Mein Ende. Dein Anfang: Quantentheorie der Liebe

Physik-Vorlesungen sind langweilig, mögen etliche Zuschauer denken. Doch diejenige, die Noras Freund zu Beginn des herausragenden Dramas „Mein Ende. Dein Anfang“ hält, ist wegweisen für die ungewöhnliche und verschachtelte Erzählstruktur des Debutfilms von Regisseurin Mariko Minoguchi. Doch bei aller Theorie ist „Mein ende. Dein Anfang“ auch wegen bärenstarker Darstellerleistungen mein packender Film über Liebe, Schicksal und Trauer. Nun erscheint einer der stärksten deutschen Filme des vergangenen Jahres bei Eurovideo auf Blu-ray und DVD für das Home-Entertainment.

Eigentlich gesteht die junge Filmmacherin Mariko Minoguchi sei der Film das, was herausgekommen sei, nachdem ihr Bruder versucht hat ihr die Relativitätstheorie zu erklären. Aber „Mein Ende. Dein Anfang“ ist absolut kein Nerd-Vergnügen, sondern ein vielschichtiges und ergreifendes Liebes-Drama, in den einfach die Zeitebenen verschachtelt und verrückt sind, so dass die Zuschauer nie wissen, wo beziehungsweise wann im Verlauf der Ereignisse sie gerade sind.

Dabei beginnt „Mein Ende. Dein Anfang“ mit dem Tod von Noras (Saskia Rosendahl) Freund (Julius Feldmeier). Nach dessen gelungener Vorlesung (die übrigens darum ging, das die Zukunft und die Vergangenheit für die Gegenwart gleich wichtig sind, obwohl wir die Zukunft überhaupt noch nicht kennen) geht das Paar in die Stadt, hält unterwegs nochmal bei einer Bank, weil die neue EC-Karte noch nicht da ist und gerät mitten in einen Banküberfall. Die Sache läuft aus dem Ruder und Noras Freund wird tödlich verletzt.

In den folgenden Tagen trauert Nora und erinnert sich an gemeinsame Erlebnisse, das Kennenlernen und die eigene Kindheit. Zwischendurch hängt die junge Frau bei ihrem Job als Kassiererin im Supermarkt eher durch, aber zuhause fällt ihr die Decke auf den Kopf.

Karaoke in der Eckkneipe

Als sie eines Abends die Gedenkkerzen vor der Bankfiliale völlig abwesend auf die Fahrbahn läuft, wird sie von Natan (Edin Hasanovic) gerettet. Der junge Familienvater, der als Nachtwächter arbeitet, hat gerade ganz andere Sorgen, denn seine kleine Tochter leidet an einer seltenen Krankheit und braucht dringend einen Organspender. Als sich Nora und Nathan nachts nach einem Club-Besuch erneut begegnen, freunden die beiden sich an und finden über den Schmerz hinaus eine Verbindung zueinander.

Es wäre an dieser Stelle den Lesern und potentiellen Zuschauern gegenüber unfair, an dieser Stelle weiter ins Detail der Handlung zu gehen. Die vielen Doppeldeutigkeiten, Zufälle (oder Schicksalsfügungen), Parallelitäten, Konstruktionen und Setzungen des filmischen Settings mögen vielleicht nicht alle gleichermaßen überzeugen, aber das Langfilmdebut von Mariko Minoguchi ist nicht nur ambitioniert, sondern auch emotional mitreißend ausgefallen, so dass verkopfte Detailkritik auch nicht weiter zum Verständnis des Films beiträgt.

„Ich glaube nicht an Zufälle. Die sind nur Mangel an Informationen“

Wichtig ist, dass der Prolog der Physik-Vorlesung über die Relativitätstheorie die folgenden Ereignisse in ein anderes Licht taucht. „Mein Ende. Dein Anfang“ ist ohnehin nicht als lineare, chronologisch fortlaufende Erzählung angelegt, aber durch die Gedanken über den Verlauf der Zeit fragt man sich schon gelegentlich wann man sich gerade befindet und beobachtet die Protagonisten genau.

Es liegt sicher auch an den verschlossenen Charakteren von Nora und Natan, dass man nie so genau weiß, woran man bei den beiden ist. aber es istvon Saskia Rosendahl („Lore“, „Wir sind jung. Wir sind stark“), Edin Hasanovic („Das Leben ist nichts für Feiglinge) und Julius Feldmeier („Tore Tanzt“) auch herausragend gespielt, wie die beiden mit ihren Ängsten, Verlusten, ihrem Versagen und ihren Hoffnungen umgehen. Je weiter der Film fortschreitet, desto intensiver wird der hypnotische Strudel von „Mein Ende. Dein Anfang.“ Und die abschließenden Wendungen sind ebenso stimmig wie überraschend.

Am Ende ist nicht nur Nora am Anfang, sonders es löst sich dann auch der Titel auf. In seiner emotionalen und psychischen Katharsis entlässt das Drama die Zuschauer doch noch mit Hoffnung aus dem Dunkel des Kinosaals.

Film-Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

Mein Ende. Dein Anfang
Genre: Drama
Länge: 111 Minuten, D, 2019
Regie: Mariko Minoguchi
Darsteller: Saskia Rosendahl, Julius Feldmeier, Edin Hasanovic,
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Telepool, 24 Bilder, Eurovideo
Kinostart: 29.11.2019
DVD- & BD-VÖ: 04.06.2020