In den vergangenen Jahren waren die Highlights des Musikfilms fast ausschließlich im dokumentarischen Bereich zu finden. Fiktionalisierte Musikfilme haben den Spagat zwischen lebendiger Musikvermittlung und einer guten Geschichte, zumeist Musikerbiographien, oft nicht wirklich überzeugend hinbekommen oder wurden einfach inhaltlich überladen. In diesem Jahr können sich Musikfans allerdings auf drei feine Filme freuen. einer davon ist „Love & Mercy“, das Biopic über Brian Wilson, den Mastermind der Beach Boys und einen der bedeutendsten Musiker des 20. Jahrhunderts. „Love & Mercy“ ist kein Feel Good Movie, sondern eine unkonventionelle Annäherung, die auf ganzer Linie überzeugt.
In den 1960er Jahren waren die Beach Boys eine der erfolgreichsten Rock Bands der Welt und die Bruder Carl, Denis und Brian Wilson (Paul Dano) waren mit ihrem Cousin Mike Love und Freund Alan Jardin eine regelrechte Hitfabrik. Ihre unbeschwerten Surfsounds und der harmonische Falsettgesang prägten das Lebensgefühl einer ganzen Generation. Doch Brian, der musikalische Kopf der Band, will sich kompositorisch weiterentwickeln und arbeitet an komplizierteren Arrangements, während der Rest der Band in Japan auf Tournee ist. Gleichzeitig verstärken sich Brians psychische Probleme.
In den Achtzigern ist Brian Wilson (John Cussack) nur noch ein Schatten seiner selbst. Er steht unter ständiger Kontrolle des Psychiaters John Landy (Paul Giamatti), der ihn mit absurden Medikamentencocktails zu heilen versucht. Als er sich ein neues Auto kaufen will, lernt Brian Wilson die Autoverkäuferin Melinda Ledbetter (Elizabeth Banks) kennen, die von dem unkonventionellen Kunden fasziniert ist. Während sich die Beziehung intensiviert, erkennt Melinda den übermächtigen Einfluss des kontrollwütigen Therapeuten.
Regisseur Bill Pohlad, der bislang vor allem als Produzent in Erscheinung getreten ist („12 Years A Slave“, „Brokeback Mountain“, Tree of Life“), gelingt mit „Love & Mercy“ ein beeindruckendes Bio-Pic über einen der wichtigsten Musiker unserer Zeit. Dazu bedient sich das Drehbuch von Oren Moverman und Michael A. Lerner des Kniffes, sich auf zwei wesentliche Phasen aus Wilsons Leben zu beschränken: die Entstehung des legendären Albums „Pet Sounds“, das 1966 erschien, und der Loslösung von Therapeut John Landy, der Wilsons Leben jahrelang diktiert und kontrolliert hatte.
Moverman hat für Todd Haynes „I’m not There“ (2007) bereits Bob Dylan quasi dekonstruiert, der in dem Film von mehreren Schauspielern verkörpert wird. Auch „Love & Mercy“ bedient sich zweier Darsteller, um Brian Wilson in den so unterschiedlichen Lebensphasen zu zeigen. Und das Konzept geht auf, auch und gerade weil sich Wilson selbst durch die Jahrzehnte und seine psychischen Probleme so stark verändert hatte. Und sowohl Paul Dano als auch John Cussack entwickeln einen eigenen, sehr überzeugenden Zugang zu ihrer Figur, so dass die Doppelbesetzung eine große Stärke des Films ausmacht. Aber auch die großartig aufspielenden Elizabeth Banks und Paul Giamatti tragen zur gelungenen Dramatisierung in „Love & Mercy“ bei.
Es ist nicht leicht, in den Kopf eines Menschen zu schauen, aber “Love & Mercy“ gelingt das Kunststück, die Welt des Brian Wilson erfahrbar zu machen, der die Musik wie Stimmen schon fertig in seinen Kopf hörte und versuchte, eben das umzusetzen und zu reproduzieren. Mit unkonventionellen Mitteln, einem perfektionistischen Hang zur Akribie und Mut zum Experiment entstand so das „Pet Sounds“ Album, das heute als eines der wichtigsten Rockalben überhaupt gilt.
Auch das Bonusmaterial der Blu-ray überzeugt: Das etwa halbstündige Making of ist ein gelungener Blick hinter die Kulissen und zeigt, wie eng Brian Wilson und Melinda Ledbetter, die seit 1995 verheiratet sind, an dem Filmprojekt beteiligt waren. Daneben gibt es Audiokommentare, Featurettes und einige erweiterte Szenen zu erforschen.
„Love & Mercy“ bedient zwar auch die Beach Boys Ikonografie, richtet sein Augenmerk aber vor allem auf die Kreativität und Probleme Brian Wilsons. Das setzt sich auch auf der musikalischen Ebene des Dramas fort. Für die „Pet Sounds“ Sessions wurden richtige Musiker besetzt, die den Großteil der Musik auch tatsächlich eingespielt haben, was erheblich zur Lebendigkeit der Musiksequenzen beiträgt. Außerdem schafft es Score-Komponist Atticus Ross, Wilsons mit Samples und Versatzstücken von Beach Boys Songs polyphonisches Innenleben zu erfassen und anschaulich zu machen.
„Love & Mery“ ist ein großartiger Film, dem es gelingt, auf unkonventionelle Weise mit großartigen Darstellern eine spannende Geschichte zu erzählen. Dabei trifft der Film das vielschichtige Wesen Brian Wilsons und schafft es immer, dem Geist der Musik und der Kreativität treu zu bleiben.
Film-Wertung: (9 / 10)
Love & Mercy
OT: Love & Mercy
Genre: Biographie, Musik, Drama
Länge: 121 MinuteN, USA 2014
Regie: Bill Pohlad
Darsteller: Paul Dano, John Cusack, Elizabeth Banks, Paul Giamatti
FSK: ab 12 Jahren
Bonus-Material: Geschnittene Szenen; Audiokommentare Bill Pohland & Owen Moverman; Making of; Der Look von Love & Mercy; Promo Making of; Trailer
Vertrieb: Studiocanal
Kinostart: 11.06.2015
DVd-& BD VÖ: 15.10.2015
offizielle deutsche Love & Mercy Homepage
Homepage Brian Wilson