Die purpurnen Flüsse – Staffel 3: Schürfwunden der Vergangenheit

Die Thriller-Serie um den ruppigen Comissaire Niemans gehen in eine dritte Runde. Nach Ideen und Drehbüchern von Bestsellerautor Jean-Christophe Grangé gibt es auch in dieser Saison wieder vier abseitige Gewaltverbrechen, die den Ermittlern alles abfordern. Edel Motion bringt die dritte Staffel der beliebten ZDF Montagskino-Serie digital und für das klassische Heimkino auf den Markt.

Es mag ja sein, dass der genuine Thriller-Fan gut informiert ist, aber voraussetzen lässt sich das in einer Serien-Vorstellung nicht. Schließlich gibt es immer wieder Zuschauer:innen, die bestimmte Formate gerade für sich entdeckt haben. Also wer kein Intro braucht, kann die kommenden drei Absätze überspringen und direkt in das aktuelle Seriengeschehen von „Die purpurnen Flüsse“ Staffel 3 eintauchen.

Hintergründe und Entstehungsgeschichte

Die französisch-deutsch-belgisch koproduzierte TV-Serie „Die purpurnen Flüsse“ basiert auf einen Thriller des französischen Bestseller-Autors Jean-Christophe Grangé. Der Roman wurde seinerzeit (2004) mit Jean Reno und Vincent Cassel verfilmt. Grangé schrieb das Drehbuch selbst, hielt sich aber nur bedingt an seinen Roman. Später kam noch ein zweiter Kino-Film dazu. Der beruhte allerdings nicht auf einer Romanvorlage, sondern auf einem Original-Drehbuch von Grangé.

Im Jahr 2018 wurde dann die Serie mit Olivier Marchal als Commissaire Piere Niemans produziert. Bei brutstatt.de wurden sowohl Staffel 1 als auch Staffel 2 vorgestellt. Die Ideen und zum Teil auch die Drehbücher stammen wieder von Grangè, der auch ein Produzent der Serie ist. Aus einigen der Seriendrehbücher sind wiederum weitere Niemans Romane entstanden. Niemans wird in der Serie von seiner Mitarbeiterin Lieutenant Camille Delaunay (Erika Sainte) unterstützt. Die Ermittlungen der Sondereinheit des „Zentralbüros für Gewaltverbrechen“ kommen immer dann zum Zug, wenn es in Frankreich besonders verstörende Verbrechen gibt.

Das Serienformat ist insofern zuschauerfreundlich, als dass die jeweiligen Fälle – also spielfilmlangen
Ermittlungen – in sich abgeschlossen sind und die Charaktere auch ohne Einführung klar zu erkennen sind. Das französische Serienformat besteht aus rund 50minütigen Einzelfolgen, von denen immer zwei einen Fall ergeben. Hierzulande strahlt das ZDF die Fälle als Spielfilm im Montagskino aus, auf DVD und Blu-ray gibt’s acht einzelne Folgen statt vier Fälle.

Die aktuelle dritte Staffel

Nun also zu Staffel drei von “Die purpurnen Flüsse“. Insgesamt habe ich den Eindruck, dass die allerersten ersten Fälle der Serie schon stimmiger und nachvollziehbarer inszeniert wurden. Aber die finstere Optik und das morbide musikalische Konzept sorgen immer noch für erhebliche Gänsehaut. Dennoch geht in der Serie einige Spannung verloren, weil sie gar nicht erst aufkommt. Außerdem hält sich die deutsche Ausstrahlung nicht an die ursprüngliche Reihenfolge, was aber im Grunde unerheblich bleibt, aber die Staffeldynamik verändert.

„Die Pest“ (OT: Redemption“) wurde hierzulande als erstes ausgestrahlt, ist aber eigentlich der zweite Fall der dritten Saison. „Das Festival“ (OT: „XXY: Partie“) ist der dritte Fall der französischen Reihenfolge, im ZDF war es der zweite Fall. „Schwarzer Mond“ (OT: „Lune Noire“) ist der eigentliche Staffelauftakt und wurde hierzulande als dritter Fall ausgestrahlt. Der abschließende vierte Fall „Das jüngste Gericht“ (OT: Judgement dernier“) bildet in beiden Ausstrahlungen den Abschluss.

