Swans – Where Does A Body End? – Wolken des Unwissens

Die Musik der Band Swans gilt heute gemeinhin als einflussreich für etliche Spielarten moderner und extremer Rockmusik. Live-Auftritten der Band sagte man immer schon nach, sie wären bewusstseinsverändern. So fehlten einem Musikkritiker des britischen New Music Express nach seinem ersten Swans Gig in London die Worte, um dieses Erlebnis zu beschreiben. Musik war schon immer eine höhere Form der Kommunikation. Im Fall der Swans ist ein Sound-Tornado ausdrücklich erwünscht. Die sehenswerte Musik-Doku „Swans – Where Does a Body End?“ widmet sich dem Schaffen dieser außergewöhnlichen Band.

Als Michael Gira seine Band Swans 1997 auflöste, geschah dies zu einem Zeitpunkt, an dem andere den Stern der New Yorker Band gerade aufgehen sahen und der Mainstream sich gerade für extremere musikalische Ausdrucksformen zu öffnen schien. Seit Beginn der 1980er Jahre hat sich der Künstler Gira im prekären Großstadtdschungel Gothams dem Konstruieren von Klangskulpturen verschrieben. Zunächst galten die Krachexperimente, bei denen es bisweilen gesundheitsgefährdend laut gewesen sein soll, musikalisch irgendwie als Spielart des Hardcore Punk.

An dieser Stelle Stop!

Es ist weder zielführend noch die Aufgabe einer Filmbesprechung auf diesen Seiten die Band-Bio der Swans herunterzubeten. Unter dem Text finden sich hilfreiche Links und, viel wichtiger: Die Musik-Doku „Swans – Where Does a Body End?“ erledigt genau diesen Job auf perfekte Art und Weise. Regisseur Marco Porsia, von Haus aus eher Editor, hat das Interview-, Foto- und Live-Material in liebevoller Kleinarbeit zu einem stimmigen Ganzen zusammengefügt. Zuschauer, denen die Band nun überhaupt nichts sagt, seien aber schon informiert, dass es um extreme Musik geht, die in der Doku auch ihren Raum und Sound einnimmt. Wer damit nichts anfangen kann, hat hier die Möglichkeit sich einen Zugang zu diesen Klangwelten zu erschaffen. Insofern: Aufgabe erfüllt, feiner Film.

Zurück zu den Krach-Experimenten:

Ähnlich wie hierzulande die Einstürzenden Neubauten ging es Michael Gira um das Erkunden musikalischer Strukturen jenseits des gängigen Musizierens schnöder Popmusik. Blixa Bargeld erzählt in der Doku vom ersten Gig der Swans in Berlin, bei dem er selbst als Barkeeper in dem Club arbeitete. Noch immer sieht er Michael Gira als „Reisekameraden auf einer seltsamen musikalischen Reise“ an. Die Unbeugsamkeit der musikalischen Visionen dieser beiden Herren sucht in ihrer Konsequenz durchaus ihresgleichen. Denn viel zu verdienen war und ist mit dieser Art experimentellen Lärms nicht. Und doch will der Mensch von seiner Kunst leben können.

„Ich sah Swans als Reinfall an“. (Michael Gira)

Heute, nach einer kommerziell erfolgreichen Dekade wiederbelebter „Swans“ mit von Kritikern hochgelobten Alben mag Gira diese Einschätzung nicht mehr haben. Freund und Weggefährte Thurston Moore, seines Zeichens Mitbegründer der Indie-Rock-Ikone Sonic Youth, war ohnehin immer von der Aufrichtigkeit und Wucht des musikalischen Ausdrucks überzeugt. Etliche Kritiker sehen im Swans-Schaffen eine Art archaische Metamusik. Ein anderer Weggefährte unterstellt Gira, seine radikale musikalische Vision in den Mainstream geschmuggelt zu haben.

Allein der Wikipedia-Beitrag zu Swans listet haufenweise Bands, Genres, Künstler auf, die von Giras Musik maßgeblich geprägt wurden. Dabei ließe sich das Swans Oevre auch noch wunderbar in diversen Phasen und Stilistiken einteilen. So auch aktuell, nachdem das aktuelle 2019 erschienenen Album „Leaving Meaning“ mit anderem Personal und nach dieser Musik-Doku entstand, auch weil Michael Gira das Gefühl hatte, Stillstand vermeiden zu müssen.

Die Doku von Regisseur und Haupt-Editor Marco Porsia fährt zudem einen Haufen mehr oder minder prominenter und wegbegleitender „Talking Heads“ auf, die Zeugnis geben von Entwicklung, Wesen und Einfluss der Swans Musik die hier in vielen wunderbaren Live-Ausschnitten dargeboten wird. Zugegebenermaßen ist das frühe Filmmaterial aus den 1980ern kaum leinwandtauglich, aber in diesen „Walls of Sound“ werden Bilder (auch im Film) unwichtig.

Später allerdings, nach der Wiederbelebung ab 2010, wird auch das Bildmaterial besser und deutlich wird auch, dass Michael Gira seine Bühnenbestimmung als schamanischer Zeremonienmeister (oder neudeutsch ausgedrückt MC aka Master of Ceremony) gefunden hat. Bis zum Ende der finalen Tour dieser Swans-Besetzung war der Song „Cloud of the Unkowing“ live auf 54 Minuten angewachsen (24 Minuten auf dem Album „The Glowing Man“, 2016). Seinen Titel bezieht der Song übrigens von der gleichnamigen anonymen mystischen Schrift aus dem Mittelalter in der eine Richtlinie für kontemplatives Beten vorgestellt wird.

Karen Lee Orzolek besser bekannt als Karen O, Sängerin der „Yeah Yeah Yeahs“ macht meinen Job viel besser als ich. Ihrem Zitat zu den Swans ist nichts hinzuzufügen. „It’s all about surrendering to the Sound. Why fight it? You can’t fight it!” Es geht nur darum, sich dem Klang auszuliefern. Warum dagegen ankämpfen? Man kann sich nicht wehren.“

Film-Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

Swans – Where Does a Body End
OT: Swans – Where Does a Body End
Genre: Music, Doku,
Länge: 121 Minuten, CDN, 2019
Regie: Marco Porsia
Mitwirkende: Michael Gira, Swans, Jenny Beth, Jarboe, Thurston Moore,
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Edition Salzgeber
Kinostart: 09.01.2020

Swans -Homepage

Wikipedia-Eintrag zu Swans (englisch)

offizielle Film-Homepage (englisch)