Der Club der singenden Metzger: …zum Städtele hinaus

Ein blutiger Broterwerb hindert den Menschen nicht daran, nach Schöngeistigem zu streben. So haben die schwäbischen Schlachter in dem TV-Mehrteiler „Der Club der singenden Metzger“ einen Gesangsverein gegründet, den der auswandernde Sohn gleich in die neue Heimat Amerika überträgt. Auf dem neuen Kontinent gibt‘s ja kaum gescheites Brot, geschweige denn eine gute Wurst. Constantin Film hat den launigen Mehrteiler nun als DVD für das Home Entertainment veröffentlicht.

Der junge Schlachtermeister Fidelis Waldvogel (Jonas Nay) kehrt aus dem Ersten Weltkrieg in sein schwäbisches Heimatdorf zurück und ist dort doch nicht mehr zuhause. Zwar freuen sich die Eltern über die Rückkehr, doch die wirtschaftliche Lage ist angespannt. Zudem bringt Fidelis noch einen weiteren Esser an den engen Familientisch. Die schwangere Eva (Leonie Benesch), bislang die Verlobte vom Fidelis gefallenem besten Freund, wird nun seine Frau. Das Paar sucht nach Möglichkeiten, denkt ans Auswandern und eines Tages macht sich Fidelis auf den Weg. Zunächst schifft er sich alleine in Hamburg ein, um in Übersee ein neues Heim aufzubauen.

Die junge Zirkusartistin Delphine (Aylin Tezel) bucht mit ihrem trunksüchtigen Vater dieselbe Passage. Nachdem der Suff des Vaters das ohnehin kaum lohnende Zirkusengagement zunehmend sabotiert, stiehlt Delphine die Tageseinnahmen, zwingt ihren Vater praktisch mit und macht sich auf die Socken.

Für die Artistin Delphine läuft es auch in Amerika nicht sonderlich gut. Vater und Tochter finden zusammen kein Engagement. So trifft sie auf den Indianer Cyprian, ebenfalls Artist und ohne Engagement. Die beiden jungen Leute tun sich zusammen und trainieren auf Cyprians armseliger Farm in North Dakota an einem Auftritt. Anschließend gehen Delphine und Cyprian auf Zirkustour während ihr Vater die Farm hütet.

„Wie ist die Welt so stille, und in der Dämmrung Hülle So traulich und so hold! Als eine stille Kammer, Wo ihr des Tages Jammer verschlafen und vergessen sollt.“ [Abendlied (Claudius, Brahms)]

Schlachtermeister Fidelis Waldvogel landet schließlich ebenfalls in einen verschlafenen Kaff im US-Bundestaat North Dakota, südlich der kanadischen Grenze. Sein Geld reichte nur für ein Ticket bis Argus. Schnell findet Fidelis eine Anstellung beim örtlichen Schlachter, der aus Polen stammt, macht sich dann selbständig und holt die Frau und die Tochter aus dem Schwabenland nach.

Es dauert eine Weile bis sich die beiden Auswanderer, deren Schicksal der TV-Mehrteiler „Der Club der singenden Metzger“ in dem Mittelpunkt stellt, sich tatsächlich auch treffen. Delphine und Fidelis brauchen den Zufall, um sich zu begegnen. Die Lebensentwürfe einer Artistin und eines Metzgermeisters sind zu unterschiedlich. Doch auch dann bleibt es bei einer flüchtigen Bekanntschaft als Fidelis durch das Umland von Argus tingelt, um Hausschlachtungen anzubieten. Mehr als das kurzes Aufblühen eines Heimatgefühls in der Fremde ist diese Begegnung kaum. Aber zielsicher verflechten sich die Lebenswege der beiden Auswanderer.

In ihrer Gesamtheit sind die annähern drei Stunden des Dramas recht unverbraucht und unterhaltsam. Dennoch machen einige Filmelemente den Genuss dieser Auswander-Saga zeitweise mühevoll. Die Romanvorlage dieser Geschichte stammt aus der Feder der amerikanischen Autorin Louise Erdrich und erschien im Original 2001. Das Buch wurde übersetzt und hierzulande in diversen Verlagen aufgelegt. Aktuell ist es im Aufbau Verlag erhältlich. Inwieweit sich das Drehbuch an die Vorlage hält, kann ich nicht beurteilen.

