Das Buch „Wenzel Storch: Die Filme“

Cover_Storch-vorJetzt fange ich diese Buchvorstellung schon zum x-ten Mal an. Es hat einfach keinen Sinn, sich dem großartigen und reich bebilderten Buch über Deutschlands eigenwilligsten zeitgenössischen Filmmacher, Wenzel Storch, auf eine Weise nähern zu wollen, die auch nur ansatzweise den Humor und die überbordende, trashige Fantasie des Künstlers wiedergeben würde. Insofern, jetzt mal flink alle pseudoliterarischen Ergüsse zerrissen und schlicht auf das Wesentliche beschränken, damit es dieser Besprechung von „Wenzel Storch: Die Filme“ nicht so geht, wie der „Reise ins Glück“,  Storchs drittem und bislang letztem Spielfilm, der eine Produktionszeit von zehn Jahren gebraucht hat. 

Wenzel Storch ist in Hildesheim unter sehr katholischen Bedingungen aufgewachsen, hat später dann eine prägende Zeit in einem abrissreifen Haus gelebt und sich ganz seiner durchaus verschrobenen Kreativität verschrieben. Der Mann malt, schreibt, macht Musik und sammelt oder sammelte katholische Kuriositäten (und ist auf dem Gebiet inzwischen ebenso eine Koryphäe wie als Arno Schmidt Kenner, wie ich jüngst in einer TV-Doku zum 100. Geburtstag Schmidts festgestellt habe). Irgendwann ging das Sammeln von absurden Devotionalien und anderem sinnbefreiten, aber einflussreichen Kulturgut dann in eine filmische Auseinandersetzung über. Herausgekommen ist 1989 „Der Glanz dieser Tage“.

Chicago StorchVon der Pike auf, oder auch komplett unbedarft, machten sich Wenzel Storch und Mitstreiter an ihr erstes Filmprojekt. Mit fantasievollem  DIY-Ansatz (Do it Yourself) und ohne nennenswerte Finanzmittel schusterte Storch seinen ersten Spielfilm zusammen. Grob, wirklich nur ganz grob,  geht es um die Auseinandersetzung mit der katholischen Kirche. Immerhin bringt das Projekt auch euphorisches Kritikerlob  und (schon wieder zitiert) die „Titanic“ entdeckt ihn als „Deutschlands bester Regisseur“.

1992 folgte dann der zweite Film „Sommer der Liebe“ über die Flower Power in den 1970er Jahren und 2004 dann „Die Reise ins Glück“, der durch megalomanische, selbstgestrickte Kulissen und Kostüme scheinbar endlose Produktionszeiten beanspruchte. Aber das ist nun auch schon wieder zehn Jahre her. Und daher kommt nun die Legitimation des Buches, denn das Filmschaffen Wenzel Storchs ist weitgehend unbekannt und hat im filmischen Mainstream auch nichts verloren. Das wird sich auch nicht ändern, aber ein wenig mehr Aufmerksamkeit würde man den einzigartigen Filmen schon wünschen.

R_I_G_Plakat_deutsch„Wenzel Storch: Die Filme“ ist ein Konglomerat aus diversen Interviews, die so aneinandergeschnitten sind, dass sich eine stimmige biographische Linie herausbildet. Der Filmmacher und Künstler erweist sich (erwarteter Weise) als extrem unterhaltsam und auch gnadenlos witzig. Kaum eine Seite ohne zitierwürdigen Gag. Außerdem ist das Buch mit Unmengen an kuriosem Bildmaterial angefüllt:  dokumentarische Fotos, absurde Buchfunde, Zeichnungen und  Fotos von den Dreharbeiten bieten ein rundum großartiges Leseerlebnis und einen perfekten Einstieg in das wahnwitzige Werk von Wenzel Storch.

Bei Cinema Surreal sind übrigens bislang „Der Sommer der Liebe“ und „Die Reise ins Glück“ als DVD-Editionen erschienen, die mit Unmengen an Bonusmaterial vollgepackt sind. Für 2014 ist auch eine erstmalige Veröffentlichung von „Der Glanz dieser Tage“ geplant. Außerdem sei auf Storchs hochinformative und gut gepflegte Homepage verwiesen, wo die Trailer zu den Filmen und diverse andere Infos zu Filmen, Büchern und anderem kreativen Output zu finden sind. Bei der Gelegenheit: Am 15. März ist eine Lesung von Wenzel Storch im Hamburger Metropolis-Kino angekündigt. Wer sich also „Wenzel Storch: Die Filme“ noch signieren lassen will, sollte das nicht verpassen.

Fazit: Dieses Buch hat zwei Nachteile: 1. Es ist kein Film. 2. Es ist zu kurz. Darüber hinaus habe ich mich lange nicht mehr so schelmisch und herzerfrischend amüsiert. Unbedingt lesen, auch wenn man die Filme nicht kennt!

Buch-Wertung: 9.5 out of 10 stars (9,5 / 10)

Cover_StorchWenzel Storch: Die Filme
Autor: Wenzel Storch
Genre: Sachbuch, Humor, Film
Verlag: Martin Schmitz Verlag, Berlin, gebunden, 336 Seiten
VÖ: Dezember 2013

Weiterführende Links:
Wenzel Storch Homepage

Cinea Surreal Homepage

Martin Schmitz Verlag