Der Berliner Friedrichstadt-Palast ist in der internationalen Unterhaltungsbrache eine angesehene Adresse. Das war nicht immer so und das Etablissement im Ostteil der Stadt hatte gerade zu Zeiten der deutschen Wiedervereinigung Krisen auszustehen. In dem TV-Mehrteiler „Der Palast“ hält die Schaubühne allerdings eher als Kulisse für eine leidlich originelle Familiengeschichte her. Constantin Film veröffentlicht „Der Palast“ als DVD für das klassische Home-Entertainment.
Für die junge Westdeutsche Marlene Wenninger (Svenja Jung) kommt es im Anschluss an einen Geschäftstermin in Ostberlin zu einer verstörenden Begegnung. Auf der Bühne des ost-berliner Revuetheaters im Friedrichstadt-Palast tanzt jemand, der ihr zum Verwechseln ähnlich sieht. Marlene findet heraus, dass sie eine Zwillingsschwester hat, Christine Steffen (Svenja Jung), die Solo-Tänzerin im Palast ist.
Beide Schwestern wussten nichts von der Existenz der anderen und die vermeintlichen Eltern tun wenig, um die Situation aufzuklären. Beide wurden seit 27 Jahren belogen. Während Marlene ihren Vater, den Bamberger Unternehmer Roland Wenninger (Heino Ferch) zu konfrontieren versucht, bekommt die Chris ihre Mutter kaum zu Gesicht, weil sich Rosa Steffens (Anja Kling) seit Jahren in die Arbeit bei der Glühbirnen-Fabrik stürzt.
Die verheimlichte Zwillingsschwester
Doch die beiden Schwestern kommen sich auf andere Weise näher. Marlene bleibt in Ost-Berlin während Chris mit Marlenes Pass in den Westen fährt. Das sorgt in beider Umfeld für einige Verwirrung und bleibt auch der Staatssicherheit nicht verborgen.
Da hatte man in der Deutschen Demokratischen Republik schon ein beachtliches Unterhaltungsunternehmen aufzuweisen. Der Berliner Friedrichstadt-Palast blickt auf eine hundertjährige Tradition als Entertainment-Tempel zurück und auch nachdem der ursprüngliche Bau seit Anfang 1980 wegen baulicher Mängel nicht mehr bespielt werden durfte, setzte man die Tradition in einem Neubau fort, der von den Bürger:innen freundlich „Hauptbahnhof von Usbekistan“ genannt wurde.
Immerhin gehörte die das „Las Vegas des Osten“ genannte Spielstätte zu den großen Showereignissen von internationalem Rang. In dem ZDF-Mehrteiler merkt man davon freilich nicht sonderlich viel. Immerhin werden Zuschauer:innen Zeuge wie Regisseurin Regina Feldmann (Jeanette Hain) darauf besteht, dass ihre Mädchen in einer Linie die Treppe herunterkommen. Das ist insofern beachtlich, weil der neue Palast für die längste Kickline der Welt bekannt war, bestehend aus 32 Tänzerinnen.
„Man muss sich immer wieder neu erfinden, Regina.“ (Theo)
Wenn es in „Der Palast“ ans Revuetheater geht, werden politische und gesellschaftliche Fragen thematisiert. Höchst plakativ wird die administrative Ebene gezeigt, in der es auch immer darum geht, sich gegenüber dem Parteifunktionär und dem Kulturstaatsministerium zu rechtfertigen. Dass sich eine Tänzerin den Knöchel zerrt, fällt kaum ins Gewicht. Konsequenterweise bleiben auch die Charaktere und Figuren hinter ihren Möglichkeiten zurück.
Der Rest des Schauprogramms und der Premieren in der Miniserie ist ein wenig aus der leichten Muse zusammengekramt. Ob ausgerechnet für die letzte Aufführung zu DDR Zeiten ein ausländischer Choreograf engagiert wurde entzieht sich meiner Kenntnis, ist aber auch nicht von Belang, da es wohl eher um den freiheitlichen Gestus geht, frischen Wind wehen zu lassen. Auch kommen die bekannten TV-Aufzeichnungen zu „Ein Kessel Buntes“, die wesentlicher Bestandteil des Palastprogrammes und auch der DDR-TV-Unterhaltung waren überhaupt nicht vor.
