Verliebte Feinde: Eine unkonventionelle Ehe

Aus dem Archiv in den #MayRomantic: „Verliebte Feinde“ von 2013. Ende der 1950ern schaffte es Iris von Roten, die gesamte Schweiz gegen sich aufzubringen. Sie veröffentlichte die Streitschrift „Frauen im Laufgitter“. Die Filmbiographie „Verliebte Feinde“ beschäftigt sich nicht nur mit Iris von Roten sondern auch mit ihrem Gatten Peter und der erstaunlich liberalen Ehe der beiden.

Es ist so etwas wie der Gründungsmythos der Liebe zwischen Iris Müller (Mona Petri) und Peter (Fabian Krüger) von Rothen, dass der junge katholische Jurastudent der attraktiven Frau buchstäblich bis in ihr Zimmer nachsteigt. Erst einige Jahre später sollte daraus eine Beziehung werden, die erstaunlicherweise bis zu Iris von Rotens Freitod im Alter von 73 Jahren hielt.

Iris von Rothen veröffentlichte unter dem Titel „Frauen im Laufgitter“ eine emanzipatorische Streitschrift, an der sie jahrelang gearbeitet hatte. Darin räumt sie gründlich mit dem konservativ katholischen Frauenbild auf und fordert grundlegende Gleichberechtigung und sexuelle Emanzipation. Erstaunlicherweise ging das Buch und die darin entfaltete Gedankenwelt auch vielen der Frauenrechtlerinnen zu weit, die zu diesem Zeitpunkt gerade vergeblich damit beschäftigt waren, das Frauenwahlrecht einzufordern.

Dabei gab es durchaus Streitpunkte zwischen den Liebenden: Er gläubig katholisch und konservativ, aus landadeligem Hause und auf der Keuschheit vor der Ehe beharrend, sie agnostisch liberal, aus bürgerlichem Haus und mit großer sexueller Neugier und starkem Gelichberechtigungsdrang ausgestattet. Vor allem die Familie von Roten tat sich sehr schwer, die Ehefrau ihres Sprößlings zu akzeptieren.

Die Emanze und der Konservative

Dennoch heiratet der spätere Politiker, der sich unbeirrbar für das Frauenwahlrecht einsetzt, seine große Liebe. Und muss sie Mitte der 1950er ziehen lassen, damit sie in Amerika an ihrem Buch arbeiten und sich in amourösen Abenteuern ausleben kann. Später kehrt sie in die kleinbürgerliche Schweiz zurück und veröffentlicht ihr Buch. Den öffentlichen Anfeindungen aus allen Richtungen ist sie allerdings nicht gewachsen, und so bricht sie erneut zu reisen auf und schreibt einen Reiseführer über die Türkei.

Der Film „Verliebte Feinde“ von Regisseur Werner Schweizer basiert auf der gleichnamigen Doppelbiographie von Wilfried Meichtry, der auch das Drehbuch erarbeitete. In einer Mischung aus Spielszenen, Zeitzeugenberichten und historischen Archivmaterial über die schweizer Politik entsteht ein lebendiges Bild dieser vermeintlich seltsamen Ehe und über das Denken und Verhalten einer starken Vorkämpferin für die Emanzipation der Frauen.

Doch „Verliebte Feinde“ zeichnet kein Heldinnen-Portrait, sondern zeigt eine selbstbewusste Frau, die auch ihre aggressiven, narzisstischen und widersprüchlichen Charakterzüge hat und es ihre Umwelt so nicht leicht machte, ihre bahnbrechende Schrift und ihre Ideale zu akzeptieren. Ein Stück schweizer Zeitgeschichte, das zeigt, wie sehr sich alte Werte und Traditionen und vor allem Machtverhältnisse gegen Wandel zu behaupten wissen.

Nach Meichtrys Buch „Verliebte Feinde“

Der Titel „Verliebte Feinde“ scheint allerdings angesichts von Peter von Rotens beinahe bedingungsloser Liebe und liberalen Unterstützung für seine Frau und deren Ideale etwas deplatziert. Doch geht „Verliebte Feinde“ auf ein Zitat Peter von Rotens bezüglich seiner Ehe zurück und wird deshalb von dem Autor Meichtry als treffender Titel für Biographie und Film erachtet.

Rein filmisch betrachtet ist die Vermischung von gelungenen Spielszenen mit Archivmaterial sehr gut gelungen. Die Interviewsequenzen allerdings stören den Film in seiner Gesamtheit von 100 Minuten ein wenig, da sie häufig redundant eingesetzt werden, also etwas beleuchten, was sowieso danach inszeniert wird. Hätte man darauf verzichtet, wäre der Erzählfluss interessanter und auch kurzweiliger geworden. Doch die Filmmacher haben die Zeitzeugen bewusst zum Einsatz gebracht, wohl auch, um dem dokumentarischen, biographischen Ansatz zu genügen und nicht auf eine vermeintlich fiktionalisierte Spielfilmbiographie zu setzen.

Nach dem Film erstaunt es nicht mehr, dass „Frauen im Laufgitter“ erst in der zweiten Auflage, die 1991, also nach Iris von Rothens Tod, erschien eine entsprechende Würdigung als emanzipatorische Streitschrift fand. Die Frau war ihrer Zeit definitiv voraus, wenngleich das in der im Film abgebildeten Schweiz der 1950er Jahre nicht allzu schwierig war. Es bleibt fraglich, ob die etwas zu lang und zu ausführlich geratene filmische Portraitierung des Ehepaars von Roten an der Kinokasse ein Erfolg werden wird, insgesamt wirkt der Film etwas zu fernsehspielartig.

Film-Wertung: 5 out of 10 stars (5 / 10)

Verliebte Feinde
OT: Verliebte Feinde
Genre: Doku, Biografie
Länge:112 Minuten, CH, 2013
Regie: Werner Schweizer
Darsteller:innen: Mona Petri, Fabian Krüger,
FSK: ohne Altersbeschränkung, ab 0 Jahren
Vertrieb: Good Movies, Indigo
Kinostart: 02.05.2013
DVD-VÖ: 24.06.2016