion und auch in seiner Auflösung typisch für die Siebziger und für die britische Krimi-Tradition in der die Täter sehr lange unerkannt bleiben. (7/10)
Der schwarze Turm
Im zweiten Fall „Der schwarze Turm“ (OT: „The Black Tower“, 1975, 5.Fall) wird es für Dalgliesh persönlich. Eigentlich wollte er einen befreundeten Geistlichen und ehemaligen Mentor besuchen. Dieser hatte sich in ein beschauliches Sanatorium an der Küste von Dorset zurückgezogen. Doch als Dalgliesh ankommt, teilt ihm der Leiter, „Bruder“ Wilfred (Steven Macintosh), mit, dass Pater Michael verstorben ist.
Doch er ist nicht der einzige Todesfall in der kleinen Wohngemeinschaft. Kurz vor Dalglieshs Besuch hat sich ein weiterer Bewohner im Rollstuhl von der Steilküste gestürzt. Da außer dem Helfer Dennis niemand dabei war, ermittelt die einheimische Polizei auch nicht weiter. Dennis war nach eigener Aussage von dem granteligen Selbstmörder weggeschickt worden. Dalgliesh ist ebenso skeptisch wie die junge und ambitionierte Constable Kate Miskin (Carlyss Peer). Sie hilft dem Commander von Scotland Yard auch gegen den Befehl ihres Chefs.
Die Kulisse der sturmumtosten Turmruine und die Trostlosigkeit des heruntergekommenen Sanatoriums sind gute Gründe, warum „Der Schwarze Turm“ der stärkste Fall dieser ersten Staffel ist. Ein weiterer ist, dass der unnahbare Dalgliesh mit der jungen Straßenpolizistin eine ganz andere Zusammenarbeit entwickelt wie mit Masterson zuvor. Das ist deutlich gefälliger und bekommt eine eigene Dynamik. Die abgründige Story wird von den Regisseuren Andy und Ryan Tohill gekonnt eingefangen und Steven Macintosh sorgt für einen fabelhaften Hauptverdächtigen. (8/10)
Der Beigeschmack des Todes“
Abschließend bekommen es Dalgliesh und sein Team, das inzwischen aus Masterson und Miskin besteht, mit einem sehr seltsamen Todesfall in einer Kirche zu tun. In „Der Beigeschmack des Todes“ (OT: „A Taste For Death“, 1986, 7.Fall) Wird ein Abgeordneter mit aufgeschnittener Kehle in der Sakristei der Kriche gefunden. Gleich daneben ein Obdachloser. Alles deutet auf einen Mord hin, nach dem sich der Täter selbst ebenfalls umgebracht hat. Doch warum waren die beiden Männer überhaupt in der Kirche? Dalgliesh stellt Fragen, weil er eine andere Theorie verfolgt, und muss die Rivalität seiner beiden Mitarbeiter im Zaum halten.
Und dann ist der Junge, der zusammen mit der Haushälterin des Pastors die Toten gefunden hat, auf einmal verschwunden, ohne dass er ernsthaft befragt wurde. Die vertrackten Ermittlungen gestalten sich zäh und fordern den Ermittlern Geduld ab.
Nicht verwunderlich, das auch „Ein Beigeschmack des Todes“ bereits als Serie verfilmt wurde, aber die vertrackte Story weiß zu unterhalten und das ungewöhnliche Setting wurde von Regisseurin Lisa Clarke stimmig eingefangen. (7/10)
Bertie Carvel als Gentleman-Ermittler
Es gelingt der Serie „Adam Dalgliesh – Scotland Yard“ eindrucksvoll das damalige Zeitkolorit einzufangen. Wo beispielsweise „Der junge Inspektor Morse“ und auch „Grantchester“ in ihrer Erzählweise, Figurenzeichnung und Bildsprache eher modern angelegt sind, hält sich „Dalgliesh“ stark an den Tonfall der Romanvorlagen und bleibt so viel stärker in der Zeit verhaftet. Das mögen Zuschauer:innen als altbacken oder als stilsicher und klassisch empfinden. Ein bisschen von beidem findet sich in allen Folgen. Fans und solche die es werden wollen, dürfen sich auch auf eine Fortsetzung freuen. Staffel zwei ist in Arbeit.
Für deutsche Krimi-Zuschauer ist dieser Adam Dalgliesh eine hochinteressante Neuentdeckung, da die anderen Verfilmungen meines Wissens hierzulande nicht zu sehen waren. Die drei spielfilmlangen Fälle der ersten Staffel sind Klassiker aus der Dalgliesh-Reihe. Die Stories und auch die Szenerien sind originalgetreu in den 1970ern platziert und wurden nicht modernisiert. Das wirkt bisweilen etwas altbacken, weil auch die Erzählhaltung klassisch ist. Meisten allerdings weiß „Adam Dalgliesh – Scotland Yard“ sehr überzeugend zu unterhalten.
Serien-Wertung: (7 / 10)
Adam Dalgliesh – Scotland Yard – Staffel 1
OT: Dalgliesh -Season 1
Genre: TV-Serie, Krimi,
Länge: 272 Minuten( 6 episoden a 45 Minuten), GB, 2021
Idee: Emily Russel
Regie: Jill Robertson, Andy Ryan Tohill, Lisa Clarke
Darsteller:innen: Bertie Carvel, Jeremy Irvine, Carlyss Peer,
Vorlage: Krimi-Reihe von P.D. James
FSK: ab 16 Jahren
Vertireb: Edel Motion
DVD-VÖ: 20.05.2022