Bisher ist die Literatur auf diesen Seiten beinahe sträflich vernachlässigt worden. Die heutige Top 5 steht ganz im Zeichen des geschriebenen Wortes. Meine liebsten Bücher, in denen es im weitesten Sinne ums Reisen geht: fiktiv oder dokumentarisch, Zeitreisen und Reisen ins All, Expedition oder Entführung, Reisen ins Selbst oder zu den Menschen.
Wer jetzt meint, ich hätte es mir angesichts meiner Bestenliste zu einfach gemacht, dem sei gesagt, was alles in Erwägung gezogen wurde, um diese Top 5 zu ermitteln: Swifts „Gullivers Reisen“, „Leo Africanus“ von Amin Malouf, Stanislav Lems „Sterntagebücher“ ebenso wie die Fortsetzung „Lokaltermin“. Mark Twain kam mir kurz mit seinem „Bummel durch Europa“ in den Sinn, Melville ebenso wie Paul Theroux. Ibn Battutas „Reisen ans Ende der Welt“ war schon nah an der Top 5, auch wenn nur einige Episoden des Reiseberichts auf deutsch vorliegen. Gleiches gilt für Ursula LeGuins „Das Wort für Welt ist Wald“. Laurence Sterns „Empfindsame Reise…“ oder Goethes „Italienische Reise“?
Nun denn, genug. Hier sind sie also, meine schönsten und liebsten literarischen Ausflüge:
1. „Paperback Raita“ von Will Rhode
Josh kommt nur an sein Erbe, wenn er einen Bestseller schreibt. Dabei treibt er sich zur Zeit als Rucksack-Tourist in Indien rum und hat überhaupt keinen Bock zu schreiben; bis er sich auf die Suche nach einem mysteriösen Drogenbaron macht. Ein unglaublich witziges und unterhaltsames Buch, dass zwischenzeitlich auch mal auf deutsch beim Droemer/Knaur herausgekommen war.
Ich hab’s auf Englisch gelesen und mich nicht nur über die musikalischen Kapitelüberschriften köstlich amüsiert. Ein ungewöhnlicher Blick auf Indien.
2. „Traumpfade“ von Bruce Chatwin
„Songlines“, so der Originaltitel, ist und bleibt natürlich einer, wenn nicht der (!), Klassiker der Reiseliteratur. Chatwin auf den Spuren der australischen Aborigines. Nicht umsonst wird „Traumpfade“ als sein Hauptwerk angesehen, es gibt tiefe Einblicke in eine komplett andere Kultur, schweift traumwandlerisch ab und kehrt zurück. Eine kluge und unterhaltsame, einfach wunderbare Lesereise.
Das Buch ist inzwischen in etlichen Auflagen erschienen, deutsche Ausgabe bei Fischer. Wir sind alle Nomaden.
3. „Unterwegs“ von Jack Kerouac
„On the Road“ ist ebenfalls ein Klassiker. Halbwegs autobiographisch beschreibt Kerouac in seinem Roman seine Trips durch die USA der 1950er. Und doch ist „Unterwegs“ nicht halbwegs so spontan entstanden wie der Mythos und und die Prosa glauben machen. Kerouac hat das Buch, welches das Lebensgefühl der „Beat-Generation“ so auf den Punkt bringt, durchaus überarbeitet. Einige der unerreichten Highlights aus „Unterwegs“ sind die absolut begnadeten Musikschilderungen der Be-Bop-Konzerte. Selten habe ich etwas Treffenderes über Musik gelesen.
Hochaktuell ist bei Rowohlt unter dem Originaltitel „On the Road“ die Urfassung des Buches erschienen. Ansonsten tut’s aber auch die gelungene Neuübersetzung von Thomas Lindquist, Taschenbuch ebenfalls bei Rowohlt.
2. „Japan bis zum 30. Juni“ von Richard Brautigan
Ein kleiner, knapp 100 seitiger, Gedichtband (OT: „June 30th, June 30th“) enthält die Essenz des sechsmonatigen ersten Japan-Aufenthalts des amerikanischen Autors und Dichters Richard Brautigan. 1976 entstanden und kongenial von Günther Ohnemus übersetzt (wie alle Brautigans), aber weder auf Deutsch noch Englisch erhältlich. Seit einiger Zeit bringt der Kartaus-Verlag Brautigan hierzulande heraus, teilweise in Neuübersetzungen. Die Ohnemus-Übersetzungen sind zuvor bei Eichborn und Rororo erschienen und dort längst vergriffen.
Wenig Autoren treffen mich mit ihren Worten so wie Brautigan, der eigentlich nie über seinen Kultstatus hinausgekommen ist. Das muss was Kosmisches sein. „Japan bis zum 30. Juni“ ist nicht sein stärkstes Werk, aber eines meiner liebsten, nicht nur wegen des Erdbeer-Haikus.
Wer nun neugierig ist, dem kann geholfen werden: mit dem Internetarchiv Brautigan.net. Hier gibt’s neben massenhaften Infos auch die Originalgedichte zu lesen.
1. „Hokkaido Highway Blues“ von Will Ferguson
Der kandadische Autor Will Ferguson ist hierzulande kaum bekannt, kein Wunder, da es nur sein Werk „Glück“ (OT: „Happiness“) in übersetzter Form gibt. Eine sträfliche Unterlassung. Also müssen Leser mit dem Original vorlieb nehmen: „Hokkaido Highway Blues“ (neu und erweitert aufgelegt als „Hitching Rides with Buddha“) ist ein unglaubliches und einzigartiges Buch.
Ferguson war für zwei Jahre als Englischlehrer in Japan. Um das Land und die Leute besser kennen zu lernen, begibt er sich auf einem abenteuerlichen Trip. Er folgt der Kirschblüte (Sakura) von Süden nach Norden durch Japan. Als wäre das nicht schon genug, beschließt Ferguson auch noch zu trampen, eine Fortbewegungsart, die den Japanern komplett unbekannt ist. Herausgekommen ist ein grandioser Reisebericht und eine einzigartige (Innen-)Ansicht Japans. Mehr von und über Will Ferguson auf dessen Homepage. Falls das hier irgend ein Verleger liest: Da liegen Schätze brach!
Soviel zu meinen Top 5: Bücherreisen, die,was mich selbst erstaunt, relativ homogen sind und alle mehr oder minder zeitgenössisch. Viel Spaß beim Lesen.