The Last Waltz: …and The Band played on

Das Konzert und auch der Musikfilm sind legendär: Im Jahr 1976 beschloss die Musikgruppe „The Band“ ein Abschiedskonzert zu geben und dieses auch filmisch zu dokumentieren. Aus der Idee entwickelte sich ein Mammut-Projekt und ein erfolgreicher, bahnbrechender Musikfilm, der 1978 in die Kinos kam. Nun bringt Justbridge Entertainment „The Last Waltz“ hierzulande erstmals als Blu-ray auf den Markt, und zwar als Bestandteil eines gut aufgemachten Mediabooks. Zeit für einen weiteren Konzertbesuch.

Eine Vorbemerkung sei an dieser Stelle gestattet: Die Karriere der Musikgruppe „The Band“, die auch als Tour-Truppe und Aufnahme-Band von Bob Dylan spielte und bekannt wurde, ist an anderer Stelle ausführlich beleuchtet und referiert worden. Gleiches gilt übrigens auch für das Abschiedskonzert und diesen dazugehörigen Film. Nicht zuletzt auf Wikipedia finden sich brauchbare und lesenswerte Einträge, wobei einschränkend erwähnt werden muss, dass die deutschsprachigen Beiträge bei weitem nicht so informativ und umfangreich sind wie die englischsprachigen. Links finden sich unter dem Text.

Was also kann diese Filmvorstellung einer Neuausgabe noch bringen? Zunächst einmal einen Überblick über die Veröffentlichungs- und die Restaurationsgeschichte, dann eine grobe inhaltliche Vorstellung für jene, die den Film nicht kennen, und eine film- und musikhistorische Einordnung. Und ganz nebenbei vielleicht auch noch ein mitreißendes musikalisches Filmerlebnis.

Aufnahme- und Veröffentlichungsgeschichte

Dann wollen wir mal: Die fünfköpfige Gruppe „The Band“ besteht aus den Musikern Rick Danko, Levon Helm, Garth Hudson, Richard Manuel und Robbie Robertson, die als Begleitband für den Sänger Ronnie Hawkins unter dem Namen „The Hawks“ begannen gemeinsam Musik zu machen. Später gab die Gruppe auch eigene Konzerte. Bob Dylan entdeckte „The Hawks“ und heuerte sie als Tournee- und Studioband an. Die Zusammenarbeit dauerte über eine Dekade, in der sich die Gruppe schlicht „The Band“ nannte, weil ohnehin jeder über „die Band“ sprach, und auch eigene Alben aufnahm und Konzerte spielte.

Insgesamt war „The Band“ seit 16 Jahren zusammen und quasi ununterbrochen auf Tour, als man beschloss, die Gruppe aufzulösen und zuvor noch ein Abschiedskonzert zu spielen. Das sollte dort stattfinden, wo The Band erstmals unter diesem Namen auftraten: im Winterland in San Franzisco. Die Location war 1976 allerdings schon einigermaßen aus der Mode gekommen und wurde vom Veranstalter etwas aufgepeppelt.

Gitarrist Robbie Robertson freundete sich mit Filmmacher Martin Scorsese an, der das Konzert mitfilmen sollte. Dann kam die Idee auf, eine aufwändige Licht-Installation und Dramaturgie hinzuzufügen und das Konzert kinotauglich zu machen. Gefilmt wurde also nicht in 16 Millimeter, sondern im Kinoformat 35mm. Aus der Idee ein paar Gastmusiker einzuladen wurde schnell eine ellenlange Liste, die sich wie das Who is Who der damaligen Rock-und Songwriter-Elite las.

Dinner, Gedichte, Musik

Das Konzert begann mit einem Festmahl, bei dem Gedichte vorgetragen wurden, und die musikalische Darbietung dauerte dann mehrere Stunden. Ein kompletter Konzertmitschnitt kursiert meines Wissens nur als Bootleg. Als offizieller Soundtrack wurde ein Mehrfach-Album veröffentlicht, das deutlich mehr Stücke enthielt als der Film (Trackliste des Films findet sich unten). Zudem hielt sich Scorseses Film, der mit Interview-Sequenzen versetzt und angereichert ist, nicht an die Konzertreihenfolge des Abends, sondern reiht quasi einen Gastauftritt an den nächsten. Das gibt eine eigene Dramaturgie, geht aber zu Lasten der Authentizität. Womit ich schon mitten in der Film-Kritik bin.

