Anne With An „E“ – Neues aus Green Gables – Staffel 3

Nun veröffentlicht Justbridge Entertainment auch die abschließende, dritte Staffel der Netflix-Serie „Anne With an „E““ – Neues aus Green Gables“ auf DVD und Blu-ray für das klassische Home-Entertainment. Serien-Macherin Moira Walley-Beckett bringt die Saga um das einstige Waisenkind, das auf der Farm der Cuthberts ein neues Zuhause gefunden hat, zu einem sehenswerten Abschluss und für Anne eine Lebensphase zu Ende.

Für Quereinsteiger ist die dritte Staffel von „Anne With an „E““ allerdings nicht zu empfehlen. Die Handlung, die lose aber in weiten Zügen auf dem Jugendbuchlassiker „Anne aus Green Gables“ von Lucy Maud Montgomery beruht, ist über alle Staffeln fortlaufend und so geht neuen Zuschauern schlicht zuviel verloren. Es bietet sich an mit der ersten Staffel zu beginnen.

Dennoch an dieser Stelle eine Zusammenfassung der bisherigen Handlung: Mit dreizehn Jahren kommt das Waisenkind Anne Shirley (Amybeth McNulty) zu den älteren Geschwistern Marilla (Geraldine James) und Matthew (R.H.Thompson) Cuthbert. Die beiden bewirtschaften auf King Edward Island im Kanadischen Neuschottland eine Farm nahe des (fiktiven) Städtchens Avonlea.

Anne kommt durch eine Verwechslung zu den Cuthberts, die eigentlich einen Jungen als Hilfe auf der Farm suchten. Nach einigen Anlaufschwierigkeiten fügt sich die rothaarige Anne in das Leben des kleinen Städtchens ein. Anne findet in den Schulkameradinnen Diana und Ruby gute Freundinnen und in dem Jungen Gilbert Blythe auch einen Bruder im Geiste.

Doch nach dem Tod der Eltern macht sich Gilbert auf, die Welt zu erkunden, während in Avonlea scheinbar Gold gefunden wurde. Anne schreibt Gilbert von dem möglichen Reichtum, der sich auch unter seiner Farm befinden könnte. Doch letztlich stellt sich der Goldfund als Trickbetrug heraus, der viele Bürger von Avonlea, unter anderem auch die Cuthberts etliches an Ersparnissen gekostet hat.

Die Einwohner müssen von Avonlea müssen sich auch noch auf andere Neuzugänge einlassen. Vor allem die Hosen tragende, verwitwete neue Lehrerin Ms. Stacy (Joanna Connors) scheint sehr fortschrittlich orientiert. Gilbert kommt mit einem Freund nach Hause, den er beim Kohleschaufeln auf einem Schiff kennen gelernt hat. Sebastian „Bash“ stammt aus Trinidad und ist farbig, in Avonleas Farbigenslum lernt er Mary, die Liebe seines Lebens, kennen. Beide ziehen auf der Blythe Farm ein, die Bash nun gleichberechtigt mit Gilbert betreibt.

„Die Braut des Abenteuers“

Nun zu Beginn der dritten Staffel steht Anne Shirley Cuthberts 16. Geburtstag bevor. Das Mädchen verspricht sich davon sehr viel mehr Freiheit und Selbstbestimmung auf dem Weg ins Erwachsenenleben. Doch zunächst entdecken auch die Jungen in der Schule ihr Interesse an den Mädchen. Das führt zu einiger mehr oder minder romantischer Verwirrung. Diese Alter in der Pubertät fordert Gedanken über das eigene Selbstbild, gesellschaftliche Stellung, Sexualität förmlich heraus und stürzt viele Kids und Eltern in Verwirrung.

Gilbert Blythe will immer noch Arzt werden und hilft immer noch in einer Praxis in der nächst größeren Stadt aus. Dabei lernt er die Praxishelferin Rose besser kennen und macht ihr Avancen. Die Farmarbeit bleibt weitgehend an Bash hängen, dessen Familienglück mit der Geburt einer Tochter vollkommen scheint. Doch Mary erkrankt.

Währenddessen hat sich Marillas Freundin Rachel in den Kopf gesetzt, für die Lehrerin einen Mann zu finden. Diana beginnt heimlich sich mit Matthews armem Stallburschen Jerry zu treffen. In Avonlea hält der Jahrmarkt Einzug und die Cuthberts müssen sich mit Annes Wunsch auseinandersetzten, ihre leiblichen Eltern suchen zu wollen. So verständlich die Frage nach der Herkunft auch ist, die „Adoptiveltern“ Moira und Matthew fühlen sich etwas zurückgesetzt.

„Das bedeutet wahre Tapferkeit“

Es bleibt weiter turbulent in Moira Walley-Becketts sehr eigenständiger Adaption des beliebten und häufig verfilmten Jugendbuchklassikers „Anne von Green Gables“. Lucy Maud Montgomery hat viele beliebte Fortsetzungen ihres Romans geschrieben und quasi das gesamte Leben ihrer jungen Heldin ausformuliert. „Anne With An E“ basiert nur auf dem ersten Buch.

Allerdings begann Drehbuch-Autorin und Show-Runnerin Walley-Beckett bereits in der vorangegangenen, zweiten Staffel modernere Themen in die Welt der kanadischen Provinz hineinzubringen. Das waren neben naheliegenden Themen von Emanzipation und Feminismus vor allem das Problem des Rassismus und der Homophobie. Nun kommen in der finalen Staffel noch Mobbing und Gender-Themen hinzu.

Es geht auch um Pressefreiheit bei der Schülerzeitung und als Politikum um das historisch belegte Missionieren der indigenen Bevölkerung in Missionsschulen. Sowohl Kanada als auch Australien, in denen ebenfalls praktiziert wurde, die Kinder der indigenen Bevölkerung von ihrem kulturellen Erbe zu entfremden, haben sich als Staaten quasi bei den Ureinwohnern entschuldigt.

Wahrscheinlich hat sich das Publikum der Serie, das mit Moira Walley-Becketts bisweilen offensivem Aufklärungskurs konfrontiert wird, nach der zweiten Staffel in jene, die es mögen, und jene, denen es nicht vorlagentreu genug ist, geteilt. Nicht alle die neuen Serienelemente und Handlungsstränge sind gleichermaßen überzeugend, aber storytechnisch bringt die dritte Staffel am Ende alles auf den Punkt und entlässt Anne und ihre Schulkameradinnen in die große Welt des weiterführenden Queens Colleges.

Auch wenn Bashs Geschichte herzergreifend ist und wenn in der dritten Staffel die Handlungselemente breit gestreut und auf viele Schultern verstreut sind, ist und bleibt die Serie doch am wahrhaftigsten, wenn sie nahe bei Anne und Gilbert ist und wenn sie Marilla und Matthew zeigt, die in ihrer Zeit als „Eltern“ ganz erheblich an Lebensqualität und Glück dazugewonnen haben. Auch und gerade die beiden älteren Charakterdarsteller sind in den großartigen, sich entwickelnden Rollen Garanten für sehenswerte Serienunterhaltung. Und bei aller Modernisierung und Achtsamkeit ist und bleibt „Anne with an E“ vor allem eine herausragende Familienunterhaltung. Die in der Darstellung schwieriger Themen beileibe nicht kindlich naiv ist, aber nie in Konflikte mit der Altersfreigabe kommt.

Schade, dass es schon vorbei ist. Gerne hätten die Serienmacher auch den weiteren Lebensweg von Anne Shirley Cuthbert und ihren lieben Menschen in ein Serienformat bringen dürfen. Aber die produzierenden Sender hatten andere Pläne. Die drei Staffeln von Moira Walley-Becketts „Anne With An E“ sind herausragende moderne Serienunterhaltung für die ganze Familie. Das bleibt dem Motto des Titlesongs von The Tragically Hip treu und ist „Ahead of the Century“.

Serien-Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

Anne With An „E“ – Neues aus Green Gables – Staffel 3
OT: Anne With An „E“, Season 3
Genre: TV-Serie, Drama, Familie
Länge: ca. 430 Minuten (10 Folgen), CDN, 2019
Idee: Moira Walley-Beckett
Vorlage: Lucy Maud Montgomery „Anne of Green Gables“ (1908)
Regie: Anne Wheeler, Kim Nguyen, Norma Bailey et al.
Darsteller: Amybeth McNulty, R.H.Thomson, Geraldine James
FSK: ab 6 Jahren
Vertrieb: Justbridge Entertainment,
DVD- & BD-VÖ: 23.04.2021

Offizielle Webseite bei Netflix
Anne auf Green Gables beim Loewe Verlag
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