Es muss schon seltsam sein, wenn man dauerhaft mit einem Doppelgänger leben muss, der bis hin zu den Erinnerungen im gleichen Körper steckt. Nun geht die epische Spider-Man Strecke „Die Klon-Saga“ zu Ende, die Mitte der 1990er Jahren für Aufregung und Kontroverse unter den Fans von Peter Parkers netzschwingendem Alter Ego sorgte. Rund 2000 Seiten voller Intrigen, Bedrohung, Identitätskrisen und Selbstzweifeln finden im Abschlussband 7 der feinen Panini-Edition ihr Ende.
Und wie von Serien gewohnt starten wir mit einer extremen Kurzfassung der bisherigen Ereignisse und der Ausgangssituation. Spoileralarm ist an dieser Stelle wohl nicht mehr angesagt, denn wer schon die Rezensionen bis hierher gelesen hat, wird auch die Comics verschlungen haben.
Nachdem sich herausgestellt hatte, dass Ben Reilly der eigentliche Peter Parker ist, und Reilly dann eine Zeit lang als Scarlet Spider unterwegs war, um Superschurken zu jagen, trifft Peter Parker eine einschneidende Entscheidung: Er gibt seine Superhelden-Existenz komplett auf, um nur noch für die schwangere Mary Jane und die zukünftige Familie da zu sein. Das Paar zieht sogar aus New York weg, während Ben erstmals das symbolische Gewicht des Spidey-Kostüms erfährt. Gar nicht so einfach, ein prominenter Held zu sein. Peter verliert indessen seine Superkräfte, was auch nicht so ohne Stress abgeht.
Doch gerade als sich Ben eine neue Existenz aufgebaut hat, taucht ein Skelett auf, das dort gefunden wurde, wo er einst aus dem Schornstein der alten Fabrik kletterte und die „Klonsaga“ ihren Ausgang nahm. Außerdem gibt es Stress mit Bens neuer Liebe, die hat nämlich etwa gegen den Wandkrabbler und findet heraus, dass Ben hinter der Maske steckt. Und während Peter nach New York fährt, um Ben bei der Recherche bezüglich des Skeletts zu helfen, zweifelt er immer mehr an der Aussage Seward Trainers, dass Ben der echte Peter Parker ist. Vielleicht können die Rächer helfen, und Henry Pym alias Giant-Man stellt sein Labor und sein Know-How zur Verfügung. Trainer bleibt indes verschwunden und wer sich letztlich hinter der ganzen Chose verbirgt, bleibt nach wie vor undurchsichtig – aber es gibt eine Verbindung zu einem Unternehmen namens Multivex.
Die Stories in diesem Abschlussband der Klonsaga sind in zwei großen Handlungsbögen zusammengefasst: „Blutsbrüder“ und „Enthüllungen“, beide steuern mit ziemlich viel Action auf ihre jeweiligen Höhepunkte zu und bringen dabei Wendungen aufs Tableau, die man so nicht unbedingt erwartet hätte. Das ist feine Superhelden-Comickunst, die da in den Panels ausgebreitet wird, und macht auch ziemlich viel Spaß. Es sind auch wieder großteils die üblichen Verdächtigen als Autoren und Zeichner beteiligt. Dabei übernimmt Dan Jurgens als Autor und Zeichner etliche der finalen US-Ausgaben, in denen Klaus Janson die Tuschezeichnungen übernimmt. Das steht Spidey ausgezeichnet und ist ebenso dynamisch wie das Duo Ben Reilly und Peter Parker. Im Spider-Man-Kosmos weniger gefällig ist da das Artwork von Luke Ross, der gegen Ende von „Enthüllungen“ dem Ganzen einen eher naiven Anstrich gibt. Aber Alles in Allem findet die „Klonsaga“ hier ein spektakuläres Ende.
Insgesamt hat die gesamte Story nicht an Reiz verloren und aus der (fast schon historischen) Rückschau wirkt die „Klonsaga“ wie ein Paralleluniversum, denn nicht wenige der Storyelemente wurden nachträglich wieder glattgebügelt. Und selbstredend liest sich die Saga leichter, wenn sie gut editiert und zusammengefasst in sieben Sammelbänden vorliegt, als wenn man sich als (US-)Fan durch all die Einzelausgaben und diversen Spider-Man-Serien wühlen und kaufen muss. Ich hätte seinerzeit oder als jugendlicher Comic-Fan ehrlich gesagt weder Geduld noch Finanzmittel dafür gehabt und wäre in schwächeren Phasen der Saga ausgestiegen. Jetzt aber hat das Lesen Spaß gemacht, auch wenn, wie Christian Endres es im Nachwort wohlwollend zusammenfast, „nicht jedes Kapitel ein Triumph grafischen Erzählens“ ist. Auch der Umgang mit Charakteren, die eigentlich schon tot sind, ist durchaus diskussionswürdig. Aber das ist im Superhelden-Comic ein generell kontroverses Thema und keine Spider-Man oder Klonsaga-spezifische Spezialität.
Spider-Mans Ben Reilly Phase findet hier ihrem Höhepunkt und ihr fulminantes Finale. Das entschädigt auch für einige weniger überzeugende Kapitel der „Klonsaga“.
Comic-Wertung: (8 / 10)
Spider-Man: Die Klonsaga Band 7
OT: Sensational SM 3-6+11, Amazing SM 411+412+418, Spider-Man 68+75, Spectacular Spider-Man 234+240, Marvel Comics 1996
Autoren: J. M. DeMatteis, Tom DeFalco, Dan Jurgens, Howard Mackie, u. a.
Zeichner: Dan Jurgens, John Romita Jr., Sal Buscema, u.a.
Übersetzung: Michael Strittmatter
Verlag: Panini Comics, Softcover, 324 Seiten
VÖ: 17.02.2015