Die TV-Produktion „Ein Hauch von Amerika“ erzählt vom deutschen Leben nach dem zweiten Weltkrieg. Anfang der Fünfziger Jahre kommen amerikanische Truppen ins Land um im Kalten Krieg den Frieden zu verteidigen. Die Amis bringen nicht nur Aufschwung und Veränderung sondern auch Probleme. Natürlich darf in so einer Erzählung auch die Liebe nicht fehlen. In der ARD war „Ein Hauch von Amerika“ als TV-Event-Dreiteiler zu sehen, international wird „Little America“ als Mini-Serie vermarktet. Edel Motion bringt die großartig besetzte, etwas absehbare Geschichte nun für das klassische Home-Entertainment als DVD heraus.
Im rheinland-pfälzischen Kaltenbach stehen die Dinge in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg nicht gerade gut. Deutschland leidet noch unter den Kriegsfolgen und der wirtschaftliche Aufbau und die Versorgungslage der Bevölkerung sind immer noch ärmlich. Doch Kaltenbach ist Garnisonsstadt für die US-amerikanischen Truppen, die hier stationiert sind.
Für den Kleinbauern Kastner (Aljoscha Stadelmann) kommt es ziemlich dicke, als zuerst ein Panzer die ohnehin mickrige Kartoffelernte zerstört und der Bauer anschließend für den Bau eines Krankenhauses enteignet werden soll. Als Tochter Marie Kastner (Elsia Schlott) ihren aufbrausenden Vater in der US-Kaserne unterstützt, bietet ihr Garnisons-Chef Colonel McCoy (Phillippe Brenninkmeyer) einen Job als Hausmädchen an.
Armut und Arbeitslosigkeit bei den Kriegsverlierern
Im Haus des Colonels wird Marie von dessen deutschstämmiger Frau Amy (Julia Koschitz) gefördert. Derweil versucht sie die Avancen des afroamerikanischen Soldaten George Washington (Reomy D. Mpheo) abzuwehren. Doch der Panzerfahrer, der die Erne zerstörte, bleibt hartnäckig.
Maries Freundin Erika (Franziska Brandmeier), die Tochter des Bürgermeisters Strumm (Dietmar Bär), flirtet derweil ganz offen mit dem Dolmetscher des Colonels. Die Familie hofft noch immer, dass Sohn Siegfried (Jonas Nay), der mit Marie verlobt ist, aus Russland zurückkehrt. Der Baustoffhandel des Bürgermeisters floriert durch den geplanten Hospitalbau. Den wertkonservativen Deutschen ist es überhaupt nicht recht, dass ihre Tochter Erika sich in den Lokalen herumtreibt, in denen auch die amerikanischen Soldaten verkehren.
Dem Wirt (Samuel Finzi) sind alle Gäste gleichermaßen willkommen, sofern sie volljährig sind und sich alles im Rahmen der guten Sitten abspielt. Selbst wenn es den weißhäutigen Soldaten und den ehrenhaften Einheimischen nicht gefällt, dass hier auch an Farbige ausgeschenkt wird.
„Ami ist Ami. Die haben Knete, die wissen wie man feiert“. (Erika)
Das TV-Event „Ein Hauch von Amerika“ beginnt jede Folge mit dem Hinweis, oder neudeutsch „Disclaimer“: „Diese historische Miniserie enthält rassistische Sprache und andere Formen von Diskriminierung, welche die Lebenswirklichkeit zu Beginn der 1950er Jahre widerspiegeln und heute immer noch existieren.“
Nun möchte ich meinen, für eine Serie, die sich auch mit dem Thema Rassismus beschäftigt, sei das selbstverständlich. Doch es sagt schon einiges über unsere schnell aufgeregten Zeiten aus, dass der Hinweis notwendig ist. Aber wer darüber diskutiert, ob Mark Twains „Huckleberry Finn“ sprachlich um rassistische Schimpfwörter bereinigt werden sollte, ereifert sich wohl auch, wenn im Fernsehen „Nigger“ gesagt wird. Selbst wenn es der dargestellten Zeit entspricht.
Immerhin herrschte in den 1950er Jahren in vielen Bundestaaten der USA noch Rassentrennung. Gemischtrassige Beziehungen waren gesetzlich verboten. Ein farbiger Soldat, der sich für den Dienst in Übersee verpflichtet hatte, mag wohl gehofft haben, in der Truppe gleichberechtigt behandelt zu werden. In einem besiegten oder befreiten Land Vielleicht als Beschützer respektiert zu werden, statt in der Pfalz auf tief verwurzelte arische Vorurteile zu treffen.
Doch der anfängliche Hinweis sagt auch etwas aus über die Absicht der Serienmacher und Programmplaner: Hier soll wie bei ähnlichen Formaten wie „Der Club der Singenden Metzger“ oder „Der Palast“ ein möglichst breites Publikum angesprochen und mitgenommen werden. Das ist für ein hochwertig produziertes TV-Format mehr als nachvollziehbar. Daher menschelt es in alt bewährter Manier in „Ein Hauch von Amerika“ ordentlich. Im Zentrum der Erzählung steht eine sehr moderne, junge, emanzipierte Frau, die in kompliziere Freundschafts-und Liebesverhältnisse gerät. Das ist nicht ohne Klischees und Gemeinplätze, aber als Kernhandlung funktioniert die Konstellation.