Regisseur Uli Edel („Der Baader Meinhof Komplex“, „Das Adlon“) ist ein ebenso ausgefuchster Filmhase wie die Drehbuchautorinnen Doris Dörrie („Kirschblüten“) und Ruth Stadler, die schon an einigen von Dörrie Regiearbeiten zusammen arbeiteten. Für Erzählerstimmen aus dem Off braucht es immer sehr gute filmische Gründe. In „Der Club der Singenden Metzer“ sind diese jedoch kaum nicht gegeben. Beide Hauptcharaktere, Fidelis und Delphine, wurden mit gelegentlichen Gedanken aus dem Off ausgestattet, die meistens doch nur zusammenfassen, was der Zuschauer ohnehin vorgespielt bekam.

Die Darsteller verstehen ihr Handwerk und bringen ihre Figuren ebenso überzeugend wie glaubhaft rüber. Aylin Tezel („Almanya“, „Tatort“ aus Dortmund) stattet Delphine mit eher leidgeplagter, negativer Weltsicht aus, während Jonas Nay („Deutschland ‚83“, „Wir sind jung. Wir sind stark“) seinen Fidelis (Lateinisch für zuverlässig, aufrichtig, gläubig) dem Namen entsprechend mit Optimismus, Naivität und Tatkraft auf das Leben loslässt. Wiederkehrende Kriegsneurosen setzen seinem Pragmatismus aber immer wieder Grenzen.

Da wird‘s dem Schlachter schon manchmal mulmig, wenn er kein Blut mehr sehen kann, weil’s ihn an die Schützengräben gemahnt.

Die nachgereiste Eva kann dieses stillen Leiden nur bedingt mildern. Leonie Benesch („Das weiße Band“) gibt der Figur eine einnehmende, zugewandte Fröhlichkeit mit, aber leicht haben es die Auswanderer in der Neuen Welt keinesfalls. Argus ist beileibe kein Sehnsuchtsort, sondern ein Kaff, das in dieser Geschichte so austauschbar wie plakativ ausgestattet ist. „Western von gestern“ lässt grüßen.

Es kommen eine Handvoll Argus-Bewohner ins Bild, weil sie der Geschichte dienlich sind. Bis auf den rüpelhaften Sheriff sind dies allesamt europäische Immigranten und zum großen Teil sangesfreudige Herren. Der Rest des Städtels bleibt anonym und statistenhaft. Das gibt dem Geschehen bisweilen etwas Kammerspielhaftes, das noch durch die soliden, aber nicht hervorragenden visuellen Effekte verstärkt wird.

Vor allem zu Beginn der drei Stunden „Metzgergesang“ setzen die Macher zu sehr darauf, Stimmung aufzubauen und Atmosphäre zu schaffen, damit die Zuschauer auch ja in der Epoche ankommen. Darüber lahmt die Handlung in der ersten Hälfte erheblich. In der zweiten Hälfte fügt sich dann aber alles zusammen. Das musikalische Konzept der Geschichte ist dabei schon fast wieder genial.

Mit altbekanntem und bewährtem germanischen Liedgut bewaffnet, erhält sich der Auswanderer ein Stück Heimat in der Fremde. Dabei verbreitet sich das deutsche Volkslied durch den Gesangsverein im den USA und zeigt damit genau den gegenläufigen Trend zu jenem Kulturimperialismus, mit dem die Amerikaner nach dem Zweiten Weltkrieg die Welt mit Kaugummi, Coca-Cola und Rock’n’Roll überrannten. Aber das ist vielleicht auch nur etwas überinterpretiert. Auf jeden Fall löst es zumindest für mich schräge Schauer aus, wenn Fidelis seiner bettlägerigen Frau „Horch was kommt von draußen rein“ trällert.

Das Auswanderer-Drama „Der Club der singenden Metzger“ hat zwar einige Gemeinplätze und Klischees aufzubieten, schafft es aber auch, eine unterhaltsame Geschichte zu erzählen. Die Story kommt bisweilen etwas naiv daher, bleibt damit aber auch fast familientauglich. Am Ende hätte es etwas weniger sein dürfen, aber auch ein Auswandererleben ist kein Wunschkonzert.

Serien-Wertung: 6 out of 10 stars (6 / 10)

Der Club Der singenden Metzger
Genre: Drama, TV-Serie
Länge: 178 Minuten, D, 2019
Regie: Uli Edel
Drehbuch: Doris Dörrie, Ruth Stadler
Romanvorlage: „The Master Butchers Singing Club“ vom Louise Erdrich
Darsteller: Jonas Nay, Leonie Benesch, Aylin Tezel,
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Constantin Film, Das Erste,
DVD-VÖ: 09.01.2020

„Club der singenden Metzger“ bei ARD

„Club der singenden Metzger“ bei Constantin Film