Die Pest (OT: „Rédemption“)

Zu Beginn der dritten Staffel, in „Die Pest“ (OT „Rédemption“), sind Niemans und Camille unterwegs zu einem alten Kollegen des Comissaires. Doch als sie bei dem Hobbyimker Arnauld Morillon eintreffen, steckt der tot inmitten seiner wimmelnden Honigbienen. Wie der Amtsarzt jedoch feststellt, ist Arnauld nicht an den Bienenstichen gestorben, sondern an der Beulenpest.

Die Pest gilt zwar längst als ausgerottet, aber es scheint, als hätte jemand mit Virenstämmen herumexperimentiert. Während Camille meint ein Pestarzt-artiges Schemen mit Vogelmaske gesehen zu haben, stirbt bereits ein weiterer von Niemans Ex-Kollegen. Hat es da jemand auf die gesamte Truppe von früher abgesehen? Ist der Comissaire gar selbst in Gefahr?

Der Fall ist vertrackt und erinnert wegen seiner Pest-Assoziation auch an einen Adamsberg-Krimi der Autorin Fred Vargas. Das Rätselraten nach dem Täter war für den Rezensenten schnell erledigt, wenngleich nicht klar war, wie die Zusammenhänge im Einzelnen verwoben sind. „Die Pest“ ist in einiger Hinsicht der stärkste Fall der Staffel. Regie von Virginie Sauveur, Drehbuch von Jean-Christophe Grangé. (7/10)

„Das Festival“ (OT: XXY: Partie“)

„Das Festival“ (OT: „XXY: Partie“) führt die Ermittler nach Belgien. Dort würden bei einem Kirchenbrand zwei zusammengenähte verbrannte Körper gefunden. Die Spur führt zu einer Gruppe von Neu-Heiden, die in der Gegend ein Festival abhalten. Deren Hochzeitsritual wird mit geflochtenen Bändern und einem symbolischen Stück genähter Haut begangen.

Bei den Neu-Heiden treffen Niemans und Calilla auch auf die örtliche Polizistin. Audrey (Lizzie Brocherie) ist ebenfalls eine ehemalige Schülerin von Niemans. Als die Polizisten herausbekommen, dass der Sektenanführer der verbannte Sohn der örtlichen Gerberei-Dynastie ist, tun sich andere Spuren auf als heidnische Rituale.

Niemans muss zelten, weil es in dem belgischen Kaff kein Hotel gibt und Camille fügt sich scheinbar recht naiv in die Kommune der Neu-Heiden. Auch und gerade, weil die Kollegin in solchem hippieartigen Milieu aufgewachsen ist. Doch in der Kommune brodelt es. Nicht alle sind von der Anwesenheit junger Hipster begeistert, die sich beim Luna Sad Festival trauen lassen wollen.

Das Setting ist einigermaßen schrullig und die gefundenen Leichen sind fotogen ekelig in Szene gesetzt. Die Ermittlung wiederum läuft ziemlich eigenwillig und nicht immer nachvollziehbar. Auch die Auflösung kommt an Ende eher abstrus daher. Regie Ivas Fegyveres, Drehbuch von Olivier Prieur. (6/10)

„Schwarzer Mond“ (OT: „Lune Noire“)

Eigentlich macht Camille gerade an der Opal-Küste Urlaub und genießt die raue Schönheit dieses Küstenstreifens des Ärmelkanals. Da verschwindet die schwangere Verlobte eines Urlaubsbekannten und Camille versucht zu helfen. Während die örtliche Polizei nichts unternimmt, stellt sich bei der rothaarigen Ermittlerin ein ungutes Bauchgefühl ein und sie bittet Niemans anzureisen.

Der erinnert sich nur mit zwiespältigen Gefühlen an den Ort seiner Kindheitsferien. Dann werden die beiden Zeugen eines tödlichen Unfalls mit einem Strandsegler. Am Zelt des Opfers finden sich aufgefädelte Kinderpuppen und Niemans und Camille übernehmen den Fall.

Diese zufällige Ermittlung, die eigentlich der Serienauftakt ist, setzt auch thematische Akzente für die dritte Staffel. Für Niemans wird es im Laufe der Staffel immer persönlicher und in drei der vier Fälle ist er persönlich betroffen, wenn nicht gar verwickelt. So auch hier, wo er auf eine alte Liebe trifft, die zum Kreis der Verdächtigen gehört.

