The City & The City: Grenzübertretungen

Das Auftauchen einer Leiche stürzt einen in hartgesottenen Cop in eine persönliche Krise und in ungewöhnliche und gefährliche Ermittlungen. Die britische Miniserie „The City & The City“ spielt gekonnt mit einer obskuren Atmosphäre. In der TV-Serien-Adaption des mehrfach preisgekrönten Science-Fiction-Bestsellers „Die Stadt und die Stadt“ von China Miéville liegen Licht und Schatten dennoch so nahe bei einander wie die Städte Besźel und Ul Qoma.

Inspector Tyador Borlú ist Polizist in der Stadt Besźel. Der routinierte Cop bewegt sich souverän durch seine seltsame Stadt, denn Besźel ist auf besondere Weise mit der Stadt Ul Qoma verbunden. Beide nehmen den selben Ort ein und die Städte sind verfeindet. Es gibt Gebiete, in denen sich die Städte überschneiden, und es gibt Zonen des Übergangs. Den Bewohnern ist es strikt untersagt, die andere Stadt wahrzunehmen. Von klein auf werden die Menschen getrimmt, wegzusehen, sobald sich ein Stück des anderen Ortes zeigt. Für Grenzverletzungen und damit zusammenhängende Gesetzesverstöße ist eine Geheimpolizei, die komplett undercover arbeitet, zuständig – „Ahndung“.

Als Borlú von der jungen und ambitionierten Polizistin Corwi (Mandeep Dhillon) zu einem Tatort abgeholt wird, kommen Erinnerungen hoch: Vor Jahren hat der Cop seine Frau Katrynia (Lara Pulver) auf mysteriöse Weise verloren. Nun erinnert ihn die Leiche einer jungen Frau an den Verlust. Offensichtlich ist die Frau ermordet worden, wurde aber in unmittelbarer Nähe der Stadtgrenze gefunden. Borlú geht davon aus, dass es sich um ein Grenzverbrechen handelt, welches ihm sowieso umgehend von der Geheimpolizei abgenommen wird.

Doch die Leiche hat die Grenze nicht „illegal“ überschritten, sondern wurde mit einem Transporter von Ul Qoma nach Beszél transportiert. Nun muss der Inspektor in der verfeindeten Stadt ermitteln und wird dort der ermittelnden Polizistin Detective Dhatt (Maria Schrader) zugewiesen. Es gibt einige Parallelen zwischen den Verschwinden von Borlús Frau und jenem der jungen Ermordeten. Beide Frauen forschten über eine sagenumwobene dritte Stadt, die zwischen Besźel und Ul Qoma liegen soll: Orciny.

Die Romanvorlage zu dieser Miniserie stammt von China Miéville, ist mit wichtigen Science-Fiction Literaturpreisen ausgezeichnet worden und liegt auch auf Deutsch vor. Der Clou bei diesem futuristischen Thriller ist eindeutig die vertrackte geografische Lage der beiden verfeindeten „Nachbar“-Städte. Deren Unterschiede in Kultur, Lifestyle und Entwicklungsstand bewirken die Faszination und den Charme des Szenarios. Die TV-Serie von Regisseur Tom Shankland („The Missing – Season 2“) inszeniert diese Dualität im Kontrast sozialistischer und kapitalistischer Länder vor dem Mauerfall und der Auflösung der weltpolitischen Blöcke.

Assoziationen zum geteilten Berlin oder zu dem noch immer geteilten Nord- und Südkorea werden wach, auch das bitter umkämpfte, in unterschiedliche Bereiche geteilte Jerusalem kommt einem in den Sinn, wenn es in der Serie um die Grenze zwischen den Städten geht.

Hautptfigur Borlú ist ein desillusionierter Veteran des Polizeidienstes in der lauten, wilden und eher armen Stadt Beszél, die ein Problem damit hat, dass Nationalisten an die Macht wollen. Die Namen und der gesamte Look, auch die Kleidung und die Autos wirken wie direkt aus dem Budapest der 1980 ausgebuddelt. Farbig ist der Moloch Beszél in erdigen Tönen gehalten. Dem gegenüber ist Ul Qoma eine technisch fortgeschrittene High-Tech Metropole mit klarer, moderner „Glas und Beton“ Architektur, sauberen Straßen, einem Rauchverbot und einer ziemlich rigorosen Einwanderungspolitik. Optisch ist hier alles in klaren Blautönen gehalten, angereichert mit knackigen Tönen von Rot.

