Die romantische Komödie „Küss mich, Mistkerl“ (OT: „The Hating Game“) nach dem gleichnamigen Bestseller von Sally Thorne funktioniert nach dem alten Spruch: „Was sich neckt, das liebt sich“. Weil sich die Romanze im Arbeitsleben abspielt, bleibt fraglich, ob das grenzwertige Verhalten der Kolleg:innen nicht eher zu ernsthafteren Konsequenzen führen würde als zu einem Wettbewerb um einen besseren Posten. Aber wer will bei Romanzen schon Realismus?
Nach der Fusion zweier New Yorker Verlage prallen nicht nur unterschiedliche Betriebskulturen aufeinander, sondern Lucy (Lucy Hale) und Josh (Austin Stowell) müssen sich auch noch einen Büroraum teilen. Beide waren bislang quasi die rechte Hand der Chef:innen, und nun gelingt es den beiden nicht miteinander zu arbeiten.
Lucy entwickelt einen regelrechten Hass auf den smarten Kollegen, und als die Chefs beschließen, dass zukünftig eine neu geschaffene Manager-Stelle die Verlagsgeschicke besser vereinen soll, konkurrieren auch Lucy und Josh um den Job. Die Verlierer:in muss gehen, so die Abmachung. Doch dann träumt Lucy von Josh und aus tiefer Abneigung wird Anziehung. So einfach lassen sich die Liebe und Arbeit allerdings nicht vereinen, Misstrauen und Konkurrenz werfen das Verhältnis der Beiden immer wieder zurück.
Hass und Liebe im Büro
Es ist ein Gemeinplatz, dass neben Ausbildung und dem Freundeskreis der Job die dritte große Partnervermittlung im Leben der Menschen ist. So jedenfalls äußern sich Psychologen immer wieder. In Deutschland ist beinahe jede:r Zweite schon einmal mit einem/r Kolleg:in ausgegangen. So ganz unrealistisch ist es also nicht, die Liebe am Arbeitsplatz als Grundlage einer romantischen Komödie zu machen.
„Küss mich, Mistkerl“ lässt dabei allerdings kaum eine Gelegenheit aus Stereotype und geschlechtsspezifische Klischees zu präsentieren, die als Grundlage für Charme, Witz und Romantik kaum funktionieren und sehr vordergründig wirken. Zuschauer:innen mögen das Agieren von Lucy und ihrem Gegenspieler Josh unterhaltsam und leichtfüßig finden, aber es fehlt eine gewisse Ernsthaftigkeit, die den emotionalen Wechselbädern und den romantischen Verwerfungen ihre Tiefe verleihen würde.
Das mag nun nicht allein dem Drehbuch und der filmischen Inszenierung geschuldet sein, weil es sich um eine „Bestseller“-Verfilmung handelt. Die gleichnamige Romanvorlage von Autorin Sally Thorne ist 2016 auch in deutscher Übersetzung erschienen. Ungelesen drängt sich mir die Vermutung auf, dass es bereits an der Vorlage hapert, die für eine eher junge, weibliche Zielgruppe geschrieben scheint.
Schematische RomCom
Verwirrend an der Romanze, die aus Lucys Perspektive erzählt wird, ist, dass beide scheinbar kein Sozialleben haben. Lucy und Josh verbringen sowohl Thanksgiving als auch die Weihnachtsfeiertage alleine zu Hause.
Den irritierenden Reiz des Verlagswesens habe ich in anderem Romanzenzusammenhang („The Dating List“) bereits erwähnt, das Durchexerzieren von beinahe klassischen Romanzen-Situationen in „Küss mich, Mistkerl“ ist ebenfalls verwirrend. Angefangen von der beruflichen Konkurrenz, über das Paintball-Teambuilding-Seminar, über die diversen Szenen weiblicher Peinlichkeit und Scham bis hin zur widerwilligen Begleitung zur Familienfeier hat das Publikum das alles schon gesehen – und besser inszeniert gesehen.
Wichtig für das Funktionieren einer RomCom, einer romantischen Komödie, ist und bleibt auch immer die Chemie zwischen den beiden Hauptdarsteller:innen und die „Pretty Little Liars“-Berühmtheit Lucy Hale und der „Fantasy Island“-Charmeur Austin Stowell passen durchaus zusammen. Allein, sie sind zu schön für die Rollen und als Akademiker eigentlich zu smart für das kindische Verhalten am Arbeitsplatz. Doch die überspitzte Emotionalität ist wenig mehr als Behauptung. Hass auf den Erzfeind steht territorial denkenden alten Männern zu, aber nicht leitenden Angestellten im Verlagswesen.
Ausgerechnet eine der wenigen Szenen, die Leidenschaft entwickelt, wird indirekt in der Rückschau erzählt; nämlich jene, in der im Streit Backwaren als Satzzeichen herhalten müssen. Doch der Film nimmt sich sofort wieder zurück und bliebt in der betulichen Betrachtung stecken.
Klischeehafte Bipolarität
Die klischeehafte Bipolarität zieht sich konzeptionell durch die Verlagsfusion, hier die Frauen mit Hang zur Literatur, die Chefin mit Yoga-Matte und die Mitarbeiter:innen eher schludrig und nerdig. Dem gegenüber steht der Männerverlag mit Sportthemen, Starbiografien und einer „Sex sells“-Marketing Masche, der Boss ein ignoranter Golfspieler, die Mitarbeiter Gym-gestählt aber hohlköpfig. Es verwundert nicht, dass nicht alle Vorurteile sich bewahrheiten, wenn Lucy und Josh sich näherkommen.
Vor allem fehlt das erotisches Knistern in dieser Romanze. Die Beziehungsanbahnung geschieht eher auf Kindergartenniveau und immer wieder mit Missverständnissen, die sich ausräumen ließen, wenn die Beiden miteinander reden würden statt auf der Stelle reflexhaft zu agieren. Letztlich lässt sich schon fragen, welche Art von Beziehungsideal und Gesellschaftsbild in „Küss mich, Mistkerl“ den vermittelt werden soll. Inklusive Schlumpfblog und Weihnachtspullover. Modern und diverse geht sicherlich anders.
Die romantische Komödie „Küss mich, Mistkerl“ vermittelt ein ziemlich altbackenes Romanzen und Komödienverständnis. Die Vorhersehbarkeit der Romanze am Arbeitsplatz ist dabei noch das geringste Problem der Bestsellerverfilmung nach Sally Thornes gleichnamigem Roman.
Film-Wertung: (4 / 10)
Küss mich, Mistkerl
OT The Hating Game
Genre: Romanze, Komödie
Länge: 102 Minuten, USA, 2021
Regie: Peter Hutchings
Vorlage: Gleichnamiger Roman von Sally Thorne
Darsteller:innen: Lucy Hale, Austin Stowell
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Square One
Kinostart: 10.03.2022