Tschaika 21/16: Prinzessin Teddymett

Besser als die Prinzessin am Ende der Scheibe, kann man‘s nicht auf’n Punkt bringen: „Ham wa im Sack!“ damit ist nicht nur das hanebüchen schwer experimental rockende zweite Album des Outfits mit dem Limousinenkosenamen gemeint, sondern auch Ohr und Hirn des geneigten Rezensenten. Selten war eine Musik labeltechnisch besser zwischen Lärm und Lösung verortet als bei den Berlinern von Noisolution. Manch einem mag solch Musizieren bei derzeitiger Hochsommerhitze schwer gesundheitsgefährdend erscheinen. Sind sie zu wild, bist du zu zahm.

Wenn es bei der Beschreibung einer Musik erst einmal abstrus absonderlich und abwegig wird, dann hebt das bei mir die Messlatte erheblich. Wohl auch daher, weil ich meinem Lebensalter entsprechend schon die eine oder andere Musik gehört habe und immer auf Neues hoffe. Die eindeutige Sozialisation mit verzerrten Gitarren und rockigen Grooves lässt sich dabei aber nicht leugnen. Variationen gibt es dabei glücklicherweise wie Sand am Meer.

Tschaika 21/16 sind wohl eher ein Projekt als eine Band, bestehen schon länger. 2016 wurde das Debut-Album veröffentlicht. Inzwischen musiziert man zu dritt. Gitarre, Schlagzeug und Trompete sowie diverse klangerzeugende Instrumente und Geräte. Da kommt im Studio schon ein gehöriger Klangkörper zusammen. Bleibt abzuwarten was davon auch auf der Bühne funktioniert. Aber die drei Profi-Musiker sind findig genug, ihre Songs und Klangkonstrukte auch live umzusetzen. Erste Gigs sind auf Facebook schon angekündigt.

Um jetzt mal Tacheles zu reden, bei aller Spielfreude und Experimentierwut, sind Tschaika 21/16 vor allem eine heftige Uptempo Groove-Maschine. Im Wesentlichen geht die Luzie einfach ab und bewegt sich häufig im harten Rock- und Metal-Bereich mit Math-Core Ausflügen, Noise und jazzigeren Passage. Die Trompete und sonstige Blasinstrumente sorgen dabei nicht nur für klangliche Tupfer, sondern für eine ziemlich präsente fräsende Klangfarbe.

Irgendwann in der Geschichte des Rock sind die Blasinstrumente aus dieser Stilrichtung verschwunden, dabei hat sogar der Boss Bruce Springsteen einen Saxofonisten am Start. Je härter die Gangart, desto weniger Bläser-Einsatz lautet so die Faustregel. Es gibt Gegenbeispiele wie etwa die Labelkollegen von Coogan’s Bluff. Die Punks von Bottom 12 hatten back in the days auch mal eine funky Bläser-Sektion und Ölfässer am Start.

Ich hatte in den Neunzigern nach der Grunge-Phase mal so eine Öffnung ins Crossover-Jazzige, wo gelegentlich Bands mit harten Sounds und Bläsern musiziert haben. Etwa „The Grassy Knoll“, Critters Buggin‘“ aus der Seattle-Szene und vor allem die Ungarn von „Masfel“. Die wurden seinerzeit eher unter Jazz geführt, hatten aber, bevor sie in seichtere Ambient-Techno-Sphären wechselten, einen ähnlichen Ansatz wie nun Tschaika 21/16. Harte treibende Bassläufe, Tom-tom-lastige Drums und darüber sägendes Saxofon, freilich instrumental und wie früher im ehemaligen Ostblock üblich als Profimusiker im Konservatorium geschult.

Bei Tschaika 21/16 kommt noch ein Hang zu stonerlastigen Fuzzsounds hinzu und abstruse deutschsprachige Texte, die zwischen DaDa, Turbostaat‘schem poetischem Realismus und schierer Albernheit zu verorten sind. Aber bei dem mächtigen Sound müssen sich Hörer erst einmal bis zur Spracherkennung durchhangeln. Anspieltipps sind auf aufgrund der breaklastigen Songs irgendwie willkürlich und unterbleiben. Checkt das Video, leiht den Jungs selbst ein Ohr. Was soll ich hier noch lange labern.

So geht musikalische Früherziehung heute. Tschaika liefern ein wütendes Groove-Monster von experimentalem Post-Metal ab, das sich weder um Genres noch um Befindlichkeiten schert. Post-Metal auch nur, weil mir dazu nix anderes einfällt. Erlaubt ist was gefällt und die Gehörgänge gehörig durchpustet. Wer jemals die Blasinstrumente aus dem Rock herausgelobt oder für jazzig befunden hat, gehört nachträglich noch durch Spießruten gescheucht, die von wütenden Schlagzeugern gestellt wird. Musik für Leute, die neben Napalm Death und Balalaika Classix auch gepflegt ‚ne Runde ‚Trane auf den Plattenteller lieben.

Album-Wertung: 9.5 out of 10 stars (9,5 / 10)

Tschaika 21/16: Prinzessin Teddymett
Genre: Math-Core, Noiserock,
Länge: ca 54 Minuten, D, 2021
Label/Vertrieb: Noisolution, Soulfood
VÖ: 28.05.2021

Tschaika 21/16 bei Noisolution

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Tschaika 21/16
Tim – Gitarre
Onkel – Schlagzueug
Sören – Trompete

Tracklist:

  1. Teddimett 4:08
  2. Lust am Scheitern 0:09
  3. GoTTdzillas Allzweckaffe 5:52
  4. Jeder macht was ich kann 0:35
  5. Kekse kaputt 3:00
  6. Erika aus Amerika 1:07
  7. Cafe Flagranti feat. Rixdorfer P 3:27
  8. Raus aus meine Strandmusch 0:26
  9. Prinzessin Ausbaus argwöhnisch 5:41
  10. Hilfeweizen 0:26
  11. KitaHupe vs Flipper am Limit_Mst 7:28
  12. Wurscht on ze Rocks 6:27
  13. Inter Lude
  14. Mutti ist vom 7:43
  15. Making Of Konzert für stre 6:33