Am 13. August jährt sich der Beginn des Berliner Mauerbaus zum 50. Mal. Der antifaschistische Schutzwall konnte das sozialistische Ostdeutschland zwar nicht ewig schützen, hat aber das Leben in Berlin über Jahrzehnte entscheidend geprägt. Zusammen mit der Bundesstiftung für Aufarbeitung hat der öffentliche Sender RBB eine herausragende Dokureihe produziert.
Die Dokumentationsreihe „Mauerjahre“ beleuchtet in 30 Folgen das Leben Berlins, während die Stadt durch die innerdeutsche Grenze geteilt war. In Tagesschau-artigen 15 Minuten Sendungen wird jedes der Mauerjahre kurz und informativ zusammengefasst. Das umfangrieche Archivmaterial aus Ost- und Westdeutschland wird mit Interviews von Zeitzeugen angereichert, die heute die damaligen Geschehnisse kommentieren.
Die bunte Mischung aus politischen Themen, alltäglichem Leben, Boulevard, Weltgeschichte und Berliner „Spezialitäten“ ist kurzweilig und sehr interessant aufbereitet. Besonders das stetige Gegenüberstellen der gleichzeitigen Geschehnisse in Ost und West bringt neben dem direkten Vergleich auch eine unterhaltsame Verknüpfung von übergeordneten Zusammenhängen.
Die Macher der Dokumentationsreihe haben mit der Bundesstiftung Aufarbeitung Unmengen an Bildmaterial gesichtet und eine umsichtige und unterhaltsame Mischung gefunden, die es in diesen Jahres-Kalenderblättern immer wieder schafft, auch politisch Interessierten neue Infos zu vermitteln, ohne dabei den Unterhaltungsfaktor außen vor zu lassen. Kauziges wie das Westberliner Skivergnügen zu Beginn der sechziger Jahre wird weltpolitisch Bedeutsamem wie der Kuba-Krise zur Seite gestellt.
Erstaunlich und verwunderlich sind auch die parallelen Anstrengungen in Ost- und Westberlin, die häufig direkt aufeinander Bezug nehmen, ohne dass die jeweilige Bevölkerung das realisieren könnte. Besonders schön ist dies in den Vorbereitungen zur 750Jahr-Feier der Stadt Berlin 1987 zu beobachten, schon Jahre zuvor hatte der Aufrüstungswettbewerb „Unsere Stadt soll schöner werden als die andere Hälfte“ begonnen.
Als Bonusmaterial enthält die DVD-Box noch die 30minütige Original-Dokumentation „Berlin 21 Uhr 37 – Ein Tag vor dem 13. August 1961 in Berlin“. Gedreht aus westlicher Sicht, wird der Berliner Alltag und die einschneidenden Veränderungen durch das Schließen der Sektorengrenze zum Ostteil der Stadt nachgezeichnet. Inhaltlich ist das sehr interessant, wenngleich der Kommentar aus heutiger Sicht eher journalistisch skurril wirkt und sich zu mehr oder minder gelungenen verbalen Höchstleistungen aufschwingt. Parallel zur DVD-Box ist, ebenfalls unter dem Titel Mauerjahre, ein begleitender Bildband erschienen, der ebenfalls empfehlenswert ist.
Doch der größte Erkenntniswert der „Mauerjahre“ liegt nicht in der großen Politik oder den kauzigen Phänomenen sondern in der Schilderung und Gegenüberstellung des Alltags der Menschen. Machen wir uns nichts vor: Viele Deutsche haben nach wie vor wenig mehr als eine Ahnung wie sich das Leben auf der jeweils „anderen“ Seite des Eisernen Vorhangs angefühlt haben könnte.
Was in „Mauerjahre“ an lockerer Aufklärung und beiläufig erscheinender Information über die unterschiedlichen Lebensumstände in Ost- und Westberlin gezeigt wird, steht stellvertretend für die jeweiligen deutschen Staaten durch die letzten Jahrzehnte der DDR hindurch. Und die Dokureihe macht dieses tägliche Leben sehr anschaulich, greifbar und nachvollziehbar. Das sollte nachhaltig dazu beitragen, auch die letzten Mauerreste in den Köpfen auszuräumen.
Fazit: Die 30-teilige Dokureihe „Mauerjahre –Leben im geteilten Berlin“ glänzt mit inhaltlicher Vielfalt, großer inhaltlicher Kompetenz und erzählerischer Leichtigkeit und wird dem Leben im geteilten Berlin mehr als gerecht. Auch wenn es sich abgeschmackt anhört: „Mauerjahre“ gehört in jeden deutschen Haushalt.
Film-Wertung: (9 / 10)
Originaltitel: Mauerjahre
Vertrieb: Edel Germany GmbH
Genre: Dokumentation
Länge: 450 Minuten
FSK: ohne Altersbeschränkung
DVD-VÖ: 22.07.2011
Weiterführende Links:
RBB-Archiv zur Dokumentation