Preis der Freiheit: Ausverkauftes Land

Der Fall der Berliner Mauer jährt sich in diesem Herbst zum 30. Mal. Selbstverständlich ist so ein Jubiläum ein mediales Ereignis, das auf allen Kanälen auf unterschiedlichste Weise aufbereitet wird. Die aus dem Ende der DDR resultierende deutsche Einheit ist immerhin eines der prägendsten Ereignisse der jüngeren deutschen Geschichte und hat vielen Menschen – gerade aus der DDR – enorme Anpassungen abverlangt. Der ZDF-Eventmehrteiler „Preis der Freiheit“ erzählt im Rahmen einer Familiengeschichte von den letzten Jahren der DDR und dem Bemühen, das System mittels Devisen-Beschaffung am Leben zu erhalten. Die verschwundenen DDR-Millionen tauchen aber auch in dieser ziemlich sehenswerten Miniserie nicht wieder auf.

Zur TV-Ausstrahlung von „Preis der Freiheit“ gab es eher durchwachsene Presse: Gelobt wurde durchgehend die großartige Besetzung, bemängelt in fast schon reflexhafter Manier die verkürzte Dramaturgie, die klischeehaften, stereotypen Figuren und die Überfrachtung der Geschichte mit allen Aspekten, welche die Wende seinerzeit mitbrachte. Nach eigener Sichtung, kann ich das nur bedingt nachvollziehen.

Vielleicht ein paar klärende Worte vorab: „Preis der Freiheit“ ist und bleibt ein Unterhaltungsformat. Bei allem Bemühen um historische Genauigkeit und den Versuchen sich in Zeit und Personen hineinzuversetzen sind die 300 Minuten kein Geschichtsunterricht und keine Dokumentation. Insofern sind dramaturgische Verdichtungen, etwa die unterschiedlichen Gesellschaftsströmungen innerhalb eines Familienkonstrukts beispielhaft aufzuzeigen, nicht nur legitim, sondern notwendig. Auch das hochgelobte Serienformat „Weißensee“ funktioniert nach diesem Prinzip – erscheint allerdings durch die unterschiedlichen Staffeln und die weniger zugespitzte Erzählweise etwas stimmiger.

Bei aller historischen Genauigkeit geht es bei solchen Serienformaten auch darum, nachvollziehbar zu machen, was seinerzeit geschehen ist. Das Ergebnis ist dann immer diskutabel, weil auch die Bewertungen und Abwägungen der Macher sowie der Darsteller in die Handlung und die Figuren einfließen. Diese Bewertungen muss man als Zuschauer nicht teilen, aber man hat die Möglichkeit sich damit zu beschäftigen. „Preis der Freiheit“ kann also an sich kaum mehr sein als eine Diskussionsgrundlage und die ist weitwestgehend gelungen.

Worum geht es in „Preis der Freiheit“? Während sich wirtschaftliche Lage des Staates DDR ab 1987 dramatisch verschlechtert, kommen gesellschaftliche Unzufriedenheit und Generationskonflikte ans Tageslicht. Margot arbeitet als älteste von drei Schwestern in führender Position für die so genannte „KoKo“. Hinter dem niedlichen Kürzel verbirgt sich die „Kommerzielle Koordinierung“, jene DDR-Behörde, die damit beauftragt war, Devisen zu beschaffen und mit dem (kapitalistischen) Ausland lukrative Handelsbeziehungen herzustellen. Der „KoKo“-Chef Alexander Schalck-Golodkowski (Thomas Thieme) gehört (real) zu den schillerndsten Figuren der DDR und die Machenschaften seiner Behörde geraten Ende der 1980er Jahre auch ins Visier der Staatssicherheit.