Über die ganzen Jahre erschienen etliche Fassungen, Boxen, Remasters und Jubiläums-Aufmachungen des legendären Konzerts und Konzertfilms. Erst 2016 erschienen zum 40-jährigen vier unterschiedliche Sammler-Boxen des Konzerts. Überraschenderweise ist der 2002 restaurierte Musikfilm hierzulande bislang nicht als Blu-ray erschienen.

Das Mediabook beinhaltet sowohl eine DVD als auch eine Blu-ray, die beide über dasselbe Bonusmaterial verfügen. Dabei handelt es sich um eine TV-Doku in der Scorsese und Robertson sich anlässlich der Restaurierung an die damaligen Dreharbeiten und das Filmprojekt erinnern. Außerdem ist noch die Konzertaufnahme einer Jamsession enthalten. Die sogenannte Jamsession #2 ist etwa 20 Minuten lang und musikalisch kein Höhepunkt, aber es sind viele der Gäste auf der Bühne. Beide Featurettes sind im 4:3 Format und in nicht restaurierter Bildqualität. Der direkte Vergleich mit dem Hauptfilm zeigt wie großartig die Wiederherstellung gelungen ist.

Ein Meilenstein des Musikfilms

„The Band“ gelten als eine der einflussreichsten Musikgruppen ihrer Zeit und „The Last Waltz“ neben der „Woodstock“-Doku als ein Meilenstein und Klassiker des Musikfilms. Beides lässt sich auch heute in der Rückschau kaum diskutieren. Wohl aber lässt sich Einiges zu „The Last Waltz“ anmerken. Der renommierte Film-Kritiker Roger Ebert zeigt sich keineswegs nur begeistert vom „größten Konzertfilm aller Zeiten“ und seine Kritik ist zum Teil angebracht. Ebenso erwähnte „The Band“-Mitglied Levon Helm in seiner Autobiographie, dass der Impuls die Gruppe aufzulösen im Wesentlichen von Robbie Robertson ausgegangen war. Auch das Abschiedskonzert sei vor allem eine Robertson-Show gewesen und würde „The Band“ nicht gerecht werden.

Martin Scorsese wollte das Konzert unbedingt filmen, weil ihm damals bereits bewusst gewesen sei, dass eine musikalische Ära zu Ende ginge. Roger Ebert meint dazu nur, dass die Musiker von „The Band“ müde und ausgebrannt wirken würden und keineswegs aussähen, als würden sie feiern. Das freilich hat wenig mit der Qualität des Films zu tun und die musikalischen Darbietungen sind alles andere als lieblos heruntergerissen. Im Gegenteil, es sind großartige Versionen und starke Instrumentalparts dabei. Allerdings gab es auch Stimmen, die meinten, es gereiche der Musik nicht zum Vorteil, dass man die Musiker sehen könnte.

Wie in vielen seiner Konzertfilme hat Martin Scorsese hier erstmals großmaßstäbig inszeniert, später wiederholte er das beispielsweise auch bei dem hochgelobten Rolling Stones Konzertfilm „Shine a Light“, aber das ist eine andere Geschichte. Für einen Filmmacher ist es legitim, einen visuell möglichst beeindruckenden Film produzieren zu wollen. Auch das freie Versetzen der jeweiligen Songs im Konzertverlauf ist machbar und vielleicht sogar wirkungsvoll, zumal die Interview-Sequenzen mit „The Band“ den Flow des Konzerts ja ohnehin unterbrechen und einen „Mehrwert“ für das Publikum bieten. „Metallicas „Through the Never“ (2013) wirkt da absurderweise ehrlicher.

