Kommissar Wallander – Staffel 1: Verbrechen in Schonen

Der schwedische Kommissar Kurt Wallander entstammt der Feder des Schriftstellers Henning Mankell und hat sich eingereiht in die Riege unsterblicher Ermittler. In unseren Zeiten lassen Verfilmungen da nicht lange auf sich warten. Bei Wallander gibt es mehrere. Auch der Shakespeare-Darsteller Kenneth Branagh mimte den melancholischen Kommissar. Die erste Staffel der hochgelobten Krimi-Serie ist nun bei Edel Motion auf DVD für das klassische Home-Entertainment erschienen.

Bei der Serie „Kommissar Wallander“ mit Kenneth Branagh in der titelgebenden Hauptrolle handelt es sich um eine internationale Koproduktion unter britischer Federführung. In vier Staffeln mit jeweils drei spielfilmlangen Fällen werden im Prinzip alle Wallander-Romane, die Henning Mankell geschrieben hat, verfilmt. Die Wallander-Romane des 2015 verstorbenen Autors erschienen vor allem in den 1990er Jahren, mit Nachzüglern 2009 und 2013. Die TV-Serie wurde von 2009 bis 2016 gedreht. Die vorliegende erste Staffel beinhaltet drei jeweils abgeschlossene Roman-Verfilmungen, allerdings nicht in der chronologischen Reihenfolge der Literaturvorlagen.

Den Auftakt für Brannaghs Wallander macht „Die falsche Fährte“, der fünfte Roman der Reihe, anschließend ermittelt Brannagh in „Die Brandmauer“, dem achten Fall der Reihe, und schließlich in „Mittsommermord“, dem siebenten Fall der Wallander-Reihe. Soviel zu den harten, nerdigen Fakten. Also, zunächst rein in die einzelnen Filme, die jeweils weitgehend den Romanvorlagen entsprechen (bis auf die Anpassungen im Privatleben der Figuren, die nötig sind, wenn die Chronologie umgestellt wird).

Die falsche Fährte

In „Die falsche Fährte“ (OT: „Villospår“, englisch: „Sidetracked“) muss Kurt Wallander miterleben, wie sich eine verängstigte junge Frau in einem Rapsfeld selbst verbrennt. Während Wallander noch versucht, das Mädchen zu identifizieren, wird ein ehemaliger schwedischer Minister in seiner Villa erschlagen, kurz darauf geschieht ein weiterer Mord. Wallander und sein Team müssen einen Serienmörder schnappen, während Kurts Vater langsam dement wird.

„Die falsche Fährte“ ist einer der besten Wallander-Romane. Die Verfilmung kann oder will die konstante Hochspannung der Vorlage allerdings nicht auf den Bildschirm bringen. Das liegt auch daran, dass die Charaktere in der Serie erst einmal etabliert werden müssen. Auch ist der erste Eindruck des traurigen Kommissars nicht eben sehr ermutigend. Die Ermittlungsarbeit ist in der Folge solide und es kommt auch noch Spannung auf. Mit einigem zeitlichen Abstand noch einmal gesehen, sind es vor allem die zukünftigen Jungstars Nicolas Hoult („X-Men“) und Tom Hiddleston („Loki“ in den Marvel-Filmen), die überraschen. Hiddleston gehört als Magnus Martinson zu Wallanders Team. (5/10)

Die Brandmauer

In „Die Brandmauer“ (OT: „Brandvägg“, englisch: „Firewall“), geht es erneut mit einer verstörenden Gewalttat los. Zwei junge Mädchen haben einen Taxifahrer zu Tode geprügelt. Angeblich wegen einem bisschen Geld. Wallander kann sich darauf keinen Reim machen. Als eines der Mädchen flieht und kurz darauf tot aufgefunden wird, bekommen die Ermittlungen eine ganz neue Wendung.

„Die Brandmauer“ gilt als einer der vertracktesten und komplexesten Fälle der Wallander-Reihe und ausgerechnet hier beweist Kenneth Brannagh, was in seiner Figur steckt, wenn diese mal etwas aufdreht. Regisseur Niall MacCormick inszeniert einen packenden Thriller, der seine verschiedenen Spuren geschickt auslegt und die Spannungsschraube gekonnt anzieht. (7/10)

Mitsommermord

Im abschließenden dritten Fall darf Regisseur Philip Martin den „Mittsommermord“ (OT: „Steget Efter“, englisch: „One Step Behind“) in Szene setzen. Eine Gruppe junger Leute hat sich verkleidet im Wald getroffen, um Mittsommer zu feiern. Die jungen Leute werden ermordet. Ihr Verschwinden bleibt jedoch eine Weile unentdeckt, da die Polizei vermissten Volljährigen nicht ohne Grund nachspüren darf.

Kurt Wallander ist abgelenkt und verstört, da sein Kollege und Freund Svedberg ermordet wird. Kurt merkt, wie wenig er seinen „Freund“ kannte, dann mehren sich die Hinweise, dass Svedberg den Fall der Vermissten untersucht hat. Wallander kommen Zweifel. Auch dieser Fall haut mich nicht vom Hocker und bleibt deutlich hinter der erinnerten Lesespannung zurück.