Margots jüngste Schwester Sonja ist vor Jahren angeblich bei einem Unfall zu Tode gekommen. Seither ziehen Margot und ihr Mann Paul (Joachim Król) Sonjas Kinder Christa und Roland groß. Allerdings weiß niemand, dass Margot ihrer Schwester geholfen hat, nach Westdeutschland zu kommen. Als Ina Winter (Nicolette Krebitz) arbeitet Sonja nun für jene westdeutsche Behörde, die DDR-Häftlinge freikauft. Auf diese Weise kommt sie in Konflikt mit den Geschäften ihrer großen Schwester.

Die dritte Schwester, Lotte (Nadja Uhl), ist alleinerziehend und hegt als Buchhändlerin Sympathien für die Bürgerbewegung und die ökologischen Anliegen der „Umweltbibliothek“. Ihrer älteren Schwester und ihrer Mutter Else (Angela Winkler) nimmt sie immer noch übel, dass beide die Erinnerung an Sonja aus dem Gedächtnis gestrichen haben. Bei all den familiären und gesellschaftlichen Konflikten werden die Kinder langsam erwachsen, entwickeln eigene Vorstellungen von Gesellschaft und Freiheit. Margots Mann Paul versucht seinen volkseigenen Betrieb „Kühlautomaten“ konkurrenzfähig zu machen, indem er an der Entwicklung eines FCKW-freien Kühlschranks forscht.

Obwohl es bereits etliche Filme und Serien über den Schwanengesang der DDR, die Deutsche Einheit und den Mauerfall gibt, gelingt es „Preis der Freiheit“ noch Unerzähltes zu thematisieren. Zwar ist die Behörde von Schalck-Golodkowski beim realen Mauerfall schnell als Sündenbock ausgemacht und Schalck wird zur Personifizierung des Abverkaufs der DDR, aber die Entwicklung dahin, lässt einigen Spielraum für eine soliden Wirtschaftsthriller. Insofern ist „Preis der Freiheit“ thematisch sehr vielschichtig und schafft es, ein Panorama zu entfalten, das in vielerlei Hinsicht sehenswert ist. Auch der Vorwurf, dass hier nur wieder die ewig gleiche westdeutsche DDR-Sicht reproduziert werde, verfängt nur teilweise. Gerade die Charaktere sind in ihrer Motivation und ihren Sehnsüchten derart gut getroffen, dass sich auch ehemalige DDR-Bürger darin wiederfinden mögen.

Einiges gerät dem Mehrteiler dann aber bei allem dichterischen Übermut beinahe ins ungewollt Alberne wie die an „Babylon Berlin“ angelehnte West-Exotik des Nachtclubs, in dem die KoKo ihre Geschäfte macht. Auch die Radikalisierung von Lottes Sohn Ingo und dessen Hinwendung an die Neonazis, die ziemlich absurd offen durch die Straßen krakelen, wirkt nicht nur verkürzt sondern irreal. Anderes wieder, wie der von Fabian Hinrichs fast parodistisch angelegte West-Beamte, der die DDR einfach mit D-Mark zuscheißen will, damit das System vollends kollabiert, ist in seiner Überspitzung erstaunlich wahrhaftig.

Mit „Preis der Freiheit“ ist dem ZDF eine durchaus vielschichtige und spannende Geschichte aus der Wendezeit gelungen, die zwar nicht in allen Bereichen gleichermaßen niveauvoll ist, aber zu unterhalten weiß und anregt. Vor allem die vielen großartigen Hauptdarsteller heben die Mini-Serie mit differenzierter und pointierter Darstellung auf ein sehr sehenswertes Niveau.

Serien-Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

Preis der Freiheit
OT: Preis der Freiheit
Länge: ca 300 Minuten, D, 2019
Genre: TV-Serie, Drama, Historie
Regie: Michael Krummenacher
Idee: Gabriela Sporl
Darsteller: Barbara Auer, Nadja Uhl, Nicolette Krebitz, Thomas Thieme, Milan Peschel, Joachim Król
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb:; ZDF Enterprises, Edel Motion
DVD-VÖ: 22.11.2019