Diese außerirdischen Symbionten haben in der „Spider-Man“-Welt von Marvel Comics schon für einigen Wirbel gesorgt und nun haben die Fans den Salat. Die gefräßigen außerirdischen Lebensformen sind bei Leser:innen und Zuschauer:innen äußerst beliebt und immer wieder blüht bei hartgesottenen Fans die Hoffnung Venom oder Carnage so horror-genre-mäßig wie möglich zu inszenieren. Aber mal ehrlich, wieso sollte ein großer Filmproduzent daran interessiert sein, mindestens die Hälfte des potentiellen Publikums auszuschließen? Marvel Comics machen das schließlich auch nie. Insofern ist auch der zweite „Venom“-Film mit Tom Hardy einigermaßen jugendfrei ausgefallen. Kurzweilig, großteils unterhaltsam aber auch absehbar ist das Duett der Symbionten geworden. Ab 21.10.2021 im Kino.
Wie über einen Film schreiben, wenn man gebeten wird keine Inhalte zu spoilern? Nu je, denke ich, zumindest eine kurze Inhaltsangabe wird wohl drinne sein, aber Pustekuchen: Das Pressematerial von Sony Pictures schweigt sich schön aus über die Handlung von „Venom: Let There Be Carnage“. Den Trailer kann jede:r selbst gucken und letztlich ist es schon klar, dass Venom nicht der einzige Symbiont bleibt, sondern dass er einen Rivalen im Marvel-Style trifft – jenen Carnage, der noch fieser, noch gefräßiger und noch brutaler ist als das schwarze Alien, das von dem Reporter Eddie Brook (Tom Hardy) Besitz ergriffen hat.
Und weil einigermaßen klar ist, dass der Symbiont einen Wirt braucht kann auch erwähnt werden, dass der Psychopath Cletus Kassady (Woody Harrelson) maßgeblich Anteil hat an Carnages Wut und Wucht. Eddie ist jobtechnisch auf dem absteigenden Ast. Der Reporter kriegt aber eine neue Chance. Nur ist er so mit sich selbst beschäftigt, dass er auch diese beinahe wieder vermasselt. Dass sich die beiden Symbionten nicht riechen können, lässt sich denken, oder?
Bei einem Comic-Charakter der „Blutrausch“ heißt, gibt es ein Dilemma, wenn die Horror-Figur in den Mainstream sickert. So gerne alle mit dem brutalen Schauer kokettieren, es lässt sich nicht jugendfreundlich inszenieren, ohne Abstriche an die explizite Gewaltdarstellung zu machen. Das ist an sich auch nicht weiter dramatisch, wären da nicht immer wieder diese Die-Hard-Fans, die behaupten, echt ist nur, was in Blut und Gedärm endet.
Nein, nein, nein. Todd McFarlane hat „Venom“ einst im Comic entwickelt, als er Autor und Zeichner bei „Spider-Man“ war. Irgendwann liefen McFarlanes berufliche Interessen dann in düsterere Regionen, er entwarf „Spawn“, anfangs mit deutlicher Nähe zu „Spider-Mans“ Welt, aber immer eine Spur näher am Horrorcomic als es Marvel Comics je sein könnten oder wollten. In der Underground-Nische des Independent-Comic-Sektors lässt sich da schon eher trefflich metzeln.
Venom gleichwohl war immer auch größenwahnsinnig, will geliebt werden. Wie in „Tödlicher Beschützer“ nachzulesen und auch in der „Dark Origin“-Story, die seinerzeit zum Kinostart von „Venom“ auch hierzulande noch einmal auf den Markt kamen. Carnage wurde später geschaffen als die Marvel-Kreativen merkten, dass diese Symbionten-Sache noch lange nicht auserzählt ist. Seitdem tauchen immer mal wieder kurze Miniserien auf, die versuchen, den Blutrauch greifbar zu machen und in eine Story zu packen. So wie in „Carnage 1: Blutrausch“.
Es ist folgerichtig die beiden Symbionten auch auf der Leinwand zusammenzubringen, beziehungsweise gegeneinander auszuspielen, so wie es auch konsequent und stimmig ist, gelegentlich wieder darauf hinzuweisen, dass „Venom“ eigentlich aus dem „Spider-Man“-Universum stammt und mal als außerirdisches Kostüm des Netzschwingers auf unseren Planeten gekommen ist.
Um dann doch noch mal auf den Film “Venom: Let There Be Carnage“ zu kommen: Das Handlungsgerüst trägt die Special Effects und auch den etwas durchgeknallten Humor, das Overacting der „Superkreaturen“ und ihrer Wirte. Es gibt Momente, in denen man oder frau sich mehr Storyentwicklung und auch Spannungsaufbau wünschen würde, aber oft genug kommt das Publikum vor lauter Gigantomanie gar nicht dazu den Mund zu schließen.
Die CGi-Effekte und Action-Sequenzen wirken bisweilen sehr dunkel, was ein Indiz sein kann, dass das Budget hätte größer ausfallen dürfen. Es gibt Elemente in der Marvel-Mythologie von Venom, die erinnern mich einfach zu sehr an die Batman-Ikonografie, aber das mögen andere weniger störend finden. Tom Hardy und Woody Harrelson sind sich in Sachen durchgeknallte Darstellung ebenbürtig und viele der Witze funktionieren auch auf absurde Weise.
„Venom: Let There Be Carnage“ ist die logische nächste Stufe im Franchise um den Spider-Man Symbionten. Die großartigen Darsteller geben Alles und sind fast durchgehend komplett überdreht. Das wird schon ein neues Level an Wahnwitz erreicht. Ansonsten selbstredend auch viel Superhelden-Gedöns und CGI-Gelöte bis die Leinwand ächzt. Aber die Zeiten von Gummitentakeln und Planschbeckenstunts sind längst vorbei – glücklicherweise.
Film-Wertung: (6 / 10)
Venom – Let There Be Carnage
OT: Venom – Let There Be Carnage
Genre: Superhelden, Action, Fantasy,
Länge: 97 Minuten, USA/UK, 2021
Regie: Andy Serkis
Darsteller:innen: Tom Hardy, Michelle Williams, Woody Harrelson, Naomi Harris
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Sony Pictures
Kinostart: 21.10.2021