Das Konzept und die Looks von „The Ctiy & The City“ sind stimmig und funktionieren, die Charaktere sind feinfühlig und mit entsprechender Tiefe angelegt und hervorragend besetzt. David Morrissey, dessen Kommissar auch gleich als Erzähler fungiert, spielt stark auf, ebenso die internationalen Ko-Stars wie Paprika Steen und Maria Schrader („Vergiss mein ich“).

Allerdings will in „The City & The City“ keine rechte Spannung aufkommen. Das liegt vor allem an zwei Aspekten, die die TV-Serien icht sehr überzeugend umsetzt. Am gravierendsten ist, dass der Einstieg in die Story nicht gelingt. Es dauert beinahe die erste Stunde, also die erste von vier Folgen, bis die Serie erklärt hat, wie in der Doppelstadt Besźel und Ul Qoma alles so läuft. Immer wieder Szenen in denen die andere Stadt (zu Beginn fast ausschließlich Ul Qoma) im Schleier der Unschärfe verschwindet, so dass man meint, hier wäre tatsächlich ein milchig-durchsichtiger Vorhang aufgehängt. Dazu die häppchenweisen, umständlichen Ausführungen von Borlú und das träge mäandernde Erzähltempo.

Ebenso gravierend wie die mangelnde Spannung ist der zweite Aspekt nicht überzeugende Aspekt: das Drehbuch. Das Script von Toni Grisoni („The Man Who Killed Don Quichote“, „Tideland“) ist voller mäßiger Dialoge, die weder scharfzüngig sind, noch die Handlung voranbringen oder die Charaktere erklären. Das kann man mysteriös und cool finden, muss man aber nicht.

Im Handlungsverlauf fühlt man sich ein wenig in eine Orwell’sche Überwachungsstadt versetzt, weiß, dass Big Brother zusieht. Und fragt sich, wann er denn eingreift? Dieses Spannungselement geht aber dann über den Jordan, als die Zuständigkeit der „Ahnung“ aufgrund des „legalen“ Grenzübertritts der Leiche abgelehnt wird. Doch auch dieses Motiv wird eher mit kriminalistischer Spurensuche als mit intensiver Spannung umgesetzt. So bleibt das mysteriöse Gefühl, einer Verschwörung auf der Spur zu sein.

Auf Seriendauer wird der Wechsel zwischen beiden Städten überstrapaziert, so als wären die Macher ganz besonders stolz darauf, unterschiedliche Looks gefunden zu haben. Diese sollte jedoch nur die Basis für eine gute Story sein. Regisseur Tom Shankland hat mit der Serie „The Fades – Tage des Grauens“ und auch mit „The Missing“ bereits bewiesen, dass er düstere Atmosphäre stimmig kreieren kann;bisweilen erinnerte der Look von Beszél auch an „The Fades“, doch auf Dauer ist das nicht genug, um aus dem Gros der Veröffentlichungen herauszustechen. Und doch gilt es ein VBerbrechen aufzuklären.

Die britische Mini-Serie „The City & The City“ zeigtevoraqb eine vielversprechende „Papierform“ und die gleichnamige Romanvorlage derart hochgelobt, das die ITV-Produktion den hohen Erwartungen kaum entsprechen kann. Dass die Umsetzung einiges schuldig bleibt, liegt nicht einmal an mangelndem Budget. Unterm Strich bleibt ein guter Mystery-Krimi in einem soliden Sci-Fi-Setting.

Serien-Wertung: 6 out of 10 stars (6 / 10)

The City & The City
OT: The City & The City
Genre: Science-Fiction, Thriller, Krimi, TV-Serie
Länge: 240 Minuten, (4 x 60 Min.), GB, 2018
Regie: Tom Shankland
Drehbuch: Toni Grisoni
Vorlage: Roman „Die Stadt und die Stadt“ von China Miéville
Darsteller: David Morrissey, Mandeep Dhillon, Maria Schrader, Lara Pulver,
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Pandastorm
DVD-VÖ: 07.02.2019