Der leichte Jazztanz und die Nicklichkeiten im Ensemble bieten zwar viel Raum für diverse kleine Rollen und viel Szenekolorit, tragen aber letztlich wenig zur eigentlichen Handlung bei. Das ist insofern erstaunlich, als dass hier viel ungenutztes Potential liegt. Etwa in der Punk-Szene der ehemaligen Primaballerina oder aber in der Beziehung von Chris und dem Vater ihrer Tochter, der als Musiker im Friedrichstadt-Palast arbeitet.
Drama, Tanz und Innerdeutsches
Es ist legitim in einem Unterhaltungsformat auch etwas fürs Herz zu erzählen und den Schwerpunkt auf die Familiengeschichte zu legen, die schließlich gelöst werden muss. Allerdings trägt das Zwillingsthema, das ja eindeutig als Symbol für die beiden „Brüdervölker“ und gewaltsam getrennten deutschen Staaten zu verstehen ist, nicht durch die ganze Spielzeit des Mehrteilers.
„Der Palast“ wurde in TV in drei jeweils spielfilmlangen Teilen ausgestrahlt. Auf DVD ist das Serienformat nach internationalem Standard auf sechs ca. 45 minütige Folgen aufgeteilt. Die Dokumentation zum „Palast“ und zur Serie, die im ZDF ausgestrahlt wurde ist nicht im Home-Entertainment-Titel enthalten.
Zwillinge also, statt Geschwister wie in dem deutlich stärkeren Mehrteiler „Preis der Freiheit“, in dem ebenfalls „Westgeschäfte“ vorkommen wie sie die Firma Wenniger in „Der Palast“ anbahnen möchte. Auch andere Formate, die sich mit den zwei deutschen Staaten beschäftigen haben Familiendramatik zu bieten und setzen diese zumeist weit weniger plakativ um als „Der Palast“.
Nummernrevue mit Längen
Regisseur Uli Edel, in TV-Mehrteilern und seriellem Erzählen durchaus bewandert, liefert mit “Der Palast“ nicht seine überzeugendste Arbeit ab, wobei die Darsteller ihren Rollen durchaus gerecht werden und auch so etwas wie Lebenslust und Zeitgeist auf den Fernsehschirm bringen, wenn man sie denn lässt. An Svenja Jung („Ostfriesenkiller“) liegts jedenfalls nicht, dass „Der Palast“ nicht immer überzeugt.
„Der Club der singenden Metzger“ war dann doch interessanter, auch weil eine andere Zeitperiode porträtiert wurde und nicht die immergleiche westdeutsche Geschichtserklärung zum Scheitern der sozialistischen Staatsform im dann angegliederten Bruderstaat. Da braucht es internationales Flair in der Produktion von „Traumvisionen“, um die Großartigkeit des Palast-Ensembles auch endlich mal richtig zu zeigen.
Gelegentlich findet sich dann doch noch eine Zitatperle, die tatsächlich den damaligen Zeitgeist trifft so wie „Dann geh doch für den Frieden stricken, Petra Kelly!“ (Wilhelm Wenninger). Meist jedoch ist auch das Familiäre klischeebeladen und zu oberflächlich in Szene gesetzt. „Ich lasse mich doch hier nicht zum Schuldigen machen!“ (Roland Wenniger). Letztlich lässt sich nicht rückgängig machen, was einst angerichtet wurde. Es bleibt nur zu hoffen, dass Zeiten sich wieder ändern, Mauern eingerissen werden und das Unrechtssystem implodiert. „Wonach hast du ausgewählt, wen von uns beiden du mitgenommen hast?“ Du hast so friedlich geschlafen.“
„Der Palast“ erzählt vor dem Hintergrund der letzten Tage der DDR von überraschenden Famiienbanden und sich lösenden Bindungen. Leider verkommt das Revuetheater in der Geschichte zusehends zur Kulisse und die Zwillingsgeschichte trägt nicht immer durch die seichten Stellen des historisierten Unterhaltungsformats.
Serien-Wertung: (5 / 10)
Der Palast
Genre: TV-Miniserie
Länge: 255 Minuten, D, 2021
Regie: Uli Edel
Darsteller:innen: Svenja Jung, August Wittgenstein, Hannes Wegner,
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Constantin Film, ZDF Enterprises
DVD-VÖ: 14.01.2022