Total Thrash: Deutschlands wütende Jugend

Seit Jahren und Jahrzehnten erfreut sich Heavy Metal als Musikrichtung großer Beliebtheit. Das war nicht immer so und gerade in den Anfangsjahren war die jeweils örtliche Szene überschaubar und entsprechend eingeschworen. Die Musik-Doku „Total Thrash“ von Dokumentarfilmer Daniel Hofmann beleuchtet die deutsche Thrash-Metal-Szene, die den 1980ern stilprägend und einflussreich war und ihre Entwicklung über 40 Jahre. „Total Thrash“ ist vor allem Fanservice höchster Güte. Ein Film von Fans für Fans. Macht schon Laune.

So Meister, pandemiebedingt kommt die Rezi ohnehin zu spät, weil du krank in der Ecke hingst. Da kannste jetzt hier den Fan raus lassen, statt ne ernsthafte Filmkritik zu schreiben. Dann aber auch richtig und ehrlich. Und ehrlich ist auch, dass mir der deutsche Thrash in den Achzigern viel zu brutal und zu derbe war. Ich hatte es eher mit den Ami-Kapellen.

Ich könnte jetzt behaupten, dass mir da zuviel Marschmusik durchgeschimmert ist, stimmt aber eigentlich nicht. Mir war der Sound zu räudig und zu krass. Ist auch länger so geblieben, denn dann kam erst mal Grunge dazwischen. Ich konnte damals auch mit beispielsweise Venom oder auch mit Napalm Death nix anfangen, weil mir das Black Metal Gedöns zu bekloppt war und der Sound so schäbig.

Irgendwann hab ich das dann doch noch auf die Kette gekriegt. Habe Antennen entwickelt für diese superaggressive, „Voll auf die Fresse“-Musik. Das war vor allem ein Sound–Ding, das die teutonischen Thrasher von den amerikanischen und englischen unterschied. Konsequenter, reduzierter und wütender. Wenn du so willst kommt da mehr Arbeiterklasse durch als Mittelstandskindheit.

Arbeiterkinder ohne Freizeitangebot

Sagt auch Tom Angelripper, seines Zeichen Basser und Sänger bei Sodom. Das war damals Aufbruch, Freiheit, Rebellion um nicht in der Zeche malochen zu müssen. Ok, Ende der 1970er war im Ruhrpott Strukturwandel voll im Gange. Bergbau wurde abgewirtschaftet und hat viele Familien vor Probleme gestellt. Hat auch viele Jugendliche (vor allem männliche) vor kulturelle Einöde gestellt. Also ran an die Instrumente, spielen lernen, wütend sein, bis es einer hört.

Der Ruhrpott, wahlweise Altenessen gilt gemeinhin als Zellkern des deutschen Thrash Metal, weil da Bandmitglieder von Sodom und Kreator nebeneinander gewohnt haben. Aber das ist nur die halbe Geschichte. In Frankfurt haben Tankard in einer eigenständigen Szene eine eigene, lustigere Spielart des Thrash entwickelt und Destruction, eine weitere Ikone dieser Musik haben sich im Südbadischen Weil am Rhein entwickelt.

Irgendwann nimmt die Sache Fahrt auf und die Szene wächst zusammen. Auch, weil mit Harris Johns ein Produzent und Tontechniker in der Lage war, die Sounds im Berliner Hansa-Studio perfekt einzufangen. Da gab sich die Szene dann die Klinge in die Hand.

Die Jahre im Untergrund

In den Neunzigern taucht Grunge auf und es scheint, als hätten nicht nur klassischer Hard Rock und Heavy Metal ausgedient, sondern auch die anderen Extremarten harter Musik. Doch im Undergrund war die Szene nie tot, weswegen auch das sogenannte Revival Anfang der Nuller Jahre eigentlich keines war, sondern eher eine Manifestation, dass die thrashige Hydra ihre Köpfe wieder aus dem Schlamm reckt. Eine Tour-Package mit Kreator, Destruction und Sodom im Line-up steht den mainstream-populäreren „Big Four“ Metallica, Slayer, Anthrax und Megadeth an Einfluss und Legendenstatus in nichts nach.

Eine thrashige Zukunft

Aber die Doku schwelgt nicht nur in Nostalgie, sondern zeigt auch, dass Nachwuchs am Start ist und stolz darauf eine Tradition weiterzuführen. Regisseur Daniel Hofmann geht anders vor als beispielsweise Sam Dunn („Super Duper Alice Cooper“, „Metal Evolution“), der in seinen Dokus wie „Metal: A Headbangers Journey“ immer auch einen musikhistorischen Bildungsauftrag verfolgt. Näher ist da schon die ziemlich geile Doku „Anvil: Die Geschichte einer Freundschaft“ von Sasha Gervasi, der mal Anvil-Roadie war. Aber das führt jetzt alles zu weit.

Das Generationenübergreifendes Headbangen in „Total Thrash“ schlägt locker den Bogen in die Gegenwart und tatsächlich haben parallel zum Kinostart von „Total Thrash“ Kreator ihr aktuelles Album „Hate über alles“ veröffentlicht. Monate zuvor legten Destruction ihren neusten Longplayer „Diabolic“ vor und Sodom haben Ende 2020 mit „Genesis XIX“ bewiesen, dass sie es noch draufhaben. Die Szene lebt. Wer (außer den Metalheads selbst) hätte gedacht, dass ausgerechnet die derben Metaller solches Stehvermögen und solche Solidarität an den Tag legen. Das ist Handwerk, Tradition und harte Arbeit. Hingabe und Fanservice.

Für jüngere Fans mag es eine längst notwendige Reise in die Vergangenheit sein. Für mich sind das Jugenderinnerungen. Zurück zu den Wurzeln und dem damaligen Lebensgefühl der Szene. Das ist spätestens seit Wacken auch ein Ferienvergnügen für Lehrer geworden ist, definitiv verloren gegangen und kommt auch nicht wieder. Aber anstelle des Underground-Phänomens ist eine andere generationsübergreifende Verbundenheit und musikalische Solidarität getreten. Auch das zeigt die unterhaltsame und anekdotenreiche Doku mit der ehemaligen Speerspitze des Teutonic Thrash.

Film-Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10) + 1 Bonus für die gute Laune

Total Thrash – The Teutonic Story
OT: Total Thrash – The Teutonic Story
Genre: Doku, Musik,
Länge: 107 Minuten, D, 2022,
Regie: Daniel Hofmann
Mitwirkende: Sodom, Destruction, Kreator,
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Mindjazz Pictures
Kinostart: 09.06.2022

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