Kenneth Branagh kommt wieder nicht aus der Wallander-Lethargie heraus und die Betroffenheit über den Freundestod zeigt sich nicht nur, aber auch in mangelnder Körperspannung. Die Ermittlungen sind zäh, vor allem da Zuschauer:innen längst wissen, dass die Kids ermordet wurden. (5/10)

Die anderen Wallander

Bei mir hinterlässt die erste Staffel der hochgelobten Krimi-Verfilmungen also keinen sonderlich starken Eindruck. Das wird relativiert, wenn ich verrate, dass das auch für fast alle anderen Verfilmungen von Henning Mankells Romanen gilt. Denn es gibt vorangegangene Wallander-Verfilmungen und Wallander-Inkarnationen.

Zunächst war da Rolf Lassgard („Jäger“) als Wallander am Werk, und zwar zeitlich relativ nah an den jeweiligen Romanveröffentlichungen. Die Verfilmungen für das schwedische Fernsehen kamen in der Reihenfolge der Romane zustande, aber manchmal als Mehrteiler, manchmal als Spielfilm. Nicht alle überzeugten auf ganzer Linie, vor allem weil Rolf Lassgard, Schwedens Krimi-Allzweckwaffe, doch immer Lassgard bleibt.

Später gab es eine weitere TV-Reihe, „Mankells Wallander“ betitelt, in der Krister Hendrikson, dem melancholischen Ermittler eine etwas andere Persönlichkeit verlieh. Die Serie beschränkt sich nicht auf nur auf die Romane, wohl aber immer auf Storyideen von Henning Mankell und beginnt mit „Vor dem Frost“. Momentan geht die TV-Serie „Der junge Kommissar Wallander“ in die zweite Staffel, vergleichbar mit „Der junge Inspektor Morse“ werden hier die Anfänge der Polizeikarriere des schwedischen Ermittlers ausgelotet. Jetzt aber endlich zu Kenneth Branagh als Kommissar Kurt Wallander.

Sisyphos in Ystad

„Wir müssen uns Sisyphos als glücklichen Menschen vorstellen.“, schrieb der französische Schriftsteller und Philosoph Albert Camus, und meinte damit wohl, dass die griechische Sagengestalt ihr Schicksal selbst in der Hand hat, somit wählen kann, den Fels den Hang hinauf zu wälzen, oder die unerfüllbare Strafe der Götter einfach zu ignorieren.

Ähnlich müssen sich Zuschauer:innen Kurt Wallander als einen Sisyphos vorstellen. Die Aufgabe, Mörder zu fangen, ist wie eine Gottesstrafe klar umrissen, es liegt an dem Polizisten, ob er sich abwendet, am Leben verzweifelt, oder die Ermittlung in die Hand nimmt. Autor Henning Mankell hat seinen Ermittler zu einem Einzelgänger gemacht, was soweit noch der Tradition des Hard Boiled Detective entsprechen mag. Doch Wallander ist auch ein alternder Wolf, von beinahe depressiver Traurigkeit, mit einer Melancholie, die an Weltekel grenzt und den eifrigen Kommissar immer wieder an seine Grenzen führt. Auch diese emotionale Verwundbarkeit hat zum großen Erfolg der Romane beigetragen.

Es ist keineswegs so, dass Henning Mankell den schwedischen Kriminalroman erfunden hat. Dieses Leistung gebührt dem Autorenpaar Sjöwall & Wahlöö, die Kommissar Beck und sein Team ins Leben riefen. Wohl aber hat Mankell mit seinen düsteren, abgründigen Wallander-Romanen das Genre des Nordic Noir zumindest entscheidend mitgeprägt.

Bei Kenneth Brannagh als „Wallander“ von Scandinavian Noir nicht mehr viel übrig. Es bleibt ein trauriger Polizist. Nicht dass die britisch geprägten Krimis der „Wallander“-Reihe nicht düster wären, aber eben auf andere, auf britische Art. Und auch der Kommissar selbst kommt erheblich ausgebrannt daher. Das ist sicherlich eine legitime Interpretation der Figur, aber sie deckt sich nicht mit der Art wie ich die Romane gelesen habe. Mir ist Branaghs Wallander vor allem in dem Auftaktfall viel zu abwesend, zu arbeitsunfähig und zu depressiv. Aber das mögen andere Zuschauer:innen anders bewerten.

„Kommissar Wallander“ ist kein Shakespeare Drama aber Charakterdarsteller Kenneth Branagh gelingt es immerhin seinem Kommissar eine eigene Note zu geben. Die drei spielfilmlangen Fälle nach Romanen von Henning Mankell sind unterschiedlich unterhaltsam. Krimi-Fans werden sicher ihre Unterhaltung daraus ziehen können.

Serien-Wertung: 5.5 out of 10 stars (5,5 / 10)

Kommissar Wallander Staffel 1
OT: Wallander Season 1
Genre: TV-Serie, Krimi, Thriller
Länge: 270 Minuten (3 x 90), GB/ S/D, 2009,
Regie: Philip Martin, Neill McCotrmick,
Vorlage: Romane von Henning Mankell
Darsteller: Kenneth Brannagh, Sarah Smart, Jeanie Spark, Tom Hiddleston
FSK: ab 16 Jahren
Vertrieb: Edel Motion, BBC , Yellow Bird, ARD Degeto
DVD-VÖ: 27.11.2020
(Auch als VoD erhältlich)