Gesellschaftspanorama und Romanze
Dabei gelingt es den drei Drehbuchautoren Benjamin Breulich, Christoph Mathieu und Johannes Rother trefflich ein stimmiges Gesellschaftsbild aufzubauen. Dies kommt der damaligen Zeit in vielen Aspekten schon sehr nahe, selbst wenn Einiges plakativ oder vorhersehbar ist. Doch die Mini-Serie bildet die Konfliktlinien und gesellschaftlichen Zerwürfnisse schon gut ab. Das wirkt bisweilen zwar deutlich dörflicher als kleinstädtisch, weil jeder jeden kennt, aber das Prinzip der personellen und motivischen Verwebung funktioniert.
Selbstverständlich ist Bauerntochter Marie viel eher ein Kind unserer Zeit als der 50er Jahre, aber starke Frauen als gutes Beispiel und Rollen-Modell zu zeigen ist mehr als nur dem modernen Zeitgeist zu gefallen und eine brauchbare gesellschaftspolitische Haltung.
Interviews mit Cast und Crew sind als Bonusmaterial beigefügt und ein kurzes Featurette über Rassismus damals und heute. In der ARD gab es wie so häufig bei TV-Events noch eine 45minütige Doku. Diese belght und zeigt das Verhältnis von amerikanischen Soldaten und deutschen Fräuleins durch Zeitzeugen, Interviews und Hintergründe auf. Dieses Material hätte der DVD-Edition ebenfalls gut zu Gesicht gestanden, selbst wenn es kein dokumentarisches Highlight ist.
„Ein Hauch von Amerika“ besteht aus sechs 45minütigen Episoden. In der ARD wurde die Mini-Serie in drei spielfilmlangen Episoden ausgestrahlt, auf der DVD und im internationalen Vertrieb sind die sechs Einzelepisoden anwählbar. Das liegt schlicht an unterschiedlichen Sehgewohnheiten in anderen Ländern. Es hat aber auch Auswirkungen auf die Dramaturgie der Erzählung, die sich immer im 45minuten Takt auf einen dramatischen Höhe- oder Wendepunkt zu bewegt. Dabei stehen nicht nur Marie und ihr GI mit dem unoriginellen Namen George Washington im Zentrum. Zwar wird bisweilen über eine Fortsetzung spekuliert, aber die Programmverantwortlichen halten sich da eher bedeckt. Wahrscheinlich scheint mir das nicht. Im Grunde ist die Story nach diesen sechs Episoden auserzählt.
Optik, Schauwerte und Schauspieler:innen
Austattung, Drehorte und Kulissen sind hochwertig und sehenswert, doch die eigentliche Kraft der Mini-Serie liegt in der großartigen Besetzung. Bis in die kleineren Rollen ist „Ein Hauch von Amerika“ sehenswert besetzt: Egal ob die „Tatort“-Komissar:innen Anna Schudt und Dietmar Bär als reaktionäres Bürgermeister Ehepaar oder Samuel Finzi als nonchalanter Kneipier, der mit Godehard Giese auch noch einen bissigen Komiker einstellt.
Sei es Julia Koschitz als ambivalente, weil deutschstämmige amerikanische Offiziersgattin oder die offen rassistischen, weißen, amerikanischen Soldaten, stellvertretend sei Tim Kalkhof als fieser Sergeant Hoskins genannt. Sei es Jonas Nay als kriegstraumatisierte Rückkehrer Siegfried oder Franziska Brandmeier als lebenshungrige, aber naive Erika. Starke Perfomances allenthalben, die immer in der Lage das Thema ihrer Figuren eindrucksvoll zu transportieren.
Zwischen Elisa Schlott, die leidenschaftlich und packend agiert, und Reomy D. Mpheo gibt es eine kraftvolle, glaubwürdige Chemie. Die trägt auch durch die Untiefen der bisweilen arg absehbaren Liebesgeschichte, die am Ende dann doch überrascht. Dafür aber wird an anderer Stelle überdramatisiert.
Die deutsche Eventserie „Ein Hauch von Amerika“ nähert sich dem Thema Völkerverständigung in den Nachkriegsjahren bisweilen ein bisschen zu sehr über Gemeinplätze. Doch das Publikum sollte sich weder davon noch von der im Vordergrund stehenden Liebesgeschichte nicht täuschen lassen, hier werden etliche Themen der damaligen Zeit angeschnitten und sorgen für ein vielfältiges und buntes Lokal- und Zeitkolorit. Die großartigen Darsteller machen „Ein Hauch von Amerika“ sehenswert.
Serien-Wertung: (6 / 10)
Ein Hauch von Amerika
OT: Ein Hauch von Amerika
Genre: TV-Serie, Drama
Länge: 278 Minuten (+ 25 Min. Bonus), D, 2021
Regie: Dror Zahavi
Darsteller:innen: Elisa Schlott, Reomy D. Mpeho, Jonas Nay, Franziska Brandmeier,
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Edel Motion,
DVD-VÖ: 04.03.2022
Copyright der Filmstills by Edel Motion, FFP new Media GmbH, Fotos von Ben Knabe, außer Schud & Bär by Martin valentin Menke & Erika und Marie von Silviu Guiman