Der Schnitt und die Authentizität

Das freilich kann man durchaus kontrovers betrachten. Mir persönlich wäre ein reiner Konzertfilm (ohne spätere Overdubs) lieber gewesen als das, was „The Last Waltz“ schließlich ausmacht. Bei den vielen Gastauftrittten wirkt „The Band“ aber teilweise auch „nur“ wie eine – wahnwitzig gute – Backing Band. Auch die Anreicherung des Films mit drei nachträglich auf einer Soundstage aufgenommenen Titeln finde ich nicht sonderlich gelungen. Für alle gibt es eine Erklärung und Argumente auch seitens der Band beziehungsweise Robertsons, aber dabei geht immer auch Authentizität verloren. Man muss sich eben entscheiden, was man hinterlassen will, ein episches Denkmal oder einen ehrlichen Eindruck.

Ineressant ist an dieser Stelle vielleicht auch, dass the Grateful Dead, eine andere damalige Größe der Musikszene ebenfalls einen Kinofilm am Start hatten. Grateful Dead gaben immer an, dass „The Band“ sie in ihrer Entwicklung maßgeblich beeinflusst habe. Die Dead begannen bereits 1974 Konzerte für einem Film mitzuschneiden. Bis dieser ins Kino kam, vergingen dann noch drei Jahre. 1977 wurde „The Grateful Dead Movie“ dann veröffentlicht und war schneller auf dem Markt als „The Last Waltz“, der nach nachbearbeitet werden musste und erst 1978 ins Kino kam. Im direkten Vergleich ziehe ich den „Dead“-Film, der ebenfalls zumindest Kult-Status besitzt, als filmisches Dokument tatsächlich vor. Wenngleich „The Band“ einfach viel bekannter waren.

Der Musikfilm „The Last Waltz“ oder „The Band“ ist und bleibt einer der größten Musikfilme aller Zeiten. Allein aufgrund der Aufnahmetechnik und der Soundqualität. Das Konzert bleibt ebenfalls ein Meilenstein, der Film ein großes Zeitdokument. Ein grandioser Konzertfilm ist „The Last Waltz“ allerdings nicht, und ist es auch nie gewesen.

Film-Wertung:7 out of 10 stars (7 / 10)

The Last Waltz
OT: “The Band” aka “The Last Waltz”
Genre: Musikfilm, Musik, Dokumentarfilm
Länge: 117 Minuten, USA, 1978
Regie: Marin Scorsese
Mitwirkende: The Band, Bob Dylan, Eric Cklapton, Joni Mitchell
FSK: ab 6 Jahren
Vertrieb: Justbridge Entertainment
Kinostart: 13.07.1978
DVD-VÖ:
BD-VÖ: 23.10.2020

The Band bei wikipedia (deutsch)

Film The Last Waltz bei wikipedia (deutsch)

The Band bei Wikipedia (englisch)

Konzert und Film-The Last Waltz bei wikipedia (englisch)

The Last Waltz bei justbridge Entertainment

Songlist im Film (Titel, Performer, Nummer in Konzertreihenfolge)

  1. Don’t Do it (The Band, 49)
  2. Theme from The Last Waltz (The Band, -)
  3. Up on Cripple Creek (The Band, 1)
  4. The Shape i’m In (The Band, 2)
  5. Who do you Love? (Ronnie Hawkins, 13)
  6. It Makes no Difference (The Band, 3)
  7. Canterbury Tales (Michael McLure, 33)
  8. Such a Night (Dr John, 14)
  9. Helpless (Neil Young, 21)
  10. Stage Fright (the Band, 11)
  11. The Weight (Staple Singers, -)
  12. The Night They Drove Old Dixie Down (The Band, 10)
  13. Dry your Eyes (Neil Diamond,26)
  14. Coyote (Joni Mitchel, 23)
  15. Mystery Train (Paul Butterfield, 16)
  16. Mannish Boy (Muddy Waters 18)
  17. Further up the Road (Eric Clapton, 20)
  18. Evangeline (Emylou Harris, -)
  19. Chest Fever (The Band, 38)
  20. Ophelia (The Band, 8)
  21. Caravan (Van Morisson, 28))
  22. Loud Prayer (Lawrence Ferlinghetti, 37)
  23. Forever Young (Bob Dylan, 44)
  24. Baby let me follow you down (Bob Dylan, 45)
  25. I Shall be released (Bob Dylan, 46)