Nachdem vor knapp zwei Monaten die erste Staffel der international hochgelobten Krimireihe „Kommissar Wallander“ mit Charakterdarsteller Kenneth Branagh in der titelgebenden Rolle als ikonischer Ermittler aus den Krimis von Henning Mankell veröffentlicht wurde, legt Edel Motion nun die zweite Staffel der erfolgreichen Serie nach. Fans und solche, die es werden wollen, können sich auf drei weitere spielfilmlange TV-Krimis freuen.
Wer bereits die erste Staffel der TV-Serie „Kommissar Wallander“ kennt, wird wissen, dass es sich um international koproduzierte TV-Krimis handelt, die unter Federführung der BBC entstanden. In vier Staffeln mit jeweils drei spielfilmlangen Fällen werden im Prinzip alle Wallander-Romane verfilmt, die Henning Mankell geschrieben hat.
Die Wallander Romane des 2015 verstorbenen Autors erschienen vor allem in den 1990er Jahren, mit Nachzüglern 2009 und 2013. Die TV-Serie wurde von 2009 bis 2016 gedreht. Die vorliegende zweite Staffel beinhaltet drei jeweils abgeschlossene Roman-Verfilmungen, allerdings nicht in der chronologischen Reihenfolge der Literaturvorlagen.
Zu Beginn der zweiten Staffel bekommt es Wallander mit einem „Mörder ohne Gesicht“ zu tun, dem eigentlichen Roman-Auftakt der Wallander-Reihe, der 1991 erschien. Anschließend macht „Der Mann, der lächelte“ Wallander das Leben schwer, nach dem vierten Roman der Reihe (1994). Zum Abschluss suchen der Kommissar und sein Team „Die fünfte Frau“, nach dem sechsten Fall der Roman-Reihe von 1996.
Wie bereits bei der Vorstellung von „Kommissar Wallander – Staffel 1“ geht es zunächst inhaltlich in die einzelnen Filme, die jeweils weitgehend den Romanvorlagen entsprechen (bis auf die Anpassungen im Privatleben der Figuren, die nötig sind, wenn die Chronologie umgestellt wird). Die Drehbücher stammen auch in der zweiten Staffel von Richard Cotton („The Fear“).
„Mörder ohne Gesicht“
In „Mörder ohne Gesicht“ (OT: „Mördare utan ansikte“, Englisch: „Faceless Killer“) wird ein altes Bauernehepaar auf blutige Weise erstochen. Kurt Wallander erreicht den Tatort als die Frau noch lebt, doch der Kommissar kann die letzten Worte der Frau kaum verstehen. Die Ermittlungen kommen nicht vom Fleck, es fehlt schlicht ein Motiv für die Greueltat. Die Polizei von Ystadt hat keinen Anhaltspunkt, außer jenem Gestammel, das vielleicht „Ausländer“ bedeuten könnte.
Wallander ist sich bewusst, dass dieses Detail nicht öffentlich werden darf, dennoch gelangt die Information an die Presse. Es kommt, wie es kommen muss und Fremdenhass und Rassismus nehmen zu. Unbekannte drohen mit Vergeltung und tatsächlich wird kurz darauf ein landwirtschaftlicher Erntehelfer erschossen.
Kurt Wallander hat auch noch private Sorgen: Tochter Linda einen neuen Freund. Der junge Mann ist zwar Arzt, aber syrischer Abstammung. Kurt weiß nicht genau, wie damit umgehen. Zu allem Überfluss wird bricht Kurts Vater im Atelier zusammen und muss in Krankenhaus.
Regisseurin Hettie Macdonald schafft es, die sommerliche Hitze Südschwedens auch auf die aufgeheizte Fremdenfeindlichkeit zu übertragen, Der Fall ist solide inszeniert und Kenneth Branagh hat als Wallander Einiges auszustehen. Branagh legt die Rolle wie gewohnt mit minimalistischen Ausdruck an, muss aber immer mal wieder aus seiner Komfortzone heraus.
Ein Manko des Falles ist – anders als im Roman – die lange auf der Stelle tretende Mordermittlung. Zudem lebte die Vorlage seinerzeit von den Parallelen zum Palme-Mord und von Mankells Kritik am zunehmenden Rassismus in Schweden, der in der Verfilmung eher unspezifisch bleibt. (6/10)
„Der Mann, der lächelte“
Der zweite Fall der Staffel „Der Mann, der lächelte“ (OT: „Mannen som log“, Englisch: „The Man who smiled“) beginnt damit, dass Kurt Wallander von Sten Torstensson, einem alten Freund, aufgesucht wird, der ihn bittet, den Todesfall seines Vaters zu untersuchen. Wallander hat sich aufgrund von Geschehnissen im vorangegangenen Fall, aus dem Polizeidienst zurückgezogen, ist aus Ystad ins Private geflüchtet und will dem Freund den zunächst Gefallen nicht tun.
Als sich Wallander anders entscheidet, hat sich Torstensson das Leben genommen. Wallander mischt sich in Magnussons (Tom Hiddleston) Ermittlungen ein und mit Hilfe von Gerichtsmediziner Nyberg verdichten sich die Anzeichen für Morde, die als Selbsttötungen kaschiert wurden. Vater und Sohn hatten Drohpostkarten mit afrikanischem Motiv bekommen, genau wie deren reicher Klient Hardenberg (Rupert Graves). Hardenberg hat reich geerbt und gefällt sich sich als Wohltäter für das arme Afrika.
Als Roman gehört „Der Mann, der lächelte“ zu meinen Wallander-Lieblingen und auch die Verfilmung von Regisseur Andy Wilson kann sich sehen lassen. Zwar bleibt die Spannung auch in dieser Ermittlung hinter der Buchvorlage zurück, aber die Komplexität der wirtschaftskriminellen Verstrickungen weiß auch auf dem Bildschirm zu gefallen. (7/10)
„Die fünfte Frau“
Nachdem Kurt Wallander wieder in den Polizeidienst zurückgekommen ist, bekommt es die Polizei von Ystad mit einigen scheinbar zusammenhanglosen Vermisstenfällen zu tun. Alte, alllein lebende Männer werden vermisst. Ein Heizöllieferant meldet sich bei der Polizei, weil ein Stammkunde wiederholt nicht zu Hause war.
Ausgerechnet Wallander muss nach dem Rechten sehen und stößt auf den aufgespießten Leichnam eines Vogelkundlers. Dann taucht ein Blumenhändler nicht wieder auf, doch dessen ehemalige Geliebte und Geschäftsführerin Vanja Anderson (Saskia Reeves) sorgt für erste brauchbare Spuren, als sie am aufgefundenen Koffer des Vermissten ungewöhnliche Spuren von Parfüm feststellt.
„Die fünfte Frau“ ist ein solider TV-Krimi, der gut in die Reihe passt und eine ausgewogene Mischung an Polizeiarbeit und Wallander Privatleben und Problemen bietet. Allerdings habe ich die Romanvorlage als ausgesprochen brutal und explizit gelesen, aber auf übermäßige Gewaltdarstellungen verzichtet die Verfilmung. (6/10)
Die Macher und Produzenten der TV-Serie rütteln in der zweiten Staffel der Filmreihe nicht an ihrem Erfolgskonzept und die Beliebtheit beim Publikum gibt Branagh & Co. Recht. Alle Fälle sind in sich abgeschlossen und es gibt einige Handlungselemente, die sich durch die Serie ziehen, Bei Wallander ist es vor allem das Verhältnis zum granteligen Vater (David Warner), der zusehends gebrechlich wird. In der einen oder anderen Szene kommt mir Branagh dabei zu pathetisch rüber, nachdem er sich so lange bemüht hat, Wallander als emotional verschlossenen Eigenbrödler zu etablieren, aber das mag jede:r anders sehen.
Wer die Verfilmungen der Kurt Wallander Krimis mit Shakespeare-Darsteller Kenneth Branagh bereits kennt und schätzt, darf sich auch in der zweiten Runde auf charakterstarke Krimi-Dramen freuen. Mir fehlen dabei trotz aller Unterhaltungswerte bisweilen die Kanten.
Serien-Wertung: (6 / 10)
Kommissar Wallander – Staffel 2
OT: Wallander Season 2
Genre: TV-Serie, Krimi, Thriller
Länge: 270 Minuten (3 x 90), GB/ S/D, 2010/11,
Regie: Hettie MacDonald, Andy Wilson, Aisling Walsh
Vorlage: Romane von Henning Mankell
Darsteller: Kenneth Brannagh, Sarah Smart, Jeanie Spark, Tom Hiddleston
FSK: ab 16 Jahren
Vertrieb: Edel Motion, BBC , Yellow Bird, ARD Degeto
DVD-VÖ: 27.11.2020
(Auch als VoD erhältlich)