Umberto Eco – Eine Bibliothek der Welt: Die Zeichen der Menschen

Der italienische Schriftsteller und Sprachwissenschaftler Umberto Eco hat mal behauptet, er würde nur unwahre Bücher sammeln, einfach, weil sie viel schöner seien. Es verwundert nicht, dass der 2016 verstorbene Vielleser, der sich zeitlebens mit der Sprache beschäftigt hat eine irrwitzige Bibliothek angesammelt hat. „Eine Bibliothek der Welt“ entführt das geneigte Publikum in die Welt der Bücher und vor allem in die Gedanken Umberto Ecos. Einer der interessantesten Orte, der Gegenwart.

Umberto Eco unterscheidet nicht zwischen Unterhaltung und gehobener Literatur. Seit der Postmoderne wäre das obsolet und quasi unmöglich; zumindest nutzlos. Wo bitte soll denn Charlie Brown stehen? Wer so unvoreingenommen auch jungen Menschen geradezu empfiehlt, nicht immer nur Kanon-Literatur zu lesen, sondern sich auch von abenteuerlichen Geschichten und Fantasien packen zu lassen, muss überzeugt sein. Und dem Leben zugewandt.

Umberto Eco hat sich wissenschaftlich mit Semiotik beschäftigt. Was sich schlicht mit „Zeichentheorie“ übersetzen lässt, ist ein unglaublich komplexe sprachliche Grundlagenforschung. Kein Wunder, dass Umberto Eco ein Faible für diese Zeichen hatte, die geschriebene Sprache an sich. Der ausgewiesene Vielleser hat eine Bibliothek angesammelt, die mehr als 30.000 moderne Bücher umfasst und etwa 1200 antike Werke. Nach seinem Tod im Jahr 2016 sind die Bibliotheken an die Universitäten in Mailand und Bologna übergegangen.

„Stille ist in der Bibliothek Pflicht und Notwendigkeit.“

Der Dokumentarfilmer Davide Ferrario hat Umberto Eco noch zu Lebzeiten getroffen. Die Aufnahmen des Autors in der Doku stammen jedoch fast alle aus dem Archiv und von öffentlichen Auftritten des charismatischen, lebensklugen und gebildeten Autoren etlicher weltweiter Bestseller („Der Name der Rose“, „Der Friedhof in Prag“). Mit seinen literarischen Werken verfolgte Eco auch immer ein bestimmtes übergeordnetes Thema. So sagt er etwa, Dan Brown hätte zur Recherche die selben Bücher gelesen wie Eco für „Das Foucaultsche Pendel“; nur hätte Brown die Quellen ernst genommen. Während Eco Verschwörungstheorien und Paranoia an sich aufs Korn nimmt.

Und dennoch geht es in der Doku nicht um Umberto Eco, sondern um seine Bibliothek der Welt. Dazu kommen Mitarbeiter und Familienmitglieder von Eco zu Wort in ihrem ganz persönlichen Verhältnis zum Professor und der Buchsammlung. Der Regisseur besucht auch weltweit Bibliotheken als Orte der Stille, des Wissens und des Buches an sich. So entsteht ein Panorama angesammelten Wissens, das seit ewigen Zeiten aufwändig aber behutsam bewahrt und tradiert wird. Oder wie es Eco ausdrückte: Niemand weiß wie lange die Lesbarkeit einer Floppy Disc gegeben ist.

„Text, Paratext, Epitext, Peritext.“

Der Film ist in drei Kapitel und einen Epilog unterteilt, die jeweils mit einem ausgewählten Abschnitt aus Ecos Schriften beginnen, die von unterschiedlichen Personen vorgetragen werden. Die Kapitel sind „Erinnern“, „Erzählen“ und „Lügen“ betitelt und widmen sich bestimmten Aspekten der Büchersammlung.

Sicherlich ist „Umberto Eco –Die Bibliothek der Welt“ kein Film für ein breites Publikum und vermutlich hat nur derjenige Teil der Zuschauerschaft auch Freude am Film, der sich mit Büchern grundsätzlich anfreunden kann und mit der Sammelleidenschaft des lebhaften Professors. Dann aber entfacht „Die Bibliothek der Welt“ ein wahres Feuerwerk an Ideen, Informationen, Verknüpfungen und Lebensfreude wie es auch die großartigen Bücher Umberto Ecos tun.

Und dennoch bleibt die Erkenntnis, dass man zwar Proust auf einem E-Reader lesen kann, aber hinterher keine Gebrauchsspuren am Text zu finden sind. Keine Unterstreichungen, keine Eselsohren und keine Marmeladenflecken. Bei Eco sieht Leben und Lesen anders aus.

Die Doku „Umberto Eco: Die Bilbliothek der Welt“ ist kein Lobgesang auf das ansammeln von Wissen und das Bewahren von Kultur und Geschichte. Im Gegenteil hier lebt und atmet ein Wissensapparat den ein lustvoller Leser aus lauter Freude angesammelt hat. Das ist eigenwillig vorgestellt aber auf eine spezielle Weise trotz der kurzen Spielzeit höchst unterhaltsam. Wehmütig bemerkt das Publikum auch wieder, dass mit Umberto Eco einer der großen Universalgelehrten und Intellektuellen unserer Zeit verstorben ist. die Lücke ist erheblich.

Film-Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

Umberto Eco – Eine Bibliothek der Welt
OT: Umberto eco – la Bibliotheca del mondo
Genre: Doku, Sprache, Literatur, wissenschaft
Länge: 80 Minuten, I, 2022
Regie: Davide Ferrario
Mitwirkende: Umberto eco (Archiv), Paolo Giangrasso, Carlotta Eco,
FSK: ohne Altersbeschränkung, ab 0 Jahren
Vertrieb: Mindjazz Pictures
Kinostart: 21.03.2024

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