Die Spuren und Indizien bei dieser Vermissung und dem Unfall wehen mal hierhin, mal dorthin; ganz wie der Seewind bläst. Das ist nicht ohne Reiz, aber an Thriller-Konstruktion nun auch keine hohe Schule. Regie Myriam Vinocur, Drehbuch Sylvie Simon. (6/10)

„Das jüngste Gericht“ (OT: Judgement dernier“)

Abschließend geht es für Commissaire Niemans ums Ganze. Er gerät selbst in Verdacht und muss beweisen, dass er nicht schon früher ein krummer Hund war. Ein ziemlich dringlicher, wenn nicht panischer Anruf erreicht Niemans im Auto. Marek Volsniac, Boss einer Gauner-Truppe mit Balkan-Connection, die Niemans vor Jahren in den Knast gebracht hat, bestellt den Commissaire ein!

In dem Gefängnis treibt sich ein Dämon um, der die Gang tötet und ihnen die Augen ausreißt. Als Niemans und Camille eintreffen, ist Marek schwer verwundet und wird ins künstliche Koma versetzt, einer seiner Leute ist brutal hingemetzelt worden.

Was zunächst nach knast-internem Bandenkrieg aussieht, entpuppt sich als perfider. Doch Camille kann ihre Arbeit nicht machen, weil ihr Vorgesetzter sich in Schweigen hüllt und sich selbst höchst verdächtig benimmt. Während der progressive Gefängnisdirektor um seinen Ruf und seine Lebensleistung bangt, haben die Wärter ihr eigenes Ding am Laufen.

So ruppig und ansatzlos hat das Publikum den ohnehin handfesten Kommissar noch nie gesehen. Camille ermittelt auf eigene Faust und nutzt dazu den persönlichen Draht zur deutschen Polizei. Deren Kommissar Kleinert (Ken Duken) ist gerne bereit zu helfen und freut sich auf ein Wiedersehen mit seiner Kollegin. Das Setting in dem verlassenen Provinzstädtchen, wo wegen des Gefängnisses sonst nichts mehr los ist, ist typisch für die Serie. Der Fall lebt von seiner Aufgeregtheit, weniger von seiner kriminalistischen Finesse. Regie Manuel Boursinhac, Drehbuch Thomas Mansui und Mattieu Leblanc. (6/10)

Bewährt schockierende Serien-Charakteristika

Abschließend bleibt nicht mehr zu sagen, als dass die Serie „Die purpurnen Flüsse“ ihre Trademarks systematisch ausbaut und vor allem auf sensationslüstern ausgestellte Schaurigkeiten abhebt. Das Ermittlerduo funktioniert und ist als Team stärker als der ruppige Niemans alleine. Gelegentlich scheint die Figur das auch zu realisieren, dann aber setzt der französische Bulle wieder zum Alleingang an und setzt auf archaische Druckmittel. Woanders wäre der Kollege längst rausgeflogen, aber der Erfolg gibt dem Commissaire immer wieder Recht.

Thrillerfans sollten wahrscheinlich auch mit der dritten Staffel des französischen Serienerfolgs „Die purpurnen Flüsse“ schaurig schön unterhalten werden. Ich gestehe, ich habe das dramaturgische Prinzip allmählich durchschaut und störe mich zunehmend an der ansatzlosen Inszenierung des menschgemachten Grauens. Die düstere Optik gefällt mal wieder. Doch es gibt vor allem oberflächliche Horror-Attraktion und bärbeißige Ermittler. Tiefenpsychologie ist Niemans Sache nicht.

Serien-Wertung: 6 out of 10 stars (6 / 10)

Die purpurnen Flüsse – Staffel 3
OT: Les rivières pourpres – Saison 3
Genre: Thriller, Krimi, TV-Serie
Länge: ca. 400 Minuten (8 x 50 Minuten), D/B/F, 2021
Idee: Jean-Christophe Grangé (auch literarische Vorlage & Drehbücher)
Regie: Virginie Sauveur, Myriam Vinocur, et al.
Darsteller: Olivier Marchal, Erika Sainte, Ken Duken
FSK: ab 16 Jahren,
Vertrieb: Edel Motion, ZDF Enterprises
Digital-VÖ: 03. & 10.05.2022
DVD- & BD-VÖ: 13.05.2022