Blood Drive –Staffel 1: Sprit ist alle

Absurderweise steckte der Charme ursprünglicher Grindhouse-Filme zum großen Teil in ihrer Billig-Produktion – und in den abseitigen Genre-Geschichten. Die Serie „Blood Drive“ stopft nun in einer ebenso blutigen wie rasanten Hommage an die garstigen B-Movies früherer Tage haufenweise abseitige Ideen in eine Serie, die sich um eine post-apokalyptisches Autorennen dreht. Vor einigen Wochen hat Justbridge Entertainment die erste und bislang einzige Staffel der Splatter-Horror-Serie auf DVD und Blu-ray für das Home-Entertainment veröffentlicht. Die 2018 bei Syfy ausgestrahlte Serie ist dabei auf Hochglanz poliert, weiß die Zuschauer aber trotzdem gehörig zu schleifen, also zu grinden. Ein Rennbericht:

Ein Autorennen auf Leben und Tod quer durch die USA, oder das was davon noch übrig ist. Wer bei den Etappen als letztes über die Ziellinie kommt, wird gekillt. Dem Gewinner winkt ewiger Ruhm, Reichtum und ein Ausweg aus dem Dreck der Existenz. Wir schreiben das Jahr 1999 und die Ölreserven der Welt sind zur Neige gegangen. Der Klimawandel hat die Gesellschaft zerstört und in Los Angeles wird die Polizei, die nun Contra-Crime Division heißt, von einem Konzern gesteuert.

Die Cops Christopher Carpenter (Thomas Dominique) und Arthur Bailey (Alan Richson) stoßen bei einer Straßenrazzia gegen Drogensüchtige auf Hinweise zu einem illegalen Straßenrennen. Arthur, der sich noch immer den Idealismus erhalten hat, die Gesellschaft zu retten, will auf eigene Faust das Rennen stoppen, gerät dabei aber ins Visier von Veranstalter Julian Slink (Colin Cunningham), der ihn prompt mit der attraktiven Grace D’Argento (Christina Ochoa) in eine Rennkarre steckt.

Blutiges Straßenrennen quer durchs Land

Auch Grace wollte eigentlich nicht teilnehmen, sie ist auf der Suche nach ihrer kleine Schwester Karma (Alex McGregor). Die wurde in eine psychiatrische Anstalt gesteckt und Slink weiß wo. Jetzt hängen Grace und Arthur mit implantierten, ferngesteuerten Bomben im Nacken an einander fest und müssen sich in einem Teilnehmerfeld ausgesuchter Psychopathen und Gewalttäter über Wasser halten. Weil es keinen Treibstoff gibt, fahren die Autos mit menschlichem Blut. Die Treibstoffbeschaffung ist also mit einigen Hindernissen verbunden; vor allem für Cop Arthur.

Dessen Partner Christopher kam zu spät um Arthur zu retten und ist der Hart Corporation in die Hände gefallen. Nun wird er von der Androidin Aki (Marama Corlett), die eigentlich als Lust-Roboter designt ist, verhört, medizinisch untersucht und cyborg-artig verbessert, um ein nützliches Mitglied der Hart Corporation zu werden.

Die Hart Corporation scheint auch im dem Blood Drive ihre Finger drinnen zu haben. Jedenfalls stolpert Arthur bei seinen investigativen Recherchen immer wieder über diesen Namen und stellt größere Zusammenhänge her. Doch viel Gelegenheit zur Aufklärung bietet sich während des Rennens nicht, da Grace und Arthur quasi ständig in Lebensgefahr schweben.

Hinter den Kulissen des Blood Drive hat dessen „Erfinder“ Julian Slink derweil ebenfalls Einiges auszustehen. Er will das Rennen, dass mit Kameras und Peilsendern aufgezeichnet wird, als Unterhaltungsformat an den Hart Konzern verkaufen. Dort wird der Blood Drive schon mal im Intranet gezeigt. Doch die Programmdirektoren haben durchaus Vorstellungen und Meinungen, die nicht mit denen des großen Impressarios, des Master of Ceremony, Julian Slink übereinstimmen und nötigen Slink erhebliche Geduld ab.

So unübersichtlich wie es bei der Vorstellung der unterschiedlichen Handlungsstränge von „Blood Drive“ scheint, ist die Serie absolut nicht. Stattdessen ist das Storytelling schnell und kommt auf den Punkt. Die Charaktere sind flugs etabliert und die Prämissen des Rennens sind ebenso klar wie variabel. Die die Erzählstränge um den Cop Christopher und die Medienkritik im Unterhaltungsformat muten in den ersten Folgen etwas überflüssig an.

Der mitgefangene Cop

Vor allem durch das wahnwitzige Tempo der ersten vier Episoden liegt der Schwerpunkt eindeutig auf dem Renngeschehen und als Zuschauer meint man, das würdeeigentlich ausreichen. Erst im Serienverlauf bekommen die anderen Handlungsebenen mehr Gewicht und aus dem postapokalyptischen Horror-Rennen wird eine wuchernde dystopische Vision, die in ihrer Wucht durchaus zu ungläubigem Staunen anregt.

Ok, um es mal klar zu sagen: der Splatterfaktor in „Blood Drive“ ist enorm hoch, die Verweigerung der Jugendfreigabe durchaus gerechtfertigt, aber wenn man, respektive frau, sich erst einmal an die „Fargo“-mäßig geschredderten Kunstleichen-Teile und die diversen opulent verschleuderten Körperflüssigkeiten gewöhnt hat, bleibt ein erstaunlich unterhaltsames, sehr solide gescriptetes Drehbuch, in dem alle Charaktere ihre Hintergründe und Mehrdeutigkeiten haben (man beachte allein die Namensgebungen), in dem die Action stimmt und wirklich jede Folge mit einer überraschenden Thematik aufwarten kann.

Mal macht der Rennzirkus halt an einem Zombie-Diner („Pixie Swallow“), mal werden Italo-Western zitiert („Fistful of Blood“), wenn es in Red Rock um einen Machtkampf mit dem diabolischen Sheriff geht, dann wieder geht es in ein „Horror-Krankenhaus“ (Kane Hill) oder in den Kampf mit Mutanten in der ehemaligen Autostadt Detroit (Steel City Nightfall“). Insgesamt ist das alles hinreißend originell – wenn mensch denn ein Faible für derbe Splatter-Orgien hat.

Das Setting von „Blood Drive“ ist mit Bedacht so gewählt, dass es auf das Ende des Jahrtausend hinzielt, denn die so genannten Grindhouse-Filme, die trashige B-Movies, die in den „Grindhouses“, den inhaltlich spezialisierten Kinos gezeigt wurden, hatten ihre Hochphase in den 1960er und 70er Jahren, das Jahr 2000 ist von dort aus ein perfektes Apokalypsedatum. Zudem müssen sich die Serienmacher und Autoren um Showrunner James Roland („The Purge“ – die Serie) nicht um allzu modernen technischen Schnickschnack kümmern, der den Spaß ruinieren würde.

Schwesterchens Rettungsversuch

Die Optik ist trotz aller HD-Fähigkeit ziemlich grell, die Farben sind übersteigert und mit Lichtreflexen verzerrt. Die Schnitte sind zum Teil abrupt, aber nur scheinbar willkürlich. Die Kostüme und Effekte wirken für eine TV-Serie erstaunlich hochwertig und detail-verliebt. Die Produktionsstandards machen „Blood Drive“ also ziemlich sehenswert. Und in dieses augenzwinkernde Horrorsetting fügen sich auch die Darsteller ein, die in ihren Rollen solide aufgehen. Während die toughe Grace ziemlichen Sex-Appeal verströmt, ist es der Posterboy-Cop Arthur, der mit seiner Naivität zum Objekt degradiert wird; vom Grace „liebevoll“ als Barbie verspottet.

Diese Art von Augenzwinkern, das Spielen mit Genre-Setzungen und Klischees findet sich in „Blood Drive“ auf ziemlich vielen Ebenen und in den meisten Aspekten wieder. Nicht alle wissen zu überzeugen, aber die grundsätzliche Richtung ist schon mal klar. Politisch korrekt will „Blood Drive“ ebensowenig sein wie mainstream-kompatibel. Allein die grelle Gewalttätigkeit, ein Genre-Stilmittel, wirkt auf viele Zuschauer zurecht abstoßend, daran haben auch die Kassenerfolge von Quentin Tarantinos und Roberto Rodriguez „Grindhouse-Doppel „Death Proof“ – Todsicher „ und „Planet Terror“ wenig geändert.

Die amerikanische Grindhouse-Serie „Blood Drive“ ist nichts für schwache Nerven und schwache Mägen. Hinter der ruppigen Fassade verbirgt sich – wie so oft im Genrefilm – erstaunlich konsequentes und erstaunlich komplexes Geschichtenerzählen. Bisweilen gibt’s mit dem Holzhammer, einiges ist hahnebüchen albern, etliches unheilsschwanger ernthaft und alles ist komplett überdreht und mit heiligem Ernst vorgetragen. Da kann der Fan auch über die Hochglanz-Produktion hinwegsehen.

Serien-Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

Blood Drive Staffel 1
OT: Blood Drive – Season 1
Länge: 610 Minuten (13 x ca. 45 Minuten), USA, 2017
Idee: James Roland
Regie: David Straiton, Meera Menon, Lin Oeding et al.
Darsteller: Christina Ochoa, Marama Corlett, Colin Cunningham, Thomas Dominique, Alan Richson,
FSK: ab 18 Jahren
Vertrieb: justbridge Entertainment
DVD- & BD-VÖ: 13.08.2020

Blood Drive bei justbridge entertainment

Episodenguide:

  1. Auf die Plätze – Fertig – Fuck (The F-cking Cop)
  2. Willkommen in Pixie Swallow (Welcome To Pixie Swallow)
  3. Dämmerung in Steel City (Steel City Nightfall)
  4. Der Wahnsinn von Kane Hill (In The Crimson Halls Of Kane Hill)
  5. Die Sex-Pest (The Fucking Dead)
  6. Wer bremst, verliert! (Booby Traps)
  7. Das Gentleman Agreement (The Gentleman’s Agreement)
  8. Für eine Handvoll Blut (A Fistful Of Blood)
  9. Das Chopsocky Spezial (The Chopsocky Special)
  10. Die Fata Morgana (Scar Tissue)
  11. Der neue Primo (Rise Of The Primo)
  12. Die Primo-Tribut-Zeremonie (Faces Of Blood Drive)
  13. Das Finale (Finish Line)