Vor ein paar Tagen habe ich begonnen, in loser Reihe Filme vorzustellen, die in Pandemie-geprägten Zeiten vielleicht Perspektiven aufzeigen und zum Weiterdenken anregen könnten. Zu diesen Themen gehört auch Musik, insbesondere die Weitergabe von Tradition und Lebensweise in folkoristischem Liedgut. 2013 kam mit „Bardsongs“ ein Film in die Kinos, der diese globale Liedtradition erzählerisch aufgreift. Mit seinen drei parabelhaften Geschichten vom Glück spannt der niederländische Regisseur Sander Franken einen fast weltumspannenden Bogen und bringt uns gleichzeitig in Kontakt mit einer vergessenen Tradition dem musikalischen Geschichten erzählen. „Bardsongs“ ist ein faszinierendes filmisches Experiment.
In fast allen Gesellschaften gibt oder gab es die Tradition, mit Liedern Wissen oder die eigene Geschichte zu vermitteln. In der modernen westlichen Welt kommt der Musik heute allerdings weitgehend unterhaltender Wert zu; das Element der Oral History ist beinahe vollständig verschwunden. In anderen Kulturkreisen ist das keineswegs so.
„Bardsongs – Geschichten vom Glück“ nimmt Stories aus drei traditionellen Liedern und setzt diese in Szene, während Musiker das Lied spielen und Sänger die Geschichte erzählen. Den Anfang macht der hinduistische Plastiksammler in Indien, der mit seinem Sohn zusammen unterwegs ist und von diversen „Schicksalsschlägen“ heimgesucht wird, sich aber nie entschließen kann sein Unglück zu bejammern oder sein Glück zu preisen. Wer weiß, ob es sich tatsächlich als solches herausstellt.
Im Mali muss der neunjährige Muslim Bouba die Frage beantworten, was denn der größte Teil allen Wissens ist? Bei seinen Erkundungen stößt er auf verschiedene Antworten, die sein Lehrer allerdings nicht gelten lässt. In der dritten Episode bekommt das Rind eines nepalesischen, buddhistischen Bauern ein Kalb. Die Dorfgemeinschaft beschließt, er solle es verkaufen und sich ein nützliches Mobiltelefon zulegen. Also zieht er mit seiner Tochter, die das Kalb am liebsten behalten würde zum Markt. Unterwegs bekommt der Bauer immer wieder neue Ratschläge.
Regisseur Sander Francken lässt sich auf ein erstaunliches filmisches Experiment ein. Das erzählen der Geschichten ist dabei der kleinste Teil. Es geht um das Zusammenspiel von Musik, die nicht als Hintergrunduntermalung eingesetzt wird, sondern die Handlung trägt, und Bildern, die eigentlich die filmische Aufgabe der Musik mitübernehmen. Ganz so, ist es am Ende doch nicht, aber der verbindende Ansatz ist vorhanden. Was das Verhältnis von Lied und Spielszenen angeht ist „Bardsongs“ wirklich gelungen, auch wenn in der nepalesischen Episode der Bildanteil die Oberhand gewinnt und die Verquickung nicht ganz so optimal umgesetzt wirkt.
Obwohl die drei Lieder und Episoden für sich stehen, haben sich doch so viele Gemeinsamkeiten, allein schon in ihrer traditionellen Einbettung, dass sie ein Ganzes ergeben. Die Aussage von „Bardsongs“ ist klar und verständlich: In dem was seine Seele berührt, gleicht sich der Mensch – weltweit, unabhängig von Religion oder Kultur. Diese interkulturelle Botschaft mag in ihrer vermeintlichen Einfachheit naiv erscheinen, ist aber eindrucksvoll und sehr sensibel in Szene gesetzt und durch die kommunikative und verbindende Wirkung der jeweiligen traditionellen Musik ins rechte Licht gerückt.
„Bardsongs – Geschichten vom Glück“ ist kein Mainstreamkino und Zuschauer sollten schon eine Portion Weltoffenheit und eine Hang zu folkloristischem Liedgut mitbringen, um den sehenswerten Film auch genießen zu können.
Film-Wertung: (8 / 10)
Bardsongs – Geschichten vom Glück
OT: Bardsongs
Genre: Drama,
Länge: 94 Minuten, NL, 2010
Regie: SanderFrancken
Darsteller: Dhamender Singh, Kishan Soni, Kolado Bocoum, Abba Bilancoro, Tse wang Spalgon, Deachen Yangdol
FSK: ohne Altersbeschränkung
Vertrieb: Barnsteiner, as2Edition
Kinostart: 14.03.2013