The Dressmaker: Haute Couture im Outback

szenenbild_2014_11_17TheDressmaker_vorschauEin bisschen erstaunt kann man angesichts der hochkarätigen Besetzung der romantischen australischen Komödie „The Dressmaker“ schon sein, dass der Film bei uns nicht in die Kinos gekommen ist. In einer feinen Rolle kehrt Hollywood-Star Kate Winslet für einen kleinen, fiesen Rachefeldzug aus der großen weiten Modewelt zurück in ihre miefige, australische Heimatstadt. „The Dressmaker“ nach dem Roman von Rosalie Ham hätte die große Leinwand nicht nur aufgrund der tollen Bilder verdient.

Still und allein kommt Myrtle, genannt Tilly, Dunnnage (Kate Winslet) am späten Abend in ihrer Heimatstadt Dungatar an, wie ein Revolverheld aus dem Wilden Westen. Das verschlafene Nest im australischen Outback mitten in den Fünfziger Jahren hat nicht viel zu bieten und die Dinge hier laufen seit je her so wie immer. Doch spätestens am nächsten Morgen, als Tilly bei ihrer garstigen und verwahrlosten Mutter Molly (Judy Davis) eingezogen ist und vor dem Haus auf dem Hügel Golf-Abschläge in Richtung Stadt übt, weiß bald jede, dass das teuflische Kind von einst zurück ist.

szenenbild_2014_11_11TheDressmaker_1166Als Zehnjährige soll Tilly nämlich einen Mitschüler umgebracht haben. So zumindest hat es die Lehrerin seinerzeit ausgesagt und die Kleinstadtgemeinschaft war gerne bereit, zu glauben, dass die Tochter der Hure auf Hügel zu so etwas fähig war. Außerdem war das Opfer der Sohn des Bürgermeisters, der dann auch schnell dafür sorgte, dass Tilly in ein Erziehungsheim fortgeschickt wurde.

Ein traumatisches Erlebnis, das Tilly immer noch umtreibt, selbst wenn diese inzwischen zur eleganten Dame gereift ist und als Schneiderin in London und Paris eine Karriere gemacht hat. Aber nicht jeder ist entsetzt, dass Tilly wieder zuhause ist, Teddy McSweeny (Liam Hemsworth), der örtliche Rugbystar und selbst als Sohn von Zigeunern ein Außenseiter würde gerne mal mit Tilly ausgehen. Und auch ihre Mutter Molly scheint sich so langsam an den Gedanken zu gewöhnen, dass ihre Tochter wieder da ist.

szenenbild_2014_11_12TheDressmaker_0635-aMit ihrem Debutroman „The Dressmaker“, der 2000 erschien und auch unter dem Titel „Doie Schneiderin“ bei Goldmann aufgelegt wurde“  hatte die australische Autorin Rosalie Ham ziemlich großen Erfolg. Nun hat sich Regisseurin Jocelyn Moorehouse („ein amerikanischer Quilt“, „Tausend Morgen“), um die es lange still war, der Geschichte angenommen und zaubert einen Laufsteg in die staubige australische Wüste. Die farbenprächtige, internationale Mode, die Tilly in die Kleinstadt bringt, kommt bei der hiesigen Weiblichkeit gut an  und sorgt bald dafür, dass hiereiniges nicht mehr seinen gewohnten, gemächlichen Gang geht.

Mittendrin versucht Tilly, die sich an das traumatische Ereignis ihrer Kindheit selbst nicht mehr erinnern kann, herauszufinden, was damals geschehen ist. Unterstützung bekommt sie dabei vom örtlichen Polizisten Farrat (Hugo Weaving), dessen sein heimliches Faible für Frauenkleider durch Tillys Kreationen auf ungeahnte Weise befeuert wird. Die Rückblenden sind farblich etwas düsterer gehalten, während ansonsten die knalligen Farben der Kleider die staubige Ödnis aufs Schönste kontrastieren.

Die Story selbst hat einige ungeahnte Wendungen zu bieten, zeugt zum Teil von sehr schwarzem Humor und kann sich ganz auf die sehr gut geschriebenen und vor allen trefflich besetzten Charaktere verlassen. Dieses kleinstädtische Panorama ist ziemlich großes Kino und immer wieder sorgt gerade Judy Davis in der Rolle der zynischen Mutter für großartige Sprüche.

szenenbild_2014_11_24TheDressmaker_1803So ein bisschen hapert es bei allen Qualitäten von „The Dressmaker“ dann aber doch an den Feinheiten. Obwohl Tilly und Teddy Schulkameraden sein sollen, ist der Altersunterschied zwischen Kate Winslet und Liam Hemsworth doch sichtbar und so richtig plausibel geht auch die Aufarbeitung der Vergangenheit nicht von statten. Auch bleibt die vom Bürgermeister rekrutierte Konkurrenz-Schneiderin erheblich blasser als man von einem satten Rachedrama erwarten sollte. Aber letztlich ist die Mischung aus Kleinstadtdrama und persönlicher Geschichte eine runde Sache.
Als Bonusmaterial gibt es auf der Blu-ray ausführliche Interviews mit Cast und Crew und drei kurze Featurettes, die wohl als TV- oder Kinoteaser gedacht waren, aber einen Blick hinter die Kulissen ermöglichen. Die deutsche Synchronversion ist ebenfalls sehr gelungen und für die Stars wurden ihre gewohnten Leihstimen gecastet. Und wie schon erwähnt, ist die prominente Besetzung schon allein sehenswert.

Wer sich auf das überkandidelte Laufsteg-Drama in der australischen Wüste einlassen mag, wird mit tollen Frauenrollen und einer guten Story voller Herzschmerz und Humor belohnt. Die Mischung aus Romanze, Resentiment und Rache hat es in sich und sieht auch noch gut aus.

Film-Wertung:7 out of 10 stars (7 / 10)

cover_thedressmaker_blurayThe Dressmaker
OT: The Dressmaker
Genre: Komödie, Romanze
Länge: 119 Min., AUS, 2015
Regie: Jocelyn Moorhouse
Darsteller: Kate Winslet, Liam Hemsworth, Hugo Weaving, Sarah Snook, Judy Davis
Extras: Originaltrailer, Featurettes (3 x), Interviews Cast & Crew (12 x), B-Roll, Trailershow
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Ascot Elite
DVD- & BD-VÖ: 29.04.2016