1968 hat sich der Science-Fiction-Visionär Philip K. Dick gefragt, ob Androiden von elektronischen Schafen träumen, der Roman würde unter dem Titel „Blade Runner“ verfilmt und gilt inzwischen als Genreklassiker. Filmmacher Werner Herzog, der neben seinen Dramen auch immer wieder Dokumentarfilme dreht, hat sich nun aufgemacht, das Phänomen Internet in einer Doku zu ergründen. Das ist ganz unterhaltsam und wie bei Herzog üblich durchaus eigenwillig, hat aber auch so seine Längen.
Ohne das Internet würde in unseren Postmodernen Gesellschaften heutzutage wahrscheinlich gar nichts mehr funktionieren. Und die Technische Revolution, die das möglich gemacht hat, wird von den Internet-Pionieren – durchaus zu Recht – als größte technische Revolution der Menschheitsgeschichte angesehen. Wobei spätere Generationen durchaus Mühe haben werden, Aufzeichnungen darüber zu finden, denn zugleich ist das Internet auch die am schlechtesten (analog) dokumentierte Innovation der Menschheitsgeschichte. Verschwände die Technik, wären auch die digitalen Spuren verloren.
Dokus über das Internet gibt es haufenweise, viele beschäftigen sich mit recht speziellen Themen, vieles ist mehr journalistisch geprägt, aber im Grunde weiß heute jeder ein bisschen etwas über die Technik, mit der wir täglich umgehen und von der wir immer abhängiger werden. Werner Herzog hat in seinem dokumentarischen Schaffen („die Höhle der vergessenen Träume“, „Lektionen der Finsternis“, „Die große Ekstase des Bildschnitzers Steiner“) immer einen eigenen Zugang zu seinen Themen und Protagonisten gesucht und gefunden, häufig auch motiviert von der Frage nach dem darunterliegenden Sinn, Motiv oder Antrieb. Das Unbewusste, die Ebene der Träume, ist dabei eines von Herzogs Leitmotiven.
Auch in „Wovon träumt das Internet“, der im amerikanischen Original „ Lo and Behold, Reveries of the Connected World” heißt- angelehnt an die ersten Worte der biblischen Schöpfungsgeschichte – fragt sich der Filmmacher und die mannigfaltigen Experten , ob das Netz ein Bewusstsein seiner Selbst entwickelt. Aber zunächst geht Herzog recht chronologisch vor, begibt sich an die UCLA, den Ursprungsort des Internets, und lässt den Zuschauer einen Blick auf die museale Technik werfen, mit der die erste Nachricht durch das Telefonkabel geschickt wurde und auch ankam: Aus Log wurde allerdings nu „Lo“, woraus sich der Titel der Doku ableitet.
Anschließend wuselt sich Herzog durch neun weitere Aspekte des Internet, darunter „Die dunkle Seite“, künstliche Intelligenz, selbstfahrende Fahrzeuge, die Kolonisation des Weltalls und den via Internet gesteuerten Alltag. Das alles bleibt notgedrungen recht kurz und verschafft vor allem einen ersten Eindruck des jeweiligen Themenkomplexes. Das ist durchausunterhaltsam, auch weil Herzog mit beharrlicher Konsequenz auch immer nach den emotionalen Auswirkungen der Technik fragt. In gewisser Weise ist das der mahnende Aspekt in „Wovon träumt das Internet“. Gleichzeitig aber kommt auch immer wieder die Begeisterung für die Möglichkeiten dieser Technik durch.
Daraus ergibt sich allerdings nicht immer ein zusammenhängendes Bild, vielmehr wirkt „Wovon träumt das Internet“ in seiner Gesamtheit eher essayistisch, sporadisch, fragmentarisch. Ebenso wie die Gruppe buddhistischer Mönche, die in Chicago nebeneinander hergeht und doch nur mit dem eigenen Smartphone beschäftigt ist. Die Frage, ob diese Mönche gar nicht mehr meditieren?, ist ebenso typisch Herzog wie symptomatisch für die Doku. Sie präsentiert Momentaufnahmen und leitet daraus Verallgemeinerungen ab.
„Wovon träumt das Internet?“ ist ein durchaus unterhaltsamer Spaziergang durch die digitale Welt und ihre Nischen. Neu ist das alles nicht, vieles ist durchaus diskutabel, aber es ist ein netter Rundblick.
Film-Wertung: (6 / 10)
Wovon träumt das Internet?
OT: Lo and Behold, Reveries of the Connected World
Genre: Dokumentarfilm, Technik,
Länge: 98 Minuten, USA, 2016
Regie: Werner Herzog
Mitwirkende: Lawrence Krauss, Kevin Mitnick, Elon Musk, Sebastian Thrun, Lucianne Walkowicz
Kinostart: 24.11.2016
DVD& BD-VÖ: 09.03.2017