Strange Academy 1: Schule der Magie

Überraschung, Überraschung. Auch bei Marvel Comics kommt es gelegentlich zu unerwarteten neuen Serien, mit denen eigentlich niemand gerechnet hat und die sich dann als extrem hitverdächtig herausstellen. So auch „Strange Academy“ von Autor Skottie Young und Zeichner Humberto Ramos. Beide selbstredend immer Garanten für unterhaltsame Superhelden-Comics, aber warum vorher noch niemand auf die Idee gekommen ist, den magischen Nachwuchs im Marvel Universum in einer Schule auszubilden, ist schon überraschend. Aber lest selbst.

Das Mädchen Emily Bright merkt schnell, dass es anders ist. Magie macht das Kind zur Außenseiterin, aber erst als Teenager geraten die Dinge für Emily richtig außer Kontrolle. Zum Glück ist Zelma Stanton, die Bibliothekarin von Dr. Strange, zur Stelle und eröffnet Emily die Chance, ihre Kräfte zu verstehen und zu kontrollieren.

Willkommen in der Strange Academy! Hier werden magisch begabten Kinder und Jugendliche aus dem bekannten Universum ausgebildet und in der übersinnlichen Kunst unterrichtet. Nominell ist Doctor Strange, der Oberste Magier der Erde, der Schulleiter der „Strange Academy“. Doch Strange ist häufig genug unterwegs, um die Welt zu retten, daher hat Zelma die Organisation übernommen und zusammen mit Dr. Voodoo, Hellstorm und Magik übernimmt die findige Bibliothekarin die Ausbildung der Adepten. Gelegentlich kommen Gastlehrer vorbei oder es stehen Exkursionen an, in eine der Heimatwelten der Schüler.

Emilys Mitschüler kommen aus Asgard und von den Frostriesen, vom Feenvolk oder wie Doyle Dormammu direkt aus der Hölle. Einige scheinen wie Emily ziemlich normale Menschen zu sein, aber in der Strange Academy weiß man das nie so genau. Weil die Akademie ein Internat ist, werden die Zimmergenossen erst einmal bunt gemischt, was vor allem den Asen-Brüdern Iric und Alvi nicht passt. Doch Regeln gibt es auch, um Disziplin zu lernen. Gerade wenn man mit gefährlicher Magie hantiert, eine vernünftige Tugend.

Die Strange Academy ist auf der Erde angesiedelt und wo auf diesem Planeten fließt mehr Magie als in New Orleans? Allerdings sind auch die Sümpfe von Louisiana nicht weit und dort haust eine Kraft, die glaubt, die Schüler seien leichte Beute. Da ist Teamwork gefragt.

In der hochgelobten Doctor Strange Serie von Jason Aaron und Chris Bachalo, in der auch Zelma Stanton ihren Einstand bei Marvel Comics feierte, ging die Magie in unserem Universum verloren. Die wenigen magischen Fähigkeiten und wirkungsvollen magischen Artefakte zu erhalten erschien dem obersten Zauberer wichtig, damit die Magie nicht ausstirbt. So kam auch die Idee dieser Ausbildungsstätte zustande, in der der Nachwuchs zusammen ausgebildet werden soll, auch über Feindschaften hinaus, denn der Erhalt der Magie ist ein höheres Ziel.

Skottie Young hat sich einen ganzen Haufen hinreißender junger Magier:innen ausgedacht, die diese neue Comicserie bevölkern und sich für viele tolle Abenteuer bereit machen. Das richtet sich zwar vor allem an neue junge Lesergruppen, aber auch langjährige Fans können mit den Abenteuern ihren Lesespaß haben.

Im Prinzip ist die junge Emily der Charakter, der die Leser:innen in diese Welt einführt und zur ersten Leseidentifikation notwendig ist, das kennt man von diversen „X-Men“ Filmen, von „Harry Potter“ und anderen „verschulten“ Fantasy-Formaten wie etwas „Vampire Academy“ oder auch die Buch- und TV-Serie „Die Erben der Nacht“. Das Prinzip ist jedes Mal ähnlich, die grundverschiedenen Protagonisten müssen als Gruppe und als Individuen wachsen. Dabei gibt es Abenteuer, Probleme, viele wilde Gefühle und Prüfungen zu bestehen. Autor Young meistert das sehr virtuos, ist immer nahe an den Figuren und treibt die Handlung dennoch auf vielen Ebenen voran. Da kann noch Einiges kommen.

Genauso wichtig wie die Geschichte und die sympathischen neuen Figuren ist das Aussehen der neuen Serie. In dieser Hinsicht macht Humberto Ramos einen fantastischen Job. Die grundsätzliche Ausrichtung der Magie-Darstellung ist ähnlich der von Chris Bachalo sehr organisch, fantastisch und bunt ausgefallen. Alles andere als düster, sondern vielmehr vielschichtig und vor allem andersartig, so dass sich das Magische eindeutig von der Realität der Leser:innen unterscheidet.

Seiten- und Panelaufbau sind oft überbordend und voller Details, die von Edgar Delgardo bunt und lebendig koloriert werden. Oft stechen die aquarellartigen und pastellartigen Flächenschattierungen hervor und sorgen so für eine Figuren-Optik, die nicht in der klaren, flachen Kontur stehen bleibt. Bisweilen wirkt das wie eine Mischung aus Kinderbuch-Illustration und abstrakter Action für ältere Leser:innen.

Vor allem aber gelingt es Zeichner Humberto Ramos die Charaktere mit hinreißender und treffsicherer Mimik auszustatten. Wie Skottie Young in der Vorstellung der neuen Serie lobt versteht es Humberto wie kein anderer die jugendlichen Befindlichkeiten in stimmige Gesichtsausdrücke zu übertragen. Das ist schon ausgesprochen hinreißend. Ein kleines Manko sind die bisweilen unübersichtlichen Action-Sequenzen, in denen Leser:innen auch schon mal nach Fixpunkten suchen müssen, um die Szene zu verstehen. Aber wer sich erst einmal eingelesen hat, kriegt auch das gebacken; ist schließlich keine Magie.

„Strange Academy“ belebt eine bekannte und beliebte Idee der Jungendliteratur und hebt sie in den Superhelden-Kosmos des Marvel-Universums. Das hat Potential und macht Riesenspaß. Zwar dauert es logischerweise eine Weile bis all die Charaktere eingeführt sind und sich eine Klassendynamik ausbildet, aber dann macht Strange Academy richtig Laune. Vor allem weil sich Autor Skottie Young und Zeichner Humberto Ramos so großartig in heranwachsende Charaktere hineinversetzen können. Mehr davon.

Comic-Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

Strange Academy 1: Schule der Magie
OT: Strange Academy 1-6, Marvel Comics, 2020
Autor: Skottie Young
Zeichner: Humberto Ramos
Farben: Edgar Delgado
Übersetzung: Alexander Rösch
ISBN: 9783741622090
Verlag: Panini Comics, Softcover, 156 Seiten
VÖ: 18.05.2021

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Strange Academy 1 bei Panini Comics