Ernst Thälmann: Antifaschisten im roten Wedding

Das Leben des Hamburger Kommunisten Ernst Thälmann ist in der DDR zwei Mal als Fernsehproduktion verfilmt worden. Die zweiteilige TV-Biografie von 1986 erscheint nun bei Studio Hamburg Enterprises als Wiederauflage der DVD-Veröffentlichung des DDR TV-Archiv. Die aufwändige Verfilmung stützt sich vor allem auf die letzten politisch aktiven Jahre Thälmanns als Antifaschist. Allerdings ist die Produktion auch in die Jahre gekommen.

Im Jahr 1929 greift die Berliner Polizei bei den traditionellen Arbeiter-Demonstrationen zum 1. Mai, dem internationalen Tag der Arbeit, hart durch. Es kommt zur blutigen Zerschlagung der Versammlungen und Märsche. Die Demonstrierenden wollen mit bewaffneten Widerstand reagieren, doch der KPD-Vorsitzenden und Arbeiterführer Ernst Thälmann (Hellmuth Schellhardt) argumentiert massiv dagegen und kann die Genossen überzeugen nicht zur Gewalt zu greifen. „Die revolutionäre Situation sei noch nicht gekommen.“

Teil 1: 1929-30

Der junge Arbeiter Willi (Peer-Uwe Teska) wird bei anschließenden Agitationsauftritten der Jugendgruppe „Das rote Sprachrohr“ auf die engagierte Hannelore (Janina Hartwig) aufmerksam. Bei einem späteren Auftritt der Gruppe in einem Biergarten kommt es zu einem Handgemenge zwischen Nazis und Kommunisten, bei dem sich Hannelore und Willi später näher kennen lernen.

In den folgenden Monaten verschiebt sich die politische Stimmung in der Weimarer Republik immer deutlicher zugunsten der sehr erfolgreichen Nationalsozialistischen Arbeiterpartei (NSDAP). Zudem werden die Differenzen zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten immer offensichtlicher. Deren Parteigenosse Zörrgiebel war als Minister schließlich verantwortlich für den Polizeieinsatz am ersten Mai.

Auf dem Parteitag der Kommunistischen Partei Deutschlands im Berliner Stadtteil Wedding gibt Thälmann die Marschroute für die nächsten Wahlen aus und macht die Bekämpfung von Hitlers Partei zum vornehmlichsten Ziel der Genossen.

Teil 2: 1932-33

Ernst Thälmann hält sich 1932 (zu Beginn von Teil 2) in Moskau auf und berichtet über den deutschen Kampf. Daheim verhärten sich in der KPD die Standpunkte, vor allem KPD-Genosse Heinz Neumann, der auch Redakteur bei der „Roten Fahne“ ist, wird den Sozialdemokraten gegenüber immer unversöhnlicher. Thälmann reist durch die Republik, motiviert in Zeiten der Wirtschaftskrise Solidarität und Arbeitskampf und hält Reden, wie der Kommunismus erfolgreich sein kann. Derweil schmieden die großen Industriellen Deutschlands politische Allianzen mit den konservativen und antikommunistischen Kräften, welche die führenden Wirtschaftsunternehmen gerne an der Macht sähen.

In seiner Heimatstadt Hamburg ist Thälmann in diesen Tagen immer seltener und die kurzen Momente familiärer Gemeinsamkeit werden oft von den Tagesereignissen überschattet. Die Lage spitzt sich zu und 1933 hält Thälmann seine letzte Rede auf einer Tagung, die bereits als illegal gilt, und nicht mehr wie Monate vorher auf dem internationalen kommunistischen Jugendtag in Leipzig vor tausenden begeisterter Menschen.

Ernst Thälmann

Ernst Thälmann (1888 -1944) war von 1925 bis zu seiner Verhaftung 1933 einflussreicher Führer der Kommunistischen Partei Deutschlands, KPD. Von den Nazis wurde Thälmann in das KZ Buchenwaldverbracht, wo er voraussichtlich im August ‚44 hingerichtet wurde. Unter Thälmanns Vorsitz fand die Umstrukturierung der KPD nach den Statuten der Kommunistischen Internationale ab und hat sich als Antifaschist im Kampf gegen die Nationalsozialisten profiliert.

Doch Thälmanns politische Aktivität ist nicht unumstritten, kontrovers sind quasi stalinistische Säuberungen innerhalb der KPD und die zunehmende Entzweiung mit der „Schwesterpartei“ SPD, die auch zur Spaltung der politisch linken Kräfte in der Weimarer Republik führte und somit zum Erfolg der Nationalsozialisten.

In der DDR freilich sah man das nicht so kontrovers und das Andenken an den „Hamburger Jung“ Thälmann wurde ebenso hochgehalten wie politisch instrumentalisiert. Allein drei Mal wurde Thälmanns Leben für das Fernsehen aufbereitet. 1954 und ‚55 drehte Regisseur Kurt Mätzig nach einem Drehbuch des Hamburger Kommunisten Willi Bredel die zweiteilige Spielfilm-Biografie „Ernst Thälmann – Sohn seiner Klasse“ und „Ernst Thälmann – Führer seiner Klasse“. 1986 entstand der hier vorgestellte TV-Zweiteiler „Ernst Thälmann“ und kurz vor dem Mauerfall 1989 entstand ein weiterer Dokumentar-Fernsehfilm unter dem Titel „Ernst Thälmann – Deutschlands unsterblicher Sohn“.

Die Defa-Produktion

Der TV-Zweiteiler „Ernst Thälmann“ ist zwar aufwändig produziert, wirft das Publikum aber mitten ins Geschehen. Hier wird nicht erklärt oder eingeführt, die Charaktere treten auf und sind da. Aus Sicht eines politisch entsprechend vorgebildeten Publikums ist das sicher kein Problem. Die Defa-Fernsehmacher wussten ja um die sozialistische Bildung in der Gesellschaft.

Aus heutiger Sicht lässt das TV-Format vor allem erzählerisch und unterhaltungstechnisch einiges vermissen, was bei Erzählbögen solcher Länge dafür sorgt, dass Zuschauer:innen am Ball bleiben. Das Bemühen um Belehrung, die Propaganda und die bevorzugte Geschichtsinterpretation der SED stehen deutlich im Vordergrund der DDR-Produktion. Etliche Szenen wirken, als wären sie ausschließlich als Plattform für die gemeißelten Statements Thälmanns (und der Parteirichtlinie) gedacht.

Dass es auch eine parallel eingefügte romantische, „leichte“ Handlung zwischen dem Arbeiter Willi und der Näherin Hannelore gibt, wirkt angesichts der geringen Bildschirm-Zeit der Beziehung eher wie ein Zugeständnis an das Unterhaltungfernsehen als ein tatsächlich wichtiges erzählerisches Moment.

Mitten rein statt nur dabei

Auch scheint der zeitliche Rahmen dieses Zweiteilers von 1929 bis 1933 nur auf den ersten Blick eine gute Idee. Zu dieser Zeit spitzte sich der Kampf des Antifaschisten und Nazi-Gegners Thälmann gegen Hitlers Banden zwar zu, aber jeglicher historisch-politischer Kontext muss vom Publikum selbst erkannt werden. Allenfalls kommt es in Dialogen und Diskussionen zwischen den Akteuren zu einer geschichtlichen Einordnung oder Herleitung. Heute würden Fernsehschaffende vermutlich auf Rückblenden oder andere Verbildlichung setzen, um Vorausgegangenen zu inszenieren.

Gedreht wurde übrigens nicht nur in Babelsberg und Görlitz, das ja auch heute noch für historische Kulissen herhalten kann, sondern auch in Wuppertal, das mit seiner Schwebebahn gut zu erkennen ist. Ob auch vor Ort in Thälmanns Heimat Hamburg gedreht wurde, entzieht sich meiner Kenntnis.

Vor allem aus nostalgischen Beweggründen hat „Ernst Thälmann“ heute noch einen Reiz. Besonders, wenn junge Darsteller:innen ins Bild rücken, die später im Gesamtdeutschen Fernsehjen zu Popularität gekommen sind wie etwa die „Tatort“-Ermittler Peter Sodann, Jan-Josef Liefers und Jörg Schütttauf. Die Massenszenen in „Ernst Thälmann“ sind zwar solide choreografiert in der Art wie das aus dem russischen Monumentalfilm bekannt ist, aber lassen dennoch genau jenes Momentum des Mitreißenden, Epischen vermissen.

Unterhaltung und Belehrung

Stattdessen wirken viele Disskussionen erheblich bemüht und beizeiten auch als Spiegelbild der aktuellen politischen Bemühungen der SED in der Mitte der 1980er Jahre. Gerade zu Beginn wird auf unterschiedlichsten ebenen Durchhaltewillen propagiert. Egal, ob das Thälmanns Argumente gegen den bewaffneten Widerstand sind, „Die revolutionäre Situation ist noch nicht da!“ oder der Ausspruch eines demonstrierenden SPD-Genossen „Es gibt Sachen, denen muss man sich stellen.“ Vieles lässt sich auch als Mahnung an die Zuschauer:innen lesen, Geduld zu haben, weiter zu machen.

Ein weiter Aspekt, in dem „Ernst Thälmann“ nicht gut gealtert ist, ist die Darstellung der Nationalsozialisten, die beinahe ins Parodistische geht. Hitler etwa, der gelegentlich auftritt, wird zwar diabolisch und menschenverachtend gezeichnet, aber die Figur selbst ist oft überzogen und erinnert an Darstellungen von Charlie Chaplin und Helge Schneider. Auch Goebbels, der als Sprachrohr der Nazis gezeigt wird, wird häufig von unten beleuchtet und in übersättigten Farben gezeigt wie sie in den tendenziösen Farbfilmen des Dritten Reiches üblich und zeitgemäß waren. Nur wirkt die Darstellung irritierend. Und letztlich macht auch „Ernst Thälmann“ auf seine Art Propaganda, wenn ein „fiktiver“ Dialog der Wirtschaftsbosse über jenen Naziführer inszeniert wird. Industrieller: „Hitler! Ein windiger Ausländer. Der Putschist von München!“ Anderer Industrieller: „Ein Kerndeutscher! Hart, aber formbar.“

Um es kurz zu machen: Der TV-Zweiteiler „Ernst Thälmann“ ist zwar aufwändig produziert aber wenig vorteilhaft gealtert. Aus heutiger Sicht lässt das TV-Format vor allem erzählerisch und unterhaltungstechnisch einiges vermissen, was bei Erzählbögen solcher Länge dafür sorgt, dass Zuschauer:innen am Ball bleiben. Zu sehr steht das Bemühen um Belehrung im Vordergrund der DDR-Produktion und viele der Szenen wirken als wären sie ausschließlich als Plattform für die gemeißelten Statements Thälmanns gedacht.

Serien-Wertung: 4 out of 10 stars (4 / 10)

Ernst Thälmann
OT: Ernst Thälmann
Genre: Biografie, TV-Serie
Länge: 230 Minuten (2x 115), DDR, 1986
Regie: Ursula Bonhoff, Georg Schiemann
Darsteller:innen: Hellmuth Schellhardt, Janina Hartwig, Peer-Uwe Teska,
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Studio Hamburg Entertainment, DDR-TV-Archiv
DVD-Erstveröffentlichung: 2010
DVD-Wiederauflage: